Überwachung im Auftrag der EU (Symbolbild)
Überwachung im Auftrag der EU (Symbolbild)
Bildquelle: DragosCondreaW, Lizenz

Zwischen Sicherheit und Überwachung: Europas Dilemma

Massenüberwachung statt Datenschutz? EU-Überwachungspläne stoßen bei Bürgerrechtsgruppen zu Recht auf scharfe Kritik.

Die EU-Kommission hat weitreichende Überwachungspläne für den „digitalen Raum“. Dazu gehören unter anderem der Zugriff auf verschlüsselte Nachrichten und die massenhafte Speicherung von Internet- und Telefondaten. Was auf den ersten Blick nach mehr Sicherheit klingt, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen leider als potenzieller Alptraum für Datenschutz und IT-Sicherheit in Europa. Ein Kommentar.

Zwischen Sicherheit und Überwachung: Ein nostalgisches Relikt aus besseren Zeiten?

Die Vorschläge einer Arbeitsgruppe der EU-Kommission lesen sich fast wie ein Drehbuch für einen dystopischen Überwachungsstaat. Internetanbieter sollen verpflichtet werden, Nutzerdaten zu speichern und auf Anfrage herauszugeben. Datenschutz wird somit langsam aber sicher zu einem nostalgischen Relikt aus besseren Zeiten.

Die naive Vorstellung, dass mehr Daten automatisch mehr Sicherheit bedeuten, ist längst widerlegt. Kriminelle lachen sich ins Fäustchen. Denn große Datenmengen sind ein Paradies für Hacker. Wer Ende 2024 immer noch glaubt, dass eine ungezügelte Datensammelwut der Behörden Verbrechen verhindert, lebt in einer Parallelwelt. IMHO

Ab wann sind Hintertüren eigentlich „Hintertüren“?

Ein besonders dreister Punkt in den Überwachungsplänen der EU: der Zugriff auf Ende-zu-Ende-verschlüsselte Nachrichten. Offiziell will die EU keine „Hintertüren“, verlangt aber, dass die Provider die Daten entschlüsseln können. IT-Sicherheitsexperten können darüber nur bitter lachen. Denn ein System mit eingebauter Schwachstelle ist ein Geschenk für Hacker und fremde Geheimdienste. Sicherheit durch Entschlüsselung? Eher Gefährdung durch institutionalisierte Unsicherheit. Aber was wissen wir schon?

„Going Dark“ – Gefährliche Märchenstunde

Staatliche Stellen warnen uns eindringlich vor dem angeblichen „Going Dark“, wonach Verschlüsselung erfolgreiche Ermittlungen quasi unmöglich mache. Datenschützer halten das zu Recht für Panikmache. Warum? Weil es schon heute legale Wege gibt, an Daten zu kommen!

Die EU-Überwachungspläne und ihre Forderungen nach allgemeinem Zugriff auf verschlüsselte Kommunikation erscheint mir immer mehr als ein hilfloser Versuch, Sicherheitslücken durch Totalüberwachung zu schließen. Bürgerrechte? Offenbar ein mal eben zu vernachlässigender Kollateralschaden.

Zwischen Sicherheit und Überwachung: Die letzten Stimmen der Vernunft

Mehr als 50 Bürgerrechtsgruppen, darunter der Chaos Computer Club, schlagen zu Recht Alarm. In einem offenen Brief fordern sie die EU-Innenminister auf, die Überwachungspläne zu stoppen. Sie sehen Datenschutz und Meinungsfreiheit in akuter Gefahr.

Die Zivilgesellschaft warnt – nicht gerade leise – vor einem Überwachungsstaat, in dem Grundrechte nur noch auf dem Papier stehen. Ob die EU-Kommission diese Stimmen hört, unsere massive Kritik endlich ernst nimmt und dann auch entsprechend handelt, ist, seien wir ehrlich, leider mehr als fraglich.

Freiheit und Sicherheit – kein Widerspruch!

Sicherheit und Privatsphäre müssen sich nicht zwingend ausschließen. Aber statt immer wieder auf Massenüberwachung zu setzen, braucht es endlich intelligente Lösungen, die Strafverfolgung und Datenschutz miteinander in Einklang bringen.

Europa darf nicht zulassen, dass unser aller Grundrechte dem kollektiven Sicherheitswahn irgendwelcher Beamter geopfert werden. Wir brauchen innovative und nachhaltige Sicherheitskonzepte – keine überstürzten Überwachungspläne, die mehr Probleme schaffen als lösen! IMHO

Sunny

Über

Sunny schreibt seit 2019 für die Tarnkappe. Er verfasst die wöchentlichen Lesetipps und berichtet am liebsten über Themen wie Datenschutz, Hacking und Netzpolitik. Aber auch in unserer monatlichen Glosse, in Interviews und in „Unter dem Radar“ - dem Podcast von Tarnkappe.info - ist er regelmäßig zu hören.