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JUNALCO-Einheit verantwortlich für die Verhaftung von Pawel Durow

Die Verhaftung von Pawel Durow hat laut Reuters die Pariser J3-Einheit eingeleitet. Dies ist ein deutliches Signal an alle Tech-Konzerne.

Die Verhaftung von Pawel Durow hat laut Reuters die Pariser JUNALCO-Einheit (J3) eingeleitet. Die Aktion sendet ein deutliches Signal an alle Tech-Konzerne. Sie sollen mit den Behörden kooperieren oder zumindest wissen, dass ihnen ansonsten das gleiche droht.

Eine Verhaftung mit Signalwirkung an die Tech-Branche

Die Ermittlungen gegen den Telegram-Chef Pawel Durow, die einen Warnschuss an die globalen Tech-Titanen abgegeben haben, hat eine kleine Cybercrime-Einheit innerhalb der Pariser Staatsanwaltschaft eingeleitet. Die Anti-Cybercrime J3-Einheit leitet die 38-jährige Juristin Johanna Brousse. Sie war laut ihrem Profil bei LinkedIn im Jahr 2022 schon für US-Behörden tätig.

Staatsanwaltschaft Paris

Die Verhaftung des 39-jährigen Pawel Durow vor einer Woche markiert einen bedeutenden Wandel in der Art und Weise, wie einige globale Behörden versuchen, mit Tech-Chefs umzugehen. Vor allem mit denen, die nicht bereit sind, illegale Inhalte auf ihren Plattformen zu kontrollieren. Die Verhaftung war ein Zeichen für die Entschlossenheit der J3-Einheit für Cyberkriminalität. Aber der wahre Test für die Ambitionen der Juristin wird sein, ob Brousse auch eine Verurteilung erwirken kann. Manche Juristen bezeichnen ihre Grundlage als einen Haufen weitgehend ungeprüfter rechtlicher Argumente.

Pawel Durow soll für die Straftaten der Telegram-Nutzer haften

In einem noch nie dagewesenen Schritt gegen einen großen Tech-CEO argumentierten die Staatsanwälte, dass Durow die Verantwortung für die illegalen Handlungen zahlloser Nutzer auf seiner Plattform trage. Sie leiteten ein förmliches Ermittlungsverfahren wegen organisierter Kriminalität gegen ihn ein. Man verdächtigt ihn, am Betrieb einer Online-Plattform mitzuwirken, auf der Unbekannte Bilder von sexuellem Kindesmissbrauch veröffentlichen. Dazu kommt laut Anklage Drogenhandel, Online-Betrug und unzählige weitere Cybercrime-Verbrechen.

Ein Ermittlungsverfahren bedeutet nicht, dass man schuldig ist

Durows Anwalt sagte am Donnerstag, es sei „absurd“, dass er zur Verantwortung gezogen werde. Die App halte sich an die europäischen Gesetze. Die Einleitung eines förmlichen Ermittlungsverfahrens in Frankreich bedeutet nicht, dass man schuldig ist. Und auch nicht, dass es zwangsläufig zu einem Prozess kommt. Ermittlungen können sich über Jahre hinziehen, bevor Verdächtige vor Gericht kommen oder die Verfahren eingestellt werden. Durow ist auf Kaution und strengen Auflagen frei. Er darf aber das Land nicht verlassen. Einst hatte ihn sogar Präsident Macron gebeten, den Sitz der Betreibergesellschaft nach Frankreich zu verlegen.

Die Einheit von Frau Brouss begann Anfang des Jahres gegen Durow zu ermitteln. Zuvor erkannte man, dass seine App und Netzwerk für zahllose mutmaßliche Verbrechen genutzt wurde. Man war frustriert über den „fast völligen Mangel an Antworten von Telegram auf gerichtliche Anfragen“, sagte die Pariser Staatsanwältin Laure Beccuau am Mittwoch. Ähnliche Erfahrungen haben deutsche Behörden auch gemacht.

Pawel Durow, 2013 in Berlin
Pawel Durow auf der TechDisrupt Konferenz 2013 in Berlin. Quelle TechCrunch – (CC BY 2.0)

Johanna Brousse lehnte eine Stellungnahme ab

In einem Interview mit der Zeitung Libération im Januar sagte Johanna Brousse, dass ihr Büro eine wachsende Anzahl von Untersuchungen beaufsichtigt, die Telegram und die konkurrierende Messaging-App Discord betreffen. Sie fügte hinzu, dass die Bekämpfung der Kriminalität auf diesen Plattformen eine ihrer „Schlachten“ sei. Jason Citron, der CEO von Discord, reagierte nicht auf eine Bitte um Stellungnahme der Nachrichtenagentur Reuters.

