Manga- und Anime-Piraten
Manga- und Anime-Piraten

Japan setzt auf KI, um Manga- und Anime-Piraten im Ausland aufzuspüren

Die Tätigkeit der Manga- und Anime-Piraten kostet die japanischen Verlage zirka 55 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Das soll sich ändern.

Laut einem Bericht der South China Morning Post will die japanische Regierung künftig Künstliche Intelligenz (KI) einsetzen, um Manga- und Anime-Piraten zu enttarnen. Die Piraterie kostet die Verlage schätzungsweise 55 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Die Regierung fühlt sich zur Umstellung ihrer Ermittlungsarbeit gezwungen, um einen Sektor zu schützen, der bis 2033 mit dem Autoexport Japans konkurrieren will.

Manga- und Anime-Piraten machen Verlagen das Geschäftsmodell streitig

Der Plan gilt jedoch als alles andere als narrensicher. Experten sagen, dass KI möglicherweise noch nicht über die erforderliche Ausgereiftheit verfügt, um zuverlässige Urheberrechtsentscheidungen zu treffen, während die Durchsetzung schwierig wird, wenn Piraterieseiten im Ausland gehostet werden. Das gilt insbesondere in Ländern, die nicht bereit oder in der Lage sind, Straftäter zu ermitteln oder strafrechtlich zu verfolgen. Außerdem verfügen die Manga- und Anime-Piraten über Dienstleister, die die Spuren ihres Geschäfts erfolgreich verschleiern.

Warnung vor nicht anonymen downloads von Serien
*

Cool Japan-Strategie soll Umsätze der Manga- und Anime-Piraten reduzieren

Die japanische Regierung hat große Pläne für diesen Sektor und strebt im Rahmen ihrer „Cool Japan“-Strategie an, den jährlichen Auslandsumsatz mit Anime, Manga und Spielen bis 2033 auf etwa 130 Milliarden US-Dollar zu vervierfachen. Dies wäre laut Bloomberg fast doppelt so viel wie der Wert der jährlichen Autoexporte.

Mit dem Aufkommen des Internets hat die Piraterie von Manga und Anime explosionsartig zugenommen”, sagt Roland Kelts, Gastprofessor für Medien- und Kulturwissenschaften an der Waseda-Universität in Tokio. Kelts ist zudem Autor des Buches „Japanamerica: How Japanese Pop Culture Has Invaded the US”*.

Ist die Piraterie in Japan teilweise selbst gemacht?

Kritiker weisen auf die Ironie hin, dass das, was heute als „Piraterie” gilt, einst von Verlagen durch Veranstaltungen wie die Comiket, eine 1975 in Tokio ins Leben gerufene Fan-Convention, stillschweigend gefördert wurde. Die Messe, deren Schwerpunkt auf Amateurwerken liegt, die von kommerziellen Mangas und Animes inspiriert sind, entwickelte sich zur weltweit größten ihrer Art und zog 2019 rund 750.000 Besucher an. Lange Zeit als harmloser Tribut an die Kreativität betrachtet, trug sie dazu bei, die weltweite Nachfrage anzukurbeln.

Aber diese Heerscharen von Fans ebneten auch den Weg für die groß angelegte Ausbeutung und Monetarisierung der Piraterie, sagte Kelts gegenüber der South China Morning Post. Er verwies auf Websites, die durch die illegale Weitergabe von solchen Heften, Serien und Kinofilmen Profit machen.

Online-Piraten mögen Anime und Manga

Japan war bislang keine klagefreudige Gesellschaft

Japan ist keine sehr klagefreudige Gesellschaft. Und ich glaube nicht, dass die Verlage wussten, was sie tun sollten, als dies zu einem größeren Problem wurde”, sagte er und fügte hinzu, dass die Branche nun zurückschlägt und einige bemerkenswerte Erfolge erzielt habe.

Im April 2024 verurteilte das Bezirksgericht Tokio den Betreiber der berüchtigten Piraterie-Website Mangamura zur Zahlung von 1,7 Milliarden Yen Schadenersatz an die großen Verlage Shogakukan, Kadokawa und Shueisha wegen der illegalen Bereitstellung von 17 ihrer Titel.

In einer anschließend veröffentlichten gemeinsamen Erklärung bezeichneten die Verlage Mangamura als „Symbol der Piraterie”. Sie reichten die Klage ein, „um ein Umfeld zu schaffen, in dem Autoren in Ruhe arbeiten können” und „Verlage ihrer Pflicht nachkommen können, die Werke zu schützen, in die sie ihr Herzblut gesteckt haben”. Die Unternehmen gaben an, dass die Website „erheblichen” Schaden angerichtet habe, hofften jedoch, dass das Urteil Nachahmer abschrecken werde. Doch das hat offenbar nur wenige Manga- und Anime-Piraten abgeschreckt.

13dl.to, logo

Die Rechtsdurchsetzung ist schon in vollem Gange

Ein Jahr zuvor wurde die Piraterieseite 13dl.to nach einer Untersuchung durch die Content Overseas Distribution Organisation, eine japanische Handelsorganisation, geschlossen. Die Organisation setzte mit juristischen Schritten durch, dass der US-amerikanische Anbieter Cloudflare die Website wegen Urheberrechtsverletzung als ihren Kunden entfernte. Anschließend wäre der Standort der Webserver sichtbar gewesen.

Im November diesen Jahres verurteilte das Bezirksgericht von Tokio Cloudflare zur Zahlung von 500 Millionen Yen Schadenersatz an vier japanische Manga-Verlage. Darunter befanden sich die Eigentümer der Rechte an den populären Blockbuster-Titeln „One Piece“ und „Attack on Titan“.

Es geht um viel Geld, jetzt muss gehandelt werden!

Ich bin zu der Erkenntnis gelangt, dass die ganze Welt voller Piraten ist, während wir eine kleine Insel mit Originalwerken sind“, sagte Chigusa Ogino, Beraterin bei Tuttle-Mori, Japans führender internationaler Literatur- und Medienagentur. Sie ist seit mehr als 30 Jahren im Bereich Lizenzierung tätig. Ogino begrüßt die Pläne der KI-Initiative. Sie erklärte, dass sich die Regierung bereits seit einigen Jahren mit diesem Thema befasse. Die Behörden würden „jetzt Maßnahmen ergreifen, weil dieser Sektor so wertvoll ist“, sagte sie.

Die Verkäufe japanischer geistiger Eigentumsrechte – darunter Manga, Anime, Spiele und andere kreative Produkte – liegen in der Exportrangliste des Landes nur hinter dem Export von Fahrzeugen. Während der Corona-Pandemie stiegen die Umsätze sprunghaft an, was die Regierung dazu veranlasste, geistiges Eigentum als wichtige Einnahmequelle zu betrachten. Im Jahr 2022 erreichten Japans Kulturexporte einen Rekordwert von 30 Milliarden US-Dollar im Ausland. Das entspricht fast dem Wert der Mikrochip-Exporte Japans.

Ogino glaubt nicht daran, dass ihr Land jemals vollständig von Piraterieseiten befreit sein wird. „Technisch gesehen ist das vielleicht unmöglich.“ Man dürfe sich auch im Kampf gegen die Manga- und Anime-Piraten nie sicher fühlen.

Anime, Listen

KI soll illegale Werke im Internet aufspüren

Die staatliche Kulturbehörde hat 100 Millionen Yen für die Entwicklung eines neuen KI-Systems bereitgestellt. Dieses soll Bilder und Texte erkennen, die aus Mangas entnommen und auf Piraterieseiten oder in sozialen Medien veröffentlicht wurden.

Seit 2024 läuft ein Testlauf im Inland, aber die verbesserte Plattform wird sich auf Aktivitäten im Ausland konzentrieren. Dies soll die mühsamen manuellen Überprüfungen ersetzen, mit denen man derzeit gegen Urheberrechtsverletzungen vorgeht.

Verlage sollen Manga- und Anime-Piraten öffentlich blamieren

Raubkopien von Mangas sind besonders in Südostasien und den Vereinigten Staaten beliebt. Laut Daten von Authorised Books of Japan entfielen 12,8 Prozent der gesamten Betrachtungszeit auf illegale Websites auf Indonesien. An zweiter Stelle folgt Japan mit 12,4 Prozent und die USA mit 11,2 Prozent.

Professor Roland Kelts ist der Meinung, dass Strafverfolgung alleine nicht ausreicht, um effektiv gegen Manga- und Anime-Piraten vorzugehen. „Aufklärung ist der Schlüssel“, sagte er. Kelts fügte hinzu, dass „Verlage mit den Fans kommunizieren müssen“, um ihnen klar zu machen, dass Piraterie exakt den Künstlern schadet, die sie doch so sehr bewundern.

Die Fangemeinde kann oft die beste Möglichkeit sein, die Lage zu kontrollieren. Und wenn Piraten in den sozialen Medien bloßgestellt, verspottet und angegriffen werden, dann wird das Wirkung zeigen.

(*) Alle mit einem Stern gekennzeichneten Links sind Affiliate-Links. Wenn Du über diese Links Produkte oder Abonnements kaufst, erhält Tarnkappe.info eine kleine Provision. Dir entstehen keine zusätzlichen Kosten. Wenn Du die Redaktion anderweitig finanziell unterstützen möchtest, schau doch mal auf unserer Spendenseite oder in unserem Online-Shop vorbei.

Lars Sobiraj

Über

Lars Sobiraj fing im Jahr 2000 an, als Quereinsteiger für verschiedene Computerzeitschriften tätig zu sein. 2006 kamen neben gulli.com noch zahlreiche andere Online-Magazine dazu. Er ist der Gründer von Tarnkappe.info. Früher brachte Ghandy, wie er sich in der Szene nennt, an verschiedenen Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern bei, wie das Internet funktioniert. In seiner Freizeit geht er am liebsten mit seinem Hund spