Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof hat die Schwächung der sicheren Ende-zu-Ende-Verschlüsselung mit einem aktuellen Urteil untersagt.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat am gestrigen Dienstag die generelle Schwächung sicherer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung verboten. Dies geschah mit der Begründung, dass die Verschlüsselung Bürger und Unternehmen vor Hackerangriffen, Diebstahl von Identitäts- und personenbezogenen Daten, Betrug und unbefugter Weitergabe vertraulicher Informationen schützt. Eigens dafür eingerichtete Hintertüren für behördliche Zwecke könnten auch von kriminellen Netzwerken ausgenutzt werden.
Backdoors würden die Sicherheit der elektronischen Kommunikation aller Nutzer ernsthaft gefährden. Es gebe andere Lösungen zur Überwachung verschlüsselter Kommunikation, ohne den Schutz aller Nutzer generell zu schwächen. Als Beispiel nennt das Urteil den Einsatz von Staatstrojanern oder die Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ). Das Urteil des EGMR dürfte auch erhebliche Auswirkungen auf die geplante Chatkontrolle haben, bzw. die Pläne der EU-Kommission unmöglich machen.
Die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung muss bleiben
„Mit diesem grandiosen Grundsatzurteil ist die von der EU-Kommission zur Chatkontrolle geforderte ‚client-side scanning‘-Überwachung auf allen Smartphones eindeutig illegal. Sie würde den Schutz aller zerstören, statt gezielt gegen Tatverdächtige zu ermitteln. Die EU-Regierungen müssen die Zerstörung sicherer Verschlüsselung jetzt endlich aus den Chatkontrolle 2.0-Plänen streichen – genauso wie die flächendeckende Überwachung Unverdächtiger!
Sichere Verschlüsselung rettet Leben. Ohne Verschlüsselung können wir nie sicher sein, ob unsere Nachrichten oder Fotos an Personen weitergeleitet werden, die wir nicht kennen und denen wir nicht vertrauen können. Das so genannte ‚client-side scanning‘ würde entweder unsere Kommunikation grundlegend unsicher machen, oder die europäischen Bürgerinnen und Bürger könnten Whatsapp oder Signal überhaupt nicht mehr nutzen, weil die Anbieter die Einstellung ihrer Dienste in Europa bereits in Aussicht gestellt haben. Es ist unfassbar, dass der letzte Positionsentwurf des EU-Rats weiter die Zerstörung sicherer Verschlüsselung vorsieht. Wir Piraten werden jetzt erst recht für unser digitales Briefgeheimnis kämpfen!“. So kommentierte der noch amtierende EU-Abgeordnete Dr. Patrick Breyer das aktuelle Urteil.
Hintergrund
Die EU-Kommission und ein Überwachungsbehörden-Industrie-Netzwerk fordern unter Verweis auf kursierende Missbrauchsdarstellungen flächendeckende Chat-Kontrollen auch bei Ende-zu-Ende-verschlüsselten Messengern. Dies wäre allerdings nur unter Aushebelung der sicheren Verschlüsselung umsetzbar.
Die Mehrheit der EU-Regierungen unterstützt den Vorstoß, eine Sperrminorität blockiert ihn. Anfang März wollen die EU-Innenminister erneut beraten. Das EU-Parlament hat auf Druck von Piraten und der Zivilgesellschaft die Zerstörung sicherer Verschlüsselung und die Chatkontrolle abgelehnt. Dies ist aber nur die Ausgangsposition für mögliche Verhandlungen mit dem EU-Rat, sollte dieser sich auf eine Position einigen. Meta (Facebook, Instagram, WhatsApp) kündigte an, noch in diesem Jahr Nachrichten über Facebook und Instagram durchgehend zu verschlüsseln und die bisher freiwillige Chatkontrolle einzustellen. Die EU ist jedoch dabei, die Erlaubnis für die freiwillige Chatkontrolle zu verlängern.