Going Dark: Im Auftrag des EU-Rats sollen Experten Vorschläge erarbeiten, wie man die Überwachung der EU-Bevölkerung optimieren kann.
Was bedeutet der Begriff Going Dark?
Going Dark bedeutet, dass man die Kommunikation absichtlich von einem öffentlichen zu einem privaten Kommunikationskanal verschoben hat. Die Akteure wollen damit die Überwachung durch staatliche Behörden erschweren oder im Idealfall unmöglich machen.
Bereits im Januar dieses Jahres hatte die schwedische Ratspräsidentschaft davor gewarnt, dass Cyberkriminelle in der EU zunehmend auf stark verschlüsselte Netzwerke ausweichen, um sich dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden zu entziehen.
Von wegen Going dark: Fraudforen im Clearnet erreichbar
In unserem aktuellen Podcast hat sich Martin Frost vom Wall Street Market zum Thema „Going Dark“ genau gegenteilig geäußert. Tatsache ist, dass die wichtigsten deutschsprachigen Betrugs- und Hackerforen im Clearnet zu finden sind. Der Grund dafür ist einfach. Keiner der Forenbetreiber will auf die Besucher verzichten, die über Google & Co. zu ihnen finden. Der Zustrom neuer Leser oder gar aktiver Teilnehmer würde in den Fraud-Foren schlagartig abnehmen, wenn die Beiträge komplett ins Tor-Netzwerk verlagert würden.
Natürlich finden im Internet zahlreiche Aktionen in verschlüsselten Bereichen statt. Doch man muss dabei bedenken: Auch soziale Netzwerke wie Facebook, Instagram oder WhatsApp werden gerne und häufig von Cyberkriminellen missbraucht.
Staatliche Überwachung soll erweitert werden
Europol hat nun auf fragdenstaat.de weitgehend geschwärzte Dokumente veröffentlicht, wonach eine neu eingerichtete Expertengruppe unter dem Motto „Going Dark“ bis Mitte 2024 Vorschläge zu den Themen Vorratsdatenspeicherung, Verschlüsselung und Anonymität erarbeiten soll. Dabei geht es unter anderem um den ungehinderten Zugriff von Polizeien und Behörden auf verschlüsselte Kommunikationsdaten, Bewegungsdaten und IP-Adressen der EU-Bürgerinnen und Bürger.
Die Anfrage geht auf eine Initiative des Europaabgeordneten Dr. Patrick Breyer (Piratenpartei / Greens/EFA) zurück. Breyer kommentiert die nun veröffentlichten Dokumente wie folgt:
„Das ‘Going Dark’-Programm ist eine Schmiede für weitere unnötige Versuche, den Überwachungsdruck gegen die Bevölkerung zu erhöhen. Die EU-Regierungen der EU-Mitgliedsländer scheitern kontinuierlich an den Urteilen des EU-Gerichtshofs zur Vorratsdatenspeicherung.
Jetzt soll eine Expertengruppe Vorschläge erarbeiten, unter anderem zur Aushöhlung von Verschlüsselung. Uns werden vorab vereinbarte Ergebnisse und Gesetzentwürfe vorgesetzt, als Resultat dieses komplett intransparenten und einseitigen Prozesses.“
Leider neigen Politiker aller Länder seit Langem dazu, sichere und private Kommunikation als Gefahr für die Sicherheit unserer Gesellschaft darzustellen. Sie argumentieren damit, um Bedrohungen wie internationalen Terrorismus, Kindesmissbrauch oder andere schwere Straftaten zu verhindern oder aufzuklären, müssen die Strafverfolgungsbehörden uneingeschränkten Zugriff auf jegliche digitale Kommunikation erhalten. Die Aufrechterhaltung der digitalen Privatsphäre ist unter diesen Voraussetzungen zumindest nicht mehr möglich.
Dilemma zwischen privater Anonymität und staatlichen Interessen
Das Thema ist und bleibt ein Dilemma zwischen sicherer, privater Kommunikation und den staatlichen Sicherheitsinteressen.
Wie dem auch sei. Auf die Ergebnisse der Expertenkommission „Going Dark“ darf man gespannt sein. Und auch, ob die daraus resultierenden Gesetze dann später Bestand vor den Richtern der höchsten juristischen Instanz haben werden.