Brousses J3-Abteilung für Cyberkriminalität ist die wichtigste in Frankreich und hat eine Lizenz zur landesweiten Strafverfolgung. Aber sie ist auch klein, mit nur fünf Staatsanwälten. Das ist deutlich weniger als die 55-60 Staatsanwälte für Cyberkriminalität in der Schweiz, wie ein parlamentarischer Bericht aus dem Jahr 2022 ergab. Mit ihren begrenzten Ressourcen „priorisieren sie die schwersten Verbrechen“, sagte Brousse letztes Jahr gegenüber Le Figaro. Wer den ganzen Artikel lesen will, kann dafür Archive.is benutzen, was allerdings illegal ist.

Pawel Durow, TechCrunch Disrupt 2015
Pawel Durow. Bildquelle: TechCrunch(CC BY 2.0).

Wir sind extrem heikle Fälle gewöhnt

Brousse sagte zudem in einem Podcast im Jahr 2022, sie wolle hart sein, „damit Cyberkriminelle glauben, dass sie, wenn sie Frankreich angreifen, sehr streng verurteilt und bestraft werden“. Wir wollen, dass die Leute strafrechtlich verfolgt werden, entweder in ihrem Land … oder in Frankreich durch Haftbefehle“, sagte sie. Ihr Büro sei an „extrem heikle Fälle“ gewöhnt, fügte sie hinzu. „Manchmal überschneiden sich rechtliche und geopolitische Fragen“.

Regulierung oder Haftbefehl?

Patrick Perrot, der die KI-gestützten Ermittlungen bei der französischen Gendarmerie koordiniert und die Cyberkommandoeinheit des Innenministeriums berät, sagte, das J3 sei innovativ gewesen. Man habe versucht, Fälle zu verfolgen, die einen internationalen Präzedenzfall darstellen. „Ich denke, es zeigt, dass man mit diesen Plattformen nicht machen kann, was man will“, sagte er gegenüber Reuters. „Das ist eine echte Frage für die Zukunft, denn diese Plattformen werden nicht aufhören, sich zu vermehren, also ist die Herausforderung der Regulierung von entscheidender Bedeutung.

J3 startete damals die Ermittlungen gegen Sky ECC/Encrochat

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Brousse leitet die JUNALCO-Einheit J3 seit 2020, was ihr die Aufsicht über einen der wichtigsten – und umstrittensten – französischen Fälle von Cyberkriminalität überhaupt einbrachte. Ende 2020 übernahm das J3 die Ermittlungen gegen Sky ECC, das neben Encrochat einer der wichtigsten verschlüsselten Kommunikationsdienste war, der von Gangstern genutzt wurde, um Drogen und Waffen zu kaufen oder Rivalen zu ermorden.

Einige Jahre zuvor hatten sich französische, niederländische und belgische Polizeibehörden in die in Nordfrankreich untergebrachten Server des Dienstes gehackt, so dass die französischen Staatsanwälte für viele der daraus resultierenden Ermittlungen zuständig waren. Nach Angaben von Europol wurden seit der Zerschlagung von Encrochat im Jahr 2020 mehr als 6.500 Personen festgenommen, wobei die Rechtmäßigkeit der abgefangenen Daten vor Berufungsgerichten in ganz Europa angefochten wurde.

Schützte Encrochat nur die Privatsphäre von Kriminellen?

Paul Krusky, der kanadische Encrochat-Chef, wurde im Februar von der Dominikanischen Republik an Frankreich ausgeliefert. Dort wartet er auf seinen Prozess. Die Anwälte von Jean-François Eap von Sky ECC fechten seinen französischen Haftbefehl an. Stéphane Bonifassi, Eaps Anwalt, sagte, sein Mandant sei unschuldig und fügte hinzu, dass „Sky ECC weder als Werkzeug für Kriminelle konzipiert noch als solches kommerzialisiert worden sei“.

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Kruskys Anwalt, Antoine Vey, gab bekannt, sein Mandant sei unschuldig. „Der von Paul Krusky eingerichtete Dienst (Encrochat) diente, wie andere weltweit erfolgreiche Dienste auch, ausschließlich dem Schutz der Privatsphäre und der Freiheit des Austauschs seiner Nutzer und keinesfalls der Unterstützung krimineller Aktivitäten“, so Vey in einer Erklärung.

Pawel Durow als Komplize von Schwerstkriminellen?

Zwei andere französische Anwälte, die an den Fällen Sky ECC und Encrochat gearbeitet haben, erklärten gegenüber Reuters, dass diese früheren Ermittlungen den Staatsanwälten den Ehrgeiz – und einen Plan – gaben, Durow ins Visier zu nehmen. Robin Binsard, der Encrochat-Fälle vor Frankreichs oberstem Gericht verhandelt hat, sagte, dass die Staatsanwälte beweisen müssten, dass Durow nachweislich von der Kriminalität in der App wusste und sie gebilligt habe, und nannte ihr Argument „völlig fragwürdig“. Die Tatsache, „dass Telegram den Anfragen der verschiedensten Strafverfolgungsbehörden nicht nachgekommen ist, macht einen nicht automatisch zu einem Komplizen eines kriminellen Projekts“, fügte er hinzu.

Binsard sagte, es sei klar, dass „Frankreich Anbieter von verschlüsselten Nachrichten verfolgt“. Andere Betreiber solcher Apps, wie Signal, „sich Gedanken darüber machen sollten, ob sie die französischen Vorschriften einhalten oder nicht.“ Denn die Botschaft ist klar: Wenn sie es nicht tun, leitet man rechtliche Schritte gegen sie ein. Das kann, wie bei Durow geschehen, zu ernsthaften juristischen Konsequenzen führen.

Telegram

Eine Quelle bei der Pariser Staatsanwaltschaft sagte, dass es angeblich keine Verbindung zu der Untersuchung gegen Sky ECC und Telegram gebe. Signal reagierte gegenüber Reuters nicht sofort auf eine Bitte um Stellungnahme.

Ist Telegram nach der Verhaftung von Pawel Durow kompromittiert?

Von Interesse sind natürlich nicht nur die möglichen Folgen für den Chef von Telegram, sondern auch für seine Benutzer. Bei X merkte Kim Dotcom an, dass die juristischen Vorwürfe gegen Durow das gesamte Telegram-Team betreffen. Dotcom geht davon aus, dass die leitenden Mitarbeiter in Dubai mittelfristig vor zwei Möglichkeiten stehen. Sie müssen einen Vergleich akzeptieren oder sich einer ähnlichen Anklage wie Durow stellen, sollten sie französischen Boden betreten.

Pawel Durow

Dotcom glaubt, dass sich das Telegram-Team wahrscheinlich für einen Vergleich entscheiden wird, um härtere Strafen zu vermeiden. Den Mitgründer von Megaupload und Mega erinnerte das Szenario an das seines eigenen Kernteams. Diese haben im Rahmen eines Deals „falsche Geständnisse“ abgelegt, um mildere Strafen zu erhalten und das Verfahren endlich zu beenden. Kim Dotcom geht davon aus, dass sein Team als Teil des Deals die Keys für die Verschlüsselung an die US-Regierung übergeben habe.

Das gleiche könne jetzt Telegram und seinen Usern drohen, mutmaßt er. Dotcom glaubt offenbar, auch Pawel Durow habe zur eigenen Strafmilderung bereits die Verschlüsselung seines Dienstes zum Wohl der Behörden geknackt oder plane dies.

Alle elektronischen Geräte verschlüsseln, Zufallsfunde vernichten

Beweise für seine Theorien konnte Dotcom naturgemäß nicht vorlegen. Zumindest ist es aktuell für alle Straftäter sinnvoll, bei Telegram aufzuräumen. Auch sollte man daheim alle Geräte mit einem sicheren Passwort verschlüsseln. Wer daheim nicht alle elektronischen Geräte verschlüsselt und alle möglichen Zufallsfunde vernichtet, der handelt grob fahrlässig. Wer in der Folge verurteilt wird, muss sich nicht wundern, sich aufgrund der eigenen Faulheit selbst in Gefahr gebracht zu haben.

Polizei Bergisch Gladbach, ZAC NRW

Ausgang der Ermittlungen gegen Durow unklar

Derweil laufen in Frankreich unter der Leitung eines Richters die Ermittlungen gegen Durow weiter. Diese hat man laut Pressemitteilung dem C3N der Gendarmerie Nationale und dem ONAF, dem Nationalen Zollamt für Betrugsbekämpfung, anvertraut. Der Ausgang der Ermittlungen ist offen. Klar ist nur, dass das Verfahren noch lange dauern kann und der CEO von Telegram bis dahin Frankreich nicht verlassen darf.

Lars Sobiraj

Über

Lars Sobiraj fing im Jahr 2000 an, als Quereinsteiger für verschiedene Computerzeitschriften tätig zu sein. 2006 kamen neben gulli.com noch zahlreiche andere Online-Magazine dazu. Er ist der Gründer von Tarnkappe.info. Früher brachte Ghandy, wie er sich in der Szene nennt, an verschiedenen Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern bei, wie das Internet funktioniert. In seiner Freizeit geht er am liebsten mit seinem Hund spazieren.