obligatorische Altersüberprüfung
obligatorische Altersüberprüfung
Bildquelle: tuta.com

Chatkontrolle: tuta wehrt sich gegen obligatorische Altersüberprüfung

Zwar muss die Verschlüsselung nicht aufgebrochen werden, doch die Anbieter sollen zwingend eine obligatorische Altersüberprüfung durchführen.

Es ist gut, dass der umfangreichste Gesetzesentwurf in Richtung Überwachung keine Mehrheit fand. Eigentlich war ja sogar geplant, im Rahmen der Chatkontrolle die Anbieter von Messengern dazu zu zwingen, die Verschlüsselung aller Nachrichten aufzubrechen. Durch eine Hintertür sollte es für Behörden möglich sein, die Kommunikation zu überprüfen. Davor haben zahlreiche Wissenschaftler eindringlich gewarnt.

Anbieter dürfen weiterhin Chats auf freiwilliger Basis überprüfen

Doch auch der neue Entwurf erlaubt es Unternehmen wie Google, Meta & Co., weiterhin auf freiwilliger Basis Scans durchzuführen. Das tun sie ja jetzt schon. Dies geschieht beispielsweise zur Erkennung von unerwünschter Werbung, Missbrauch, Spam, Malware, Terrorismus etc.

Obligatorische Altersüberprüfung geplant

E-Mail-Anbieter, Chat-Apps und andere Kommunikationsanbieter sollen EU-weit dazu verpflichtet werden, eine obligatorische Altersüberprüfung durchzuführen. Dies würde das Recht aller Bürgerinnen und Bürger auf Privatsphäre beeinträchtigen, weil keine Anonymität im Internet mehr möglich wäre.

Zwar sehen die Behörden die Chatinhalte nicht, wenn sie verschlüsselt sind. Doch sie könnten weiterhin aufgrund der Metadaten nachvollziehen, wer zu welcher Uhrzeit und wie oft mit wem kommuniziert hat. Eine anonyme Nutzung wäre bei einer erzwungenen Altersüberprüfung und Anmeldung nicht mehr möglich.

Chatkontrolle
Chatkontrolle – Grafik von Lorna Schütte, thx! (CC BY SA)

YouTube ist schon vorgeprescht

Die Google-Tochter YouTube ist schon im Sommer vorgeprescht und verlangt eine Altersüberprüfung, wenn sie auffällige Konten entdeckt. Konten von Minderjährigen sollen durch Einsatz der KI enttarnt werden. Google überprüft die Inhalte der konsumierten Videos, die entsprechenden Kategorien, die Suchanfragen und wie alt das Konto ist. Zunächst nur in Australien und Großbritannien, wo besondere Schutzgesetze geplant sind. Nun auch in Teilen der USA und abhängig von den gesetzlichen Vorgaben womöglich demnächst flächendeckend.

Wer das vermeiden will, muss mit einem VPN* einen Serverstandort auswählen, wo keine obligatorische Altersüberprüfung geplant ist. Man darf also keinen VPN-Server in Australien, Großbritannien, in einigen US-Bundesstaaten und demnächst innerhalb der Europäischen Union mehr nutzen.

Chatkontrolle

Behörden sollen von der Chatkontrolle ausgenommen werden

Auffällig ist auch, dass beispielsweise Militärdienste von dieser Maßnahme ausgeklammert werden sollen. Die Staaten wollen keine Chatkontrolle für ihre eigene Kommunikation, aber die Chats ihrer Bürger wollen sie dennoch überwachen. Ausgenommen wäre auch die Kommunikation der Behörden untereinander.

tuta will Recht auf Privatsphäre notfalls gerichtlich erstreiten

Die Betreibergesellschaft des E-Mail-Dienstes tuta ruft alle dazu auf, sich an ihre EU-Abgeordneten zu wenden, um die Chatkontrolle auch in der neuen Form abzulehnen. „Sollte die CSA-Verordnung in ihrer jetzigen Form weiter vorangetrieben werden, wären wir bereit, das Recht der Menschen auf Privatsphäre vor Gericht zu verteidigen, wie wir es bereits in Deutschland getan haben„, schreibt man in einem aktuellen Blogbeitrag. Die Abkürzung steht für Child Sexual Abuse und ist eine andere Bezeichnung der Chatkontrolle.

Kritisch äußert sich auch der VPN-Provider Mullvad. Die bisherigen Änderungen würden zwar einen „wichtigen Sieg“ darstellen. Die Chatkontrolle müsse man dennoch aufhalten, zumal es Pläne gibt, künftig Chats obligatorisch alle drei Jahre zu überprüfen. Das Ganze klingt stark nach einer Überwachung durch die Hintertür.

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Lars Sobiraj

Über

Lars Sobiraj fing im Jahr 2000 an, als Quereinsteiger für verschiedene Computerzeitschriften tätig zu sein. 2006 kamen neben gulli.com noch zahlreiche andere Online-Magazine dazu. Er ist der Gründer von Tarnkappe.info. Früher brachte Ghandy, wie er sich in der Szene nennt, an verschiedenen Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern bei, wie das Internet funktioniert. In seiner Freizeit geht er am liebsten mit seinem Hund spazieren.