AI Act
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Bildquelle: james

AI Act droht Gesichtsüberwachung zum EU-Alltag zu machen

Im finalen Stadium der Verhandlungen der EU über den AI-Act will man die Beschränkung der Gesichtserkennung aufheben.

Im Endstadium der Verhandlungen über den AI-Act (KI-Gesetz) führte die EU einen regelrechten Kurswechsel um 180 Grad durch. Man will die zwischenzeitlich öffentlich verkündete Beschränkung der umstrittenen Gesichtserkennung auf die Verfolgung schwerer Straftaten streichen.

Der digitale Freiheitskämpfer und Europaabgeordnete Dr. Patrick Breyer (Piratenpartei) warnt in seiner Pressemitteilung eindrücklich davor. Das Gesetz macht den Weg für die Einführung biometrischer Massenüberwachung in Europa frei, sollte man sich tatsächlich dafür entscheiden.

Mit dem AI-Act in Richtung Überwachungsstaat

Dr. Breyer kommentiert den Vorstoß der EU beim geplanten AI Act wie folgt:

Mit diesem KI-Gesetz will die EU China offenbar nicht nur technologisch sondern auch innenpolitisch nacheifern. Dass fehleranfällige Gesichtserkennung in Videoüberwachungsmaterial jetzt schon bei Bagatellstraftaten zum Einsatz kommen soll, fällt hinter die eigene Pressemitteilung des EU-Parlaments zurück. So wird es Städten möglich, unter dem Schlagwort ‚Hausfriedensbruch‘ Obdachlose zu verdrängen, wie im italienischen Como geschehen, oder Sprayer wegen ‚Sachbeschädigung‘ zu verfolgen.

Auch die hochumstrittene Gesichtserkennung unter Demonstrierenden wie nach dem G20-Gipfel in Hamburg verhindert man mit keinem Wort. Mit diesen Regeln droht die Gesichtserkennung, die in den USA immer wieder zu falschen Festnahmen führt, zu einem Standardinstrument auch in Europa zu werden.

Sogar einer permanenten Gesichtsüberwachung in Echtzeit wird Tür und Tor geöffnet: Wegen der im AI Act genannten Delikte sucht die Justiz per Europäischem Haftbefehl nach über 6.000 Menschen. Mit der Begründung ‚Personenfahndung‘ kann der öffentliche Raum in Europa also flächendeckend und permanent unter biometrische Massenüberwachung gestellt werden. Dieses Gesetz legitimiert und normalisiert eine Kultur des Misstrauens. Es führt Europa in eine dystopische Zukunft eines misstrauischen High-Tech-Überwachungsstaats nach chinesischem Vorbild.

Das vorab geleakte Verhandlungsergebnis über den AI Act ist übrigens hier einsehbar. Daraus geht sogar hervor, dass die Massenüberwachung komplett anlasslos geschehen soll. Ein Anfangsverdacht, Indiz oder eine kürzlich begangene Straftat sei dafür nicht notwendig heißt es in dem kürzlich aufgetauchten Dokument. Ob dies allerdings juristisch zulässig wäre, müsste noch geklärt werden.

Lars Sobiraj

Über

Lars Sobiraj fing im Jahr 2000 an, als Quereinsteiger für verschiedene Computerzeitschriften tätig zu sein. 2006 kamen neben gulli.com noch zahlreiche andere Online-Magazine dazu. Er ist der Gründer von Tarnkappe.info. Früher brachte Ghandy, wie er sich in der Szene nennt, an verschiedenen Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern bei, wie das Internet funktioniert. In seiner Freizeit geht er am liebsten mit seinem Hund spazieren.