Die EU-Abstimmung über eine Chatkontrolle bei Messenger-Diensten ist erneut gescheitert. Eine baldige Einigung ist unwahrscheinlich.
Die geplante EU-Verordnung zur flächendeckenden Chatkontrolle bei Messenger-Diensten bleibt vorerst auf Eis. In der heutigen Ratssitzung konnte keine Einigung über die von Belgien eingebrachten Vorschläge erzielt werden. Damit verzögert sich die mögliche Einführung einer verpflichtenden Inhaltskontrolle aller Bild- und Video-Uploads auf unbestimmte Zeit.
Worum geht es bei der geplanten Chatkontrolle?
Die sogenannte „Chatkontrolle“ ist eine seit Jahren in Brüssel diskutierte Verordnung zur Prävention und Bekämpfung von Kindesmissbrauch. Messenger- und Social-Media-Dienste sollen verpflichtet werden, hochgeladene Bild- und Videoinhalte mit Hilfe von KI-Tools automatisch auf kinderpornografisches Material zu scannen. Bei Übereinstimmungen mit einer Datenbank bekannter Inhalte sollen die Ergebnisse an die Behörden weitergeleitet werden. Die Zuverlässigkeit dieser Technologie ist jedoch umstritten.
Die geplante Chatkontrolle öffnet Tür und Tor für die generelle Überwachung unserer privaten Nachrichten und Inhalte. Das ist ein Paradigmenwechsel mit unabsehbaren Folgen
Patrick Breyer
Ursprünglich sollte das Scannen für alle Nutzer verpflichtend sein. Wer das Scannen ablehnte, hätte keine Möglichkeit mehr gehabt, Bilder und Videos zu versenden. Die Pläne zur Chatkontrolle stießen nicht nur bei Datenschützern, sondern auch bei Sicherheitsforschern und den Messengerdiensten selbst auf Ablehnung. Sie warnen vor Massenüberwachung und Verschlüsselungslücken.
Wieder keine Einigung – Abstimmung vertagt
Heute sollte die EU-Abstimmung zur Chatkontrolle stattfinden. Da sich jedoch keine Mehrheit abzeichnete, hat man den Punkt von der Tagesordnung genommen. Die belgische Ratspräsidentschaft konnte keine Einigung erzielen und übergibt den Vorsitz im Juli an Ungarn. Ungarn hat zugesagt, die Verhandlungen fortzusetzen. Dies berichtet Netzpolitig.org in einem aktuellen Artikel.
Seit mehr als zwei Jahren versuchen die EU-Mitglieder, einen gemeinsamen Entwurf zur Chatkontrolle zu erarbeiten. Bisher scheiterte dies an einer Sperrminorität von Ländern wie Deutschland und Frankreich. In den letzten Wochen schien Frankreich nach Änderungen durch Belgien einzulenken. Deutschland lehnt den Entwurf jedoch nach wie vor strikt ab.
Mit dem Wechsel nach Ungarn bleibt abzuwarten, wie die EU-Abstimmung zur Chatkontrolle weitergeht. Die Debatte wird geprägt sein von der Kontroverse um Datenschutz und Vertrauenswürdigkeit von KI. Eine schnelle Einigung ist jedoch unwahrscheinlich. Die EU wird sich wohl noch länger mit der Frage des Gleichgewichts zwischen Kinderschutz und Privatsphäre auseinandersetzen müssen.