Der Richterbund fordert nationale Lösungen, weil seit Freitag klar ist, dass die geplante Chatkontrolle auf EU-Ebene nicht stattfinden wird.
Der Deutsche Richterbund hat sich nun öffentlich für eine Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung (VDS) eingesetzt. Nachdem klar war, dass man die Betreiber von Messengern wohl nicht dazu verpflichten wird, die Chatkontrolle durchzuführen, fordert man eine nationale Lösung im Kampf gegen Kinderpornografie.
Richterbund setzt sich für die Vorratsdatenspeicherung ein
Die Chatkontrolle bezeichnete man gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland als „überschießende Pläne„. Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn glaubt aber, die Regierungskoalition müsse nun auf nationaler Ebene aktiv werden. Rebehn hörte, dass die Justiz- und Strafverfolgungsbehörden sehnsüchtig auf die erneute Einführung der Vorratsdatenspeicherung der Internet-Anbieter warten. Es gebe noch viele andere Straftaten, die man damit aufklären könne. Ganz ähnlich hatte sich Rebehn vor etwa fünf Jahren geäußert.
Deutschland setzte sich gegen EU-Chatkontrolle ein
Letzten Freitag wurde offensichtlich, dass die nötige Mehrheit für eine Einführung der umstrittenen Pläne der EU-Kommission fehlen würde. Unter anderem hatte sich Deutschland dagegen ausgesprochen. Damit sind die Gesetzesentwürfe vorerst vom Tisch.
Sven Rebehn vom Richterbund glaubt, man müsse jetzt zielgerichtet und verhältnismäßig vorgehen. Bei der Kriminalitätsbekämpfung seien die Behörden auf die IP-Datenspeicherung angewiesen. In mehreren EU-Staaten haben die nationalen Gerichte die VDS aber schon abgewürgt. Ähnlich wie die Chatkontrolle greift die Vorratsdatenspeicherung nach Ansicht diverser europäischer Gerichte zu tief in die Bürgerrechte ein. Die Daten würde man ohne jeden Anlass, in Masse und langfristig erheben. Experten gehen zudem davon aus, dass die VDS für die Aufklärung oder Prävention von Straftaten wenig beitragen würde.
Bringt die VDS denn überhaupt etwas?
Eine Studie des Freiburger Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht kam zu dem Ergebnis, dass die Vorratsdatenspeicherung keine Veränderungen bei den Aufklärungsraten verursacht. Auftraggeber war nicht etwa der Richterbund, sondern das deutsche Justizministerium. Laut dem 270 Seiten dicken Bericht gebe es keine Belege dafür, dass die Verhinderung oder Aufklärung von Straftaten durch den Wegfall der Speicherpflicht gelitten habe. Dies galt weder bei Tötungsdelikten und Raubüberfällen und auch nicht bei Kinderpornografie oder Internetkriminalität. Die damalige Abschaffung der VDS konnte keine messbare Effekte hervorbringen. Auch habe die Datensammlung nicht zur Verhinderung von islamistischen Terroranschlägen geführt. Experten schlagen als Alternative das Quick-Freeze-Verfahren vor.
Stellt sich also die Frage, warum konservative Politiker und der Richterbund diese und andere Statistiken, Beurteilungen und Alternativen missachten, um für eine Wiedereinführung zu plädieren. Zwischenzeitlich wurde sogar eine Forderung des Generalanwalts des EuGH laut, Urheberrechtsverletzungen mithilfe der Vorratsdatenspeicherung zu verfolgen, um illegale Filesharer auf EU-Ebene zu enttarnen. Offenbar hat der Mann noch nie etwas von einem VPN* gehört, der die Strafverfolgung von Urheberrechtsverletzungen komplett vereiteln würde.
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