Nach der Europawahl will die EU laut dem geleaktem 42-Punkte-Plan die vollumfängliche Überwachung aller EU-Bürgerinnen und Bürger einführen.
Patrick Breyer verbreitet den vertraulichen 42-Punkte-Plan, den eine von EU-Regierungen und der EU-Kommission eingesetzten „Expertengruppe“ ausgearbeitet hat. Demnach soll nach der Europawahl die EU entgegen der Rechtslage in Deutschland eine verdachtslose Vorratsdatenspeicherung wieder einführen. Zudem will man Hersteller dazu zwingen, digitale Geräte wie Smartphones oder Pkws für sie überwachbar zu machen. Laut dem Ratsdokument 9984/24 unterbreitete die EU-Kommission bereits Vorschläge, wie sie bisher sichere Geräte überwachbar machen will.
42-Punkte-Plan: Access by design
Konkret will man laut dem 42-Punkte-Überwachungsplan unter dem Schlagwort „Access by design“ Hersteller verpflichten, digitale Geräte wie Smartphones, Smart Home-, IoT-Geräte oder Autos jederzeit überwachbar zu machen. Bisher sicher verschlüsselte Messengerdienste will man zur Überwachbarkeit im Klartext zwingen. Meredith Whittaker, die Geschäftsführerin von Signal, gab bereits Ende Mai bekannt, ihr Dienst werde sich aus der EU zurückziehen. Die Einführung der Chatkontrolle habe innerhalb der EU das sofortige Aus von Signal zur Folge.
Vorratsdatenspeicherung auch für Messenger
Die vom EuGH gekippte Vorratsdatenspeicherung soll zurück kommen. Man will die VDS auf Internetdienste wie Messenger ausweiten. „Allermindestens“ fordert der 42-Punkte-Plan eine IP-Vorratsdatenspeicherung zur Nachverfolgung aller Internetaktivitäten der EU-Bürger. Die sichere Verschlüsselung von Meta- und Bestandsdaten soll verboten werden.
Auf Verlangen sollen Behörden mit einem so genannten „Bewegungsprofilschalter“ die Bewegungen von Zielpersonen per GPS tracken. Unkooperative Anbieter will man mit Freiheitsstrafen bedrohen. Die von Gerichten teils verworfenen Ergebnisse des Encrochat-Hackings will man hingegen per EU-Recht verwertbar machen.
Verschlüsselt = ausschließlich kriminelle Nutzung
Zur Ausarbeitung des 42-Punkte-Plans hatte die EU-Kommission bereits konkrete Vorschläge beigesteuert. Dies ergibt sich aus zwei von den Piraten erlangten Präsentationen. Man schlägt ernsthaft eine gesetzliche Regelung zum Zugang zu verschlüsselten Geräten vor, die die Bürger „erwiesenermaßen ausschließlich zu krimineller Kommunikation“ nutzen würden. Hersteller wie Apple will man juristisch dazu zwingen, beim Knacken der Verschlüsselung beschlagnahmter Geräte zu helfen. Auch die Wiedereinführung eines europaweiten Zwangs zur Vorratsdatenspeicherung schlägt die Behörde von EU-Innenkommissarin Ylva Johansson vor. Das deutsche Nein zur Vorratsdatenspeicherung würde man dadurch ebenfalls aushebeln.
42-Punkte-Plan soll jegliche Verschlüsselung zerstören
„Diese geheime Wunschliste der EU-Regierungen hat erfahrungsgemäß die besten Chancen, nach der Europawahl von der nächsten EU-Kommission unter ‚Big Sister‘ von der Leyen eilfertig umgesetzt zu werden“, warnt der noch amtierende Europaabgeordnete der Piratenpartei, Dr. Patrick Breyer.
„Schließlich will sie mithilfe der Regierungschefs an der Macht bleiben. Dieser extreme 42-Punkte-Überwachungsplan darf schon deshalb nicht Wirklichkeit werden, weil er von einer völlig einseitig besetzten, ohne echte Transparenz und demokratische Legitimation arbeitenden Geheimgruppe von Überwachungsfanatikern ausgekocht worden ist.
Wir Piraten sagen diesem Geheimplan den Kampf an und fordern von der Leyen auf, sich von ihm und auch den jetzt bekannt gewordenen Vorschlägen ihrer eigenen Innenkommissarin zu distanzieren!
Geräte wären aufgrund der Hintertür anfällig für Hacker
Wer unser Recht auf sichere Verschlüsselung angreift, attackiert nicht nur unser gerichtlich verbrieftes Recht auf Privatsphäre, sondern auch den Wirtschaftsstandort Europa. Einen Zugang zu ‚ausschließlich kriminell‘ genutzten verschlüsselten Smartphones zu erzwingen, würde unsere Smartphones allgemein auslesbar und unsicher machen.
Die geplante Internet-Vorratsdatenspeicherung droht unser Recht auf Anonymität im Netz zu zerstören, das Kriminalitätsvorbeugung durch anonyme Beratung und Seelsorge, Opferhilfe durch anonyme Selbsthilfeforen und auch Investgativjournalismus ermöglicht, der oft auf anonyme Hinweisgeber angewiesen ist.”
Dystopische Pläne: Es droht eine vollüberwachte Gesellschaft
Die Spitzenkandidatin der Piratenpartei zur Europawahl und Digitalexpertin Anja Hirschel kommentiert den 42-Punkte-Plan:
„Die going-dark Pläne sind ein nie dagewesener, maßloser Sprung direkt in eine vollüberwachte Gesellschaft. Alles was wir tun, wohin wir uns bewegen und mit wem wir kommunizieren soll jederzeit und ohne Schranken einsehbar werden. Die Überwacher selbst bleiben dabei lieber im Dunkeln. Das dürfen wir nicht zulassen!“