EncroChat
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Bildquelle: artursz, Lizenz

EncroChat: Goldgrube für Ermittler birgt Datenflut

Bezüglich EncroChat-Daten zieht die Staatsanwaltschaft mit ersten Ergebnissen Bilanz. Große Datenmengen setzen die Ermittler unter Zeitdruck.

Gemäß dpa-Informationen informiert Oberstaatsanwalt Thorsten Cloidt, Leiter einer der vier Abteilungen der Staatsanwaltschaft Berlin zur Bekämpfung Organisierter Kriminalität, über erste Zwischenergebnisse der EncroChat-Datenauswertungen. Aber auch der Berliner Landessprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Benjamin Jendro, nimmt zum Thema Stellung. Er bezeichnet die aus einem Hack gewonnenen Daten als „Goldgrube“ im Kampf gegen die Organisierte Kriminalität. Darüber berichtete ZDF heute.

15 Prozent der EncoChat-User stammen aus Berlin

Oberstaatsanwalt Thorsten Cloidt leitet eine Schwerpunktabteilung, die Beamte zu Jahresbeginn bei der Berliner Staatsanwaltschaft ins Leben riefen, um die mit dem EncroChat-Hack einhergehende Datenflut zu bewältigen. Allein in Berlin wären rund 1,6 Millionen Chatnachrichten mit knapp 750 Usern aufzuarbeiten. Damit stammten „mit etwa 15 Prozent überproportional viele Encrochat-User aus Berlin“, veranschaulicht Cloidt.

Entsprechend hätte die Berliner Staatsanwaltschaft bisher in 40 Fällen Anklage erhoben. Das Landgericht Berlin hat diesbezüglich bereits mehrfach verhandelt. Der 5. Strafsenat des BGHs räumte die gerichtliche Verwertbarkeit der aus EncroChat gewonnenen Erkenntnisse im März diesen Jahres ausdrücklich ein, wenn es um die Aufklärung schwerer Straftaten ginge. Ferner stünden über „100 weitere Verfahren mit mindestens einem identifizierten Verdächtigen“ noch an. In anderen neun Fällen müsse man den Täter erst noch ermitteln.

Aber auch in Hamburg häufen sich inzwischen EncroChat-Prozesse. Erst im Februar diesen Jahres führte eine Groß-Razzia die Polizei mit Unterstützung des SEK aufgrund von EncroChat-Daten nach Hamburg und Schleswig-Holstein in 16 Objekte. Hier wirft man 14 Männern im Alter von 38 – 57 Jahren vor, mit Drogen gehandelt zu haben.

Fälle von Drogenhandel überwiegen

Oberstaatsanwalt Thorsten Cloidt führt aus, dass es bei den Fällen weniger einen Bezug zur Clankriminalität gebe. Vielmehr ginge es um Drogenhandel. Besonders betroffen seien Rocker. Auffällig wäre weiterhin die „hohe Taktung der Taten, weniger die Mengen des Rauschgifts“. Dabei erstaunt es zu erfahren, dass hauptsächlich gerade bisher völlig unverdächtige Personen ins Fadenkreuz der Ermittler gerieten:

„Das Gros der Verdächtigen in den Verfahren sind Personen, die wir noch nicht auf dem Schirm hatten.“

„Die Leute waren sich offensichtlich sicher, dass die Daten nicht entschlüsselt werden können“, führt Cloidt fort. Sein Kollege Reiner Pützhoven ergänzt „Das System war für Kriminelle gedacht“.

Der Berliner Landessprecher der Polizei-Gewerkschaft, Benjamin Jendro, sieht in den Daten eine „wahre Goldgrube“ als Ansatz für diverse Ermittlungsverfahren:

„Wir hatten selten zuvor mit einer derart offenen Kommunikation von kleinen und großen Fischen aus der Organisierten Kriminalität zu tun, sodass eine geöffnete Ermittlung schnell zu einem Stich ins Wespennest wird und wir Probleme bekommen, alles auch in der gegebenen Zeit zu beackern.“

Segen oder Fluch? – EncroChat-Daten bedürfen zügiger Aufarbeitung

Sowohl Ermittler, als auch die Justiz sehen in den zahlreichen Verfahren und der Datenflut Segen und Fluch zugleich. Bezüglich der Ermittlungen sei Eile geboten. Verdächtige sitzen dabei in Untersuchungshaft. Dies ist nur zeitlich begrenzt möglich. Bundesweit haben Polizei und Justiz mit der Einrichtung von speziellen Abteilungen und einem Aufstocken von Personal auf die Gegebenheiten reagiert. Allein in Hamburg schuf man nach Angaben des Deutschen Richterbundes befristet 28 neue Stellen für Richterinnen, Staatsanwälte und Servicepersonal.

Trotz Anonymitätszusagen wurden die EncroChat-Daten von Ermittlern geknackt

EncroChat Handys hat man den Kunden als Garant für perfekte Anonymität angepriesen. Allerdings stellten französische Ermittler fest, dass EncroChat auch über einige Server in der Stadt Lille verfügte. Entgegen der Zusagen vonseiten des Herstellers gelang es Spezialisten infolgedessen, das Chatnetzwerk zu knacken. Dann schleusten die Beamten über den Server Schadsoftware auf sämtliche EncroChat-Handys. So gelang es, die Daten unbemerkt von den Geräten abzufangen und auf einen anderen Server auszuleiten.

Sky ECC-Entschlüsselung geht mit weiterer Datenflut einher

Weiterhin gingen entschlüsselte Daten aus Sky ECC mit Mio. Krypto-Handys-Chats bereits an die Polizei. Dabei erwartete die Beamten ein viermal so großen Datenbestand als bei der EncroChat Daten-Entschlüsselung. Somit wird eine zweite, noch größere Verfahrenswelle auch auf die Strafjustiz zukommen.

Erste Berichte wiesen im Frühjahr letzten Jahres darauf hin, dass es Europol bereits gegen Ende 2020 gelungen ist, die Verschlüsselung von Sky ECC zu knacken. Davon betroffen sind Millionen Chat-Nachrichten von Nutzern weltweit, die in einigen Ländern schon zu großflächigen Razzien führten.

Oberstaatsanwalt Thorsten Cloidt ist demgemäß überzeugt davon:

„Kryptohandys werden uns die nächsten Jahre beschäftigen“.

Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.