EncroChat-Auswertung führt zu Berlin-Razzien mit fünf Festnahmen
EncroChat-Auswertung führt zu Berlin-Razzien mit fünf Festnahmen
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EncroChat-Auswertung führt zu 16-jährigem Drogenboss

Abgefangene Encrochat-Nachrichten münden in einer Großrazzia im Berliner Clanmilieu. Fünf mutmaßliche Drogenhändler wurden dabei festgenommen

Wiederholt führten Chatverläufe des verschlüsselten Messenger-Dienstes EncroChat Ermittler zu einer professionell agierenden Drogenhändler-Bande. Die Polizei ging am Mittwochmorgen mit einer Großrazzia und Spezialeinsatzkräften in Berlin und Brandenburg gegen den mutmaßlichen Drogenring vor. Insgesamt waren 262 Beamte im Einsatz.

EncroChat-Auswertung verweist auf professionell organisierte Bande

Wie die Berliner Zeitung berichtete, waren Ermittler aufgrund von EncroChat-Protokollen auf die Bande aufmerksam geworden. Demgemäß hätte der Drogenring „bereits zwischen April und Juni 2020 mehr als 34 Kilogramm Kokain (Marktwert bei einem Kilopreis von 40.000 Euro rund 1,3 Millionen Euro), 76 Kilogramm Marihuana, 30 Kilogramm Haschisch und etwa 33 Liter Amphetaminöl zunächst eingeführt und anschließend verkauft“.

Laut Europol endete das Abfangen von EncroChat-Nachrichten „am 13. Juni 2020, als das Unternehmen feststellte, dass eine Behörde in die Plattform eingedrungen war. EncroChat schickte daraufhin eine Warnung an alle seine Nutzer mit der Empfehlung, die Telefone sofort wegzuwerfen“. Gemäß BZ-Berlin ließen auch die Dealer offenbar zeitgleich ihre Aktivitäten einstweilen ruhen.

Sie gerieten dann jedoch im Januar 2023 erneut in den Fokus der Ermittler. Ab dem Zeitpunkt observierte die Polizei die Bande. Am 30. Juni 2023 gelang es ihnen infolge, einen Kurier zu stellen. Die Beamten beschlagnahmten in seinem Fahrzeug 36 Kilogramm Amphetaminpaste, 7000 Ecstasy-Tabletten, 310 Gramm Kokain und 500 Gramm Ketamin.

Inzwischen wäre auch der 16-Jährige in die illegalen Geschäfte integriert gewesen. Gemeinsam mit seinem Vater soll er als Kopf der Bande für den Drogeneinkauf und der Organisation des Handels die Verantwortung getragen haben. Gemäß Karen Häußer, Sprecherin der Berliner Staatsanwaltschaft, fungierten die anderen Mitglieder als „Händler, Bunkerhalter, Verpacker und Portionierer, Fahrer, Auslieferer“. Einige von ihnen organisierten die Drogeneinfuhr, überwiegend aus den Niederlanden.

EncroChat-Auswertung mündet letztlich in Großrazzia

Gegen fünf Personen lagen bereits Haftbefehle vor. Zur Vollstreckung kam es dann am Mittwochmorgen. Die übrigen Verdächtigen, darunter auch ein 17-Jähriger, ließ man nach erkennungsdienstlicher Behandlung vorerst wieder frei. Ab 6 Uhr startete gestern die Polizeiaktion. Ein Beschuldigter war offenbar an den Drogengeschäften vom Gefängnis aus beteiligt. Auch seine Zelle in der Justizvollzugsanstalt Hakenfelde wurde durchleuchtet.

Weitere Durchsuchungen gab es in Wohnungen und Geschäftsräume der Berliner Stadtteile Schöneberg, Alt-Treptow, Prenzlauer Berg, Lichtenberg, Friedrichshain, Neukölln, Rudow, Buckow, Hakenfelde, Köpenick und Moabit sowie in Rüdersdorf und Hoppegarten.

Die Beamten stellten zunächst größere Mengen an Drogen sicher. Darunter Cannabis, Kokain, Amphetamine und diverse illegale Medikamente. Zudem konfiszierten sie eine Maschinenpistole, eine Schrotflinte, Munition, pyrotechnische Erzeugnisse, Handys, mehr als 100.000 Euro Bargeld, zwei Luxusautos sowie zwei weitere Fahrzeuge.

Keine Sicherheit für Clankriminelle in Berlin

Felor Badenberg, Berlins Justiz-Senatorin, zeigt sich mit Ermittlungsarbeit zufrieden:

„Die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität bildet einen Schwerpunkt meiner Arbeit. Deshalb möchte ich der Staatsanwaltschaft für die umfangreichen Ermittlungen und der Polizei für die Umsetzung der heutigen Maßnahmen meinen besonderen Dank aussprechen. In dem Ermittlungskomplex, der sich gegen mehrere Beschuldigte richtet, die zum Teil arabischen Großfamilien angehören, haben am heutigen Tag eine Vielzahl polizeilicher Handlungen stattgefunden. Erneut zeigt sich, dass die Strafverfolgungsbehörden in Berlin äußerst wachsam sind. Clankriminelle können sich in dieser Stadt nicht sicher fühlen.“

15 Prozent der EncoChat-User stammen aus Berlin

Oberstaatsanwalt Thorsten Cloidt leitet eine Schwerpunktabteilung, die Beamte 2022 bei der Berliner Staatsanwaltschaft ins Leben riefen, um die mit dem EncroChat-Hack einhergehende Datenflut zu bewältigen. Ihm zufolge stammen „mit etwa 15 Prozent überproportional viele EncroChat-User aus Berlin“,

Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.