Innenministerin Nancy Faeser (SPD) will das geplante Quick-Freeze-Verfahrens kippen und fordert die Einführung der Vorratsdatenspeicherung.
Wie die Süddeutsche Zeitung heute hinter ihrer Paywall berichtet, gibt es wegen der Vorratsdatenspeicherung (VDS) Streit in der Koalition. Innenministerin Nancy Faeser kann sich mit der bereits ausgehandelten Übereinkunft nicht anfreunden. Eigentlich hatte man in Absprache mit Justizminister Marco Buschmann (FDP) geplant, statt der Vorratsdatenspeicherung Kriminelle mithilfe des Quick-Freeze-Verfahrens dingfest zu machen.
Faeser beharrt auf Wiedereinführung der VDS
Zur Aufklärung schwerer Verbrechen sollten künftig eigentlich nur im Bedarfsfall die Daten gespeichert (also eingefroren) werden, die die Behörden für die Aufklärung einer Straftat benötigen. Die VDS umfasst hingegen die Speicherung aller Telekommunikationsdaten der Mobilfunk-, Telefon- und Internetanbieter Deutschlands.
Wenn eine Behörde dies will, könnte sie dann anhand der Mobilfunkdaten beispielsweise nachweisen, wann sich Tatverdächtige zu bestimmten Uhrzeiten aufgehalten haben. Auch Bewegungsprofile mit einer Genauigkeit auf 50 Meter, also wöchentlich wiederkehrende Aktivitäten der Verdächtigen, kann man aufgrund der vielen Daten auslesen.
Für Buschmann ist die VDS nichts als ein „totes Recht„
Die Forderung des Innenministeriums kommt überraschend, weil die Regelungen der anlasslosen Speicherung aller Bürgerinnen und Bürger schon mehrfach höchstrichterlich abgelehnt wurden. Im Vorfeld hatte ein Sprecher Buschmanns angedeutet, die VDS bleibe nur noch als „totes Recht bestehen„. Das sieht Frau Faeser offenkundig ganz anders. Vor zwei Jahren hat sich sich noch komplett gegenteilig geäußert.
Quick-Freeze-Verfahren angeblich nicht ausreichend
Laut Faeser sei die IP-Adresse des Tatverdächtigen „oft der einzige Ermittlungsansatz„. Die Innenministerin sieht die Vorratsdatenspeicherung quasi als Grundlage des Quick-Freeze-Verfahrens. Die Ministerien würden über dieses Thema noch weiter verhandeln. Dies habe man zumindest ausgemacht.
Auch die Terrorabwehr nimmt man erneut als Grundlage, um ein ganzes Volk ohne jeden Grund überwachen zu können. Da Cyberkriminelle sowieso ihre Spuren digital verwischen, beispielsweise indem sie ein VPN* oder die IP-Adresse eines gekaperten PCs nutzen, werden sie von den geplanten Maßnahmen sowieso nicht betroffen sein. Gespeichert werden aber im Gegensatz dazu die Daten aller Bundesbürger.
BKA und Geheimdienste fordern die Wiedereinführung
Mehrere Sicherheits- und Strafermittlungsbehörden haben bereits angemahnt, wie wichtig ihnen die Wiedereinführung der VDS ist. Nur so könne man Täter in den Bereichen Kinderpornografie, Terrorismus, Hasskriminalität oder bei anderen schwerwiegenden Delikten erfolgsversprechend verfolgen.
Kritiker hoffen auf die Weisheit des Bundesverfassungsgerichts
Innerhalb der Koalition besteht in diesem Punkt seit mehr als eineinhalb Jahren Uneinigkeit. Doch in den Jahren 2010 und 2017 erklärte das Bundesverfassungsgericht das Gesetz in der damaligen Fassung für rechtswidrig. 2022 bestätigte auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) seine Zweifel an der gesetzlichen Vorgabe. Gleichzeitig legte man Voraussetzungen fest, unter denen eine „allgemeine und unterschiedslose“ Vorratsdatenspeicherung zulässig sei.
Und genau darauf beruft man sich jetzt in der Hoffnung, nicht zum dritten Mal in Folge vor dem höchsten deutschen Gericht zu scheitern. Eine spannende Chronik des wiederholten Scheiterns vor dem Bundesverfassungsgericht hat im September 2022 der Verein digitalcourage vorgestellt.
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