Wie ein Leak zeigt, hat die EU das Thema Chatkontrolle noch nicht zu den Akten gelegt. Die Ratspräsidentschaft legte einen neuen Entwurf vor.
Die US-Vereinigung Thorn hatte durch Lobbyvertreter bei der EU das Thema Chatkontrolle erstmals aufgebracht. Eigentlich hatte man sich schon dazu durchgerungen, sie nicht umzusetzen. Doch hinter verschlossenen Türen ging die Arbeit am Gesetzentwurf zur Chatkontrolle weiter.
Einige EU- Parlamentarier wollen die Chatkontrolle noch bis zum Juni beschließen. Der geleakte Vorschlag der belgischen Ratspräsidentschaft vom 13. März 2024 zeigt, dass man den extremen Ausgangsentwurf der EU-Kommission zur Chatkontrolle im Kern beibehalten will.
Der Europaabgeordnete Dr. Patrick Breyer (Piratenpartei) warnt in seiner Pressemitteilung eindrücklich davor, derartige Pläne wieder aufzunehmen.
Die Chatkontrolle als Mogelpackung
„Öffnet man die neue Mogelverpackung, kommt die hässliche alte Fratze der Chatkontrolle unverändert zum Vorschein. Millionen privater Chats und Privatfotos unbescholtener Bürger sollen mit unzuverlässiger Technik durchsucht und ausgeleitet werden, ohne dass die Betroffenen auch nur entfernt mit Kindesmissbrauch zu tun haben. Das zerstört unser digitales Briefgeheimnis. Außerdem will man bisher sichere Ende-zu-Ende-Verschlüsselung allgemein ausgehebeln, um unsere Smartphones zu Spionen umzufunktionieren (sog. Client-side scanning) – das zerstört sichere Verschlüsselung.
Offensichtlicher Verstoß der Grundrechte geplant
Höchste Alarmstufe besteht deshalb, weil bisher kritische EU-Regierungen die umverpackten Pläne loben und dadurch die Sperrminorität nicht mehr steht. Selbst von der Bundesregierung fehlt eine klare Absage für die flächendeckende Chatkontrolle unverschlüsselter Dienste. Auch die Meinung des Rechtsdienstes des Rates zu diesem offensichtlichen Grundrechtsverstoß ist bisher nicht eingeholt worden.
Hohes Missbrauchsrisiko vorhanden
Im Einzelnen ist die Beschränkung der Chatkontrolle auf ‚Hochrisikodienste‘ bedeutungslos, weil jeder Kommunikationsdienst immer auch zum Versenden illegaler Darstellungen missbraucht wird und insofern ein hohes Missbrauchsrisiko aufweist. Für die Einstufung der großen Dienste wäre Irland zuständig – mit der stärkste Befürworter der Chatkontrolle. Ohnehin ist der genutzte Dienst keine Rechtfertigung durch die Durchleuchtung völlig unbescholtener Bürger.
Viele Meldungen der Chatkontrolle werden fehlerhaft sein
Auch dass Chats erst ab zwei Meldungen der hochunzuverlässigen Algorithmen ausgeleitet werden sollen, ist bedeutungslos, weil falsch gemeldete Strandbilder oder einvernehmliches Sexting wohl selten nur ein einziges Foto umfassen. Die EU-Innenkommissarin hat selbst erklärt, dass die Polizei mit drei von vier ausgeleiteten Chats nichts anfangen kann.“