Zugriff auf Daten zur Chatkontrolle
Zugriff auf Daten zur Chatkontrolle
Bildquelle: SergeyNivens, Lizenz

Chatkontrolle: Wird Überwachungsinstrument bald zur Realität?

Die EU-Innenminister berieten aktuell zum Plan über die Chatkontrolle. Dabei hielten sie an ihrem Ansatz zur Massenüberwachung fest.

Die EU-Kommission hat bereits am 11. Mai 2022 einen Vorschlag zu der Verordnung zur Bekämpfung sexueller Gewalt an Kindern vorgestellt. Ursprünglich will man damit Kinder besser schützen und die Täter trotz Anonymität des Internets aufspüren.

Im Wesentlichen sollen die Unternehmen verpflichtet werden, sexualisierte Gewalt gegen Kinder auf ihren Plattformen zu erkennen und schließlich zu entfernen. Kritiker merkten an, dass eine Chatkontrolle als Maßnahme dabei allerdings deutlich übers Ziel hinausschießt.

Die Chatkontrolle soll ein anlassloses und automatisches Scannen von privaten Text-, Bild- und Videoinhalten umfassen. Dazu will man Chat- und Messengerdienste wie WhatsApp anhalten, User-Daten schon vor dem Abschicken und Verschlüsseln mittels Client-Side-Scanning zu durchleuchten. Ein sich anschließendes Abgleichen dieser Daten mit einer Datenbank wird dann zum Auffinden von Kindesmissbrauchs-Darstellungen (CSAM) herangezogen.

Kritiker der Maßnahme bringen Zweifel zum Ausdruck

Allerdings bestehen zu der geplanten Maßnahme „massive Zweifel, dass dies mit geltendem europäischen wie deutschen Grundrecht sowie der EuGH-Rechtsprechung vereinbar ist“. Darauf wies Dr. Konstantin von Notz, Bündnis 90/Die Grünen, hin. Der Europaabgeordnete der Piratenpartei Deutschland, Patrick Breyer, machte zudem bereits schon damals auf die Unverhältnismäßigkeit der geplanten Maßnahmen aufmerksam:

„Chat-Kontrolle ist, wie wenn die Post alle Briefe öffnen und scannen würde. Das ist ineffektiv und illegal. Und wer das digitale Briefgeheimnis und sichere Verschlüsselung zerstört, der zerstört Vertrauen und Vertraulichkeit, auf die wir alle angewiesen sind.“

Aber auch der FDP-Politiker Moritz Körner betitelte eine Kommunikations-Überwachung von Usern als „staatliche Schnüffelsoftware“. CDU-Abgeordnete Lena Düpont wies auf die Herausforderung hin, den Datenschutz mit dem Kinderschutz in Einklang zu bringen.

In einer im September diesen Jahres veröffentlichten Stellungnahme ging UNO-Menschenrechtskommissar Volker Türkauf auf das Thema Chatkontrolle ein. Er wies u.a. darauf hin, dass die damit verbundene anlasslose Überwachung und Einschränkung der Freiheitsrechte aller EU-Bürgerinnen und Bürger in Anbetracht der zu erwartenden hohen Fehlerrate in keinem Verhältnis stünden.

Bleiben Kinder bei geplanter Chatkontrolle auf der Strecke?

Der Europaabgeordnete Dr. Patrick Breyer (Piratenpartei), Verhandlungsführer der Grünen/EFA-Fraktion, nimmt aktuell Stellung zum Thema der Chatkontrolle. Er bezeichnete diese als ein Durchsuchen nach „vermeintlich verdächtigen Inhalten“. Gemäß Breyer beharrten die EU-Innenminister, trotz der vorangehenden massiven Kritik, auf dem Ansatz der Massenüberwachung. Breyer kommentiert aktuell:

„Die EU-Regierungen planen ein Massenüberwachungssystem, das so extrem ist, dass es nirgendwo sonst in der freien Welt existiert. Das einzige Land, das solch wahllose Durchsuchungen praktiziert, ist das autoritäre China.

Während Innenministerin Faeser öffentlich beteuert, dass sie die Chatkontrolle ablehne, kommt davon hinter verschlossenen Türen kein Wort über die Lippen der deutschen Verhandler. Dass man sich innerhalb der Bundesregierung bis heute auf keine Position geeinigt und diese kommuniziert hat, ist ein Hochverrat an unserer Privatsphäre und Sicherheit!

Anstatt unsere Werte und die Grundrechte von Kindern, Opfern und jedermann zu verteidigen, arbeiten die Regierungen hinter verschlossenen Türen daran, den Vorschlag der Kommission noch schlimmer zu machen. Sie wollen Suchmaschinen zensieren, wenn abscheuliche Bilder an der Quelle entfernt werden müssen. Sie wollen das Erfordernis eines Gerichtsbeschlusses für die Entfernung und Sperrung von Bildern aufheben. Zudem wollen sie die von der Kommission vorgeschlagenen Unabhängigkeitsanforderungen und die Transparenzstatistiken zur Wirksamkeit der Regelung aushöhlen.

Angesichts der vernichtenden Kritik der Zivilgesellschaft und der Institutionen, die mit dem Schutz der Grundrechte der Europäer betraut sind, hilft niemand den Kindern mit einer Verordnung, die unweigerlich vor dem Europäischen Gerichtshof scheitert, weil sie gegen die Charta der Grundrechte verstößt. Was wir wirklich brauchen, ist eine längst überfällige Verpflichtung der Strafverfolgungsbehörden, bekanntes Missbrauchsmaterial im Internet zu löschen, sowie europaweite Standards für wirksame Präventionsmaßnahmen, Opferhilfe und -beratung und zeitnahe strafrechtliche Ermittlungen.”

Im Übrigen sprachen sich im Ergebnis einer Umfrage Ende April diesen Jahres 72% der Bürger gegen die EU-Pläne zur automatisierten Nachrichten- und Chatkontrolle mit Strafanzeigeautomatik aus. An der Meinungsumfrage von YouGov nahmen damals 10.265 Bürger aus 10 EU-Ländern teil.

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Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.