Der EuGH-Generalanwalt Maciej Szpunar hat gestern empfohlen, die Vorratsdatenspeicherung zur Verfolgung von Filesharern einzuführen.
In einer nicht verbindlichen Stellungnahme riet der polnische EuGH-Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof Szpunar gestern dazu, die bisherige Rechtsprechung aufzuweichen. Stattdessen soll eine flächendeckende Vorratsspeicherung der Internet-Verbindungsdaten der gesamten Bevölkerung zur Verfolgung von Filesharern zugelassen werden. Dies würde EU-weit auch ohne richterlichen Beschluss gelten.
EuGH-Generalanwalt schlägt „3 Strikes“ für die EU vor
Der EuGH-Generalanwalt plant die Einführung der „3 Strikes“-Regelung für die Durchsetzung des europäischen Urheberrechts im Internet nach französischem Vorbild. Ignoriert der Filesharer in Frankreich zwei Warnungen der Behörde Hadopi, nachdem man ihn bei Urheberrechtsverletzungen erwischt hat, kann diese die Daten an eine Strafverfolgungsbehörde übermitteln.
Szpunar legte am Donnerstag seine Schlussanträge in der Rechtssache vor. Eine IP-Adresse, die zugehörigen Identitätsdaten des Anschluss-Inhabers und die Informationen über das fragliche Werk ließen keine genauen Schlüsse auf das Privatleben der verdächtigten Person zu. Da die Angaben nicht so weitreichend sind, wäre auch keine Genehmigung eines Richters notwendig, argumentierte er.
Filesharing = schwere Kriminalität?
Der EuGH hat immer wieder eine flächendeckende Vorratsdatenspeicherung abgelehnt. Laut einem neuen Urteil sei dies aber möglich, sofern es der „Bekämpfung schwerer Kriminalität und Verhütung schwerer Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit“ diene. Szpunar betonte, dass er die Rechtsprechung nicht verändern, sondern angeblich lediglich verfeinern wolle. Er glaubt, bei Urheberrechtsverletzungen sei das anlasslose Protokollieren der Daten der Internetnutzer gerechtfertigt. Dies diene um „eine systematische Straflosigkeit der ausschließlich online begangenen Gesetzesverletzungen zu verhindern“.
Der nächste Dammbruch droht
Dr. Patrick Breyer (Piratenpartei) warnt vor einer erneuten Einführung der Vorratsdatenspeicherung durch den EuGH-Generalanwalt, diesmal durch die Hintertür:
“Ursprünglich hat der Europäische Gerichtshof eine wahllose Vorratsspeicherung der Internet-Verbindungsdaten der gesamten Bevölkerung mit der Begründung Kinderschutz zugelassen. Jetzt soll sie schon gegen Filesharer und Beleidigungen zugelassen werden.
Das belegt: Alle Dämme brechen, wenn die rote Linie flächendeckender Massenüberwachung überschritten wird. Nur nicht gespeicherte Daten sind sicher vor Datengier, Missbrauch und Datenlecks.
Schon das Argument Kinderschutz rechtfertigt keine Internet-Vorratsdatenspeicherung: Die Aufklärungsquote gerade bei Missbrauchs- und Ausbeutungsdarstellungen im Netz übersteigt 90%. Nur 3% der Hinweise aus der freiwilligen Chatkontrolle sind nicht aufklärbar. Eine höhere Aufklärungsquote wurde weder unter Geltung einer IP-Vorratsdatenspeicherung im Jahr 2009 erreicht, noch ist sie im Ausland vorhanden, wo eine flächendeckende Vorratsspeicherung praktiziert wird. Kinderschutz geht anders, etwa mit der Finanzierung von Präventionsarbeit, Schutzkonzepten, Quick Freeze, verdeckten Ermittlungen und Loginfallen.
IP-Adressen sind wie unsere digitalen Fingerabdrücke. Ihre totale Erfassung würde Kriminalitätsvorbeugung durch anonyme Beratung und Seelsorge, Opferhilfe durch anonyme Selbsthilfeforen und auch die freie Presse gefährden, die auf anonyme Informanten angewiesen ist. Die massenhafte und flächendeckende Aufzeichnung der Internetverbindungen völlig unbescholtener Menschen ist eine totalitäre Maßnahme, die mit den Werten einer freien Demokratie nicht vereinbar ist.”