Bundesdatenschutzgesetz, Schufa
Bundesdatenschutzgesetz, Schufa
Bildquelle: Vi Don, Lizenz

Reform des Bundesdatenschutzgesetzes ein Rohrkrepierer?

Eigentlich soll die Reform des Bundesdatenschutzgesetzes die Rechte der Verbraucher stärken. Doch der Entwurf wird derzeit heftig kritisiert.

Die Bundesregierung plant, das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Bezug auf das Bundesdatenschutzgesetz umzusetzen. Laut dem gestern vorgelegten Entwurf dürfen Auskunfteien personenbezogene Daten wie Anschrift oder die Aktivitäten in den sozialen Netzwerken künftig nicht mehr zur Einschätzung der Zahlungsfähigkeit verwenden.

Wegen dem Handel mit den Daten legte die NGO NOYB im Oktober 2021 eine Datenschutzbeschwerde ein, über die die zuständige Behörde kürzlich entschieden hat.

Die Verbraucher sollen laut dem Entwurf über das Bundesdatenschutzgesetz künftig mit einfacheren Mitteln erfahren, welche Daten ihren Scoring-Wert beeinflussen. Ziel sei es, durch das neue Gesetz die Gefahr der Diskriminierung durch das Scoring zu reduzieren. Wer beispielsweise in einem weniger wohlhabenden Stadtteil wohnt, dessen Bonitätsindex darf davon nicht mehr beeinflusst werden. Doch bevor das veränderte Bundesdatenschutzgesetz in Kraft treten kann, müssen Bundestag und Bundesrat zustimmen.

Kritik am Bundesdatenschutzgesetz wird laut

Dem Europaabgeordneten Dr. Patrick Breyer erklärt geht das Gesetz beim Schutz der Verbraucher nicht weit genug. Dr. Breyer erklärt:

„Die Bundesregierung feiert ihren Gesetzentwurf als besseren Verbraucherschutz bei Schufa-Scoring, aber in Wahrheit wird unzuverlässiges Schufa-Scoring legalisiert, ausufernde Überwachung zementiert und das Daten-Auskunftsrecht der Bürger eingeschränkt.

Neues Bundesdatenschutzgesetz weiterhin diskriminierend

Der Europäische Gerichtshof hat Benachteiligungen wegen bloßer Scorewerte letztes Jahr eigentlich ganz verboten, durch das jetzt geplante Gesetz sollen sie wieder zugelassen werden. Dass man wegen eines Scorewerts abgelehnt wurde, muss ein Unternehmen nach dem Gesetzentwurf erst gar nicht mitteilen. Man kann seinen Scorewert erfragen, aber was bedeutet er? Wie gut oder schlecht er im Vergleich zu anderen ist, muss nicht mitgeteilt werden. Auch wie unser Scorewert zustande kommt, darf laut Gesetzentwurf weitgehend verschwiegen werden – man soll nur die ‚wichtigsten‘ Kriterien erfahren.

privatsphäre

Prüfung der Ermittlung des Scoring-Wertes nicht vorgesehen

Dem Gesetzentwurf fehlen jegliche Qualitätsanforderungen an Scoring-Algorithmen. Ungenaue und unsichere Scorewerte auf spärlicher Datenbasis dürfen weiter verwendet werden. Eine externe Prüfung oder Zertifizierung der Zuverlässigkeit des Scoringverfahrens wird nicht vorgeschrieben. Auch ist keinerlei Prüfung vorgesehen, ob ein Scoringalgorithmus systematisch nach Geschlecht, Alter, Herkunft usw. diskriminiert.

Im Gesetzentwurf (zum Bundesdatenschutzgesetz) stecken zudem noch Regelungen zu ganz anderen Themen: Die Videoüberwachung des öffentlichen Raums durch Polizei und Behörden soll ausufernd zur ‚Erfüllung ihrer Aufgaben‘ zugelassen werden. Dieses Kriterium ist völlig schwammig und unverhältnismäßig weitgehend. Und welche Daten Unternehmen über uns speichern, woher sie kommen und an wen sie sie weiter geben, soll künftig mit der Begründung des ‚vorrangigen Schutzes von Geschäftsgeheimnissen’ geheim gehalten werden dürfen – dabei gehören unsere Daten doch niemand anderem als uns selbst! Hier werden Internetkonzerne und andere Unternehmen geradezu dazu eingeladen, Datenauskünfte pauschal zu verweigern und Betroffenen ihr Transparenzrecht zu verwehren.“

Score und Kreditwürdigkeit abfragen, Selbstauskunft beantragen

DSGVO

Wer Einfluss auf seine Bewertung nehmen möchte, muss sie dafür kennen. Auf selbstauskunft.net kann man sich kostenlos bei drei Stellen erkundigen. Das sind Auskunfteien, Adresshändler, Verwalter von Mieterauskünften, Behörden (BKA, LKAs etc.), der ARD/ZDF Beitragsservice oder die Auskunftei der Versicherer, die informa HIS. Diese Selbstauskünfte müssen uns laut Artikel 15 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) kostenlos von den entsprechenden Unternehmen und Behörden per Post zugeschickt werden. Die Schreiben müssen alle über die Person gespeicherten Informationen inklusive aktueller Score-Werte, sofern vorhanden, enthalten. Wer bei mehr als drei Firmen/Behörden eine Selbstauskunft beantragen will, bezahlt bei selbstauskunft.net dafür pro Jahr 9,90 Euro.

Eine Überprüfung der vorliegenden Daten macht oft Sinn. Die Schufa löscht beispielsweise in manchen Fällen nicht bereits gekündigte Handyverträge oder bereits getilgte Kredite. Beides wirkt sich aber negativ auf die von der Schufa kalkulierte Zahlungsfähigkeit aus. Nach Erhalt der schriftlichen Auskunft sollte man eine Löschung dieser nicht mehr aktuellen Negativmerkmale fordern. Ansonsten könnte es sein, dass man bei nächster Gelegenheit statt dem Pkw auf Kredit nur eine Absage erhält. Hier eine Erläuterung der Schufa, welche Faktoren sich auf den Score der Bürgerinnen und Bürger auswirken.

Selbstauskunft muss kostenlos schriftlich zugestellt werden

Liest man sich die Erfahrungsberichte durch, so bestehen manche Stellen auf der Zusendung einer Kopie des Personalausweis und des entsprechenden Formulars zur Auskunftserteilung. Oder aber sie reagieren einfach gar nicht. In dem Fall sollte man die Selbstauskunft erneut schriftlich verlangen oder sich im Freundeskreis nach einem Juristen umschauen, der die Rechte für einen durchsetzt. Wie gesagt: Die Auskunfteien und Behörden sind zur Übermittlung der Selbstauskunft laut der DSGVO verpflichtet. Zumindest dafür muss man das Bundesdatenschutzgesetz nicht mehr ändern.

Übrigens: Wer bei der Schufa regulär (also ohne Hinweis auf die DSGVO) eine Bonitäts-Auskunft bestellt, den bittet man zur Kasse. Diese kostet momentan einmalig 29,95 Euro.

Lars Sobiraj

Über

Lars Sobiraj fing im Jahr 2000 an, als Quereinsteiger für verschiedene Computerzeitschriften tätig zu sein. 2006 kamen neben gulli.com noch zahlreiche andere Online-Magazine dazu. Er ist der Gründer von Tarnkappe.info. Außerdem brachte Ghandy, wie er sich in der Szene nennt, seit 2014 an verschiedenen Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen den Teilnehmern bei, wie das Internet funktioniert.