Die CDU schafft es mal wieder mit einem Antrag in den Schlagzeilen zu landen; und wie gewohnt glänzt sie nicht mit zu viel Ahnung.
Wie macht man Software günstiger? Indem man die Entwicklung von Freiwilligen durchführen lässt, die erstellte Software an mehreren Orten einsetzt oder die laufenden Kosten senkt. Die CDU denkt sich jetzt, dass man das am besten schafft, indem man die Vorzüge Freier Software nicht anerkennt. Ein Kommentar.
Ein Land im Aufbruch
Deutschland hat seit jeher gewisse Probleme mit allem, was Digitalisierung angeht. Schon seit 1981, als der spätere CDU-Kanzler Kohl (danke für die Korrektur) es auf Bestreben der Telekom verkackt hat, Deutschland flächendeckend mit Glasfaser zu versorgen, versucht die deutsche Politiklandschaft erfolgreich, sich in dummen Ideen gegenseitig zu überbieten. Aktueller Rekordhalter ist die CDU und sie möchte offenbar ihre Führung weiter ausbauen.
Der letzte Versuch, die eigene Inkompetenz unter Beweis zu stellen, kommt von der CDU in … Trommelwirbel … Thüringen. Aktuell gibt es dort im Vergaberecht einen von Rot-Rot-Grün verankerten Passus, dass Freier und Open-Source-Software, sofern möglich, der Vorzug zu geben ist (gut gemacht RRG). Der CDU gefällt das aber so gar nicht. Während jedem, inklusive der Bundes-CDU, klar ist, dass Vendor-Lock-In schlecht ist, findet die Thüringer Landesfraktion den Vorrang für offene Lösungen aber offenbar ganz blöde, weil sich das mit dem E-Government-Gesetz doppeln würde. Ein absolut unhaltbarer Zustand, der dringendst berichtigt werden muss.
Will die CDU lieber Philosophie oder eher Geld schaufeln?
Dass die Taschen der CDU für Geldgeschenke fast so offen stehen, wie die der FDP und AfD, ist ja hinreichend bekannt. Da liegt auch hier die Vermutung nicht fern, dass Wirtschaftsinteressen mal wieder vor Bürgerinteressen gestellt werden. Die Wirtschaft ist ja seit jeher ein so zartes Pflänzchen, das nie mit unlauteren Methoden gegen offene Lösungen vorgehen würde. Belegt ist das allerdings nicht … zumindest diesmal.
Während die FSFE und andere Interessenverbände darauf pochen, dass öffentliches Geld auch öffentlichen Code nach sich ziehen muss, sieht das die Softwareindustrie – wie so oft – etwas anders: Man versucht den Regeln des Kapitalismus zu folgen und das billigste (nicht günstigste!) Produkt zum höchsten Preis zu verkaufen. Und das geht halt am besten mit proprietären Lösungen, an die die Kunden gefesselt werden.
Vor allem zeigt diese Situation aber natürlich sehr gut die eigenen Prioritäten, wenn man mehr Wert auf die Wirtschaftlichkeit als auf die Rechte der Nutzer legt.
Wie geht es besser?
Ohne jetzt vor der nächsten Open-Source Kolumne zu viel zu verraten, war es mir ohne größere Probleme möglich, die Kernfunktion einer bekannten Website für Watchparties innerhalb etwa einer Woche in meiner Freizeit nachzubauen. Kosten? Selbst wenn ich dafür eine Rechnung für proprietäre Lösungen schreiben würde (die sind bei mir teurer), lägen die Kosten bisher bei 1000–2000 €. Hätte man ein Großunternehmen wie SAP mit einem Projekt dieses Umfanges beauftragt, wäre das vermutlich eher ein Rundungsfehler. Wie viele „ichs“ könnte man mit der Erstellung dieses Programmes beauftragen, bevor die Kosten auch nur in die Nähe kämen? Ich weiß es nicht, aber sicherlich ein paar.
Neben den deutlich niedrigeren Kosten kommt bei Open-Source aber noch ein weiterer Aspekt hinzu: Flexibilität. Eine junge Frau – nennen wir sie Beate – arbeitet auf einem Bürgeramt und findet, dass ein Shortcut für eine bestimmte Funktion in einem Menü sehr hilfreich wäre; sie kann jetzt ganz unbürokratisch beispielsweise einem Studenty¹ (die sind ja glücklicherweise immer in Geldnot und sich für nichts zu schade) ein paar Euro geben, damit dieser den Menüpunkt hinzufügt. Das Studenty hätte im Gegenzug nicht nur etwas mehr Geld in der Tasche und ein gutes Gefühl, weil es jemandem geholfen hat, sondern auch noch einen Eintrag im GitHub-Profil, der später auf dem Jobmarkt nützlich wird.
Ja, das Gras ist hier wirklich grüner.
Ist es wirklich so einfach? Jein. Zum einen ist Softwareentwicklung und Projektumsetzung natürlich komplexer als „wir bezahlen mal ein paar Freelancer und haben dann für ’nen Zwanni das Programm in einer Woche“, zum anderen funktioniert die deutsche Bürokratiemühle (nicht zuletzt auch wegen der CDU) gänzlich anders. Egal, wie man es aber dreht und wendet, ist es für mich schwer zu rechtfertigen, dass aus öffentlichen Geldern kein öffentlicher Code entsteht: Wir alle bezahlen dafür, warum dürfen wir dann nicht sehen, wofür wir bezahlen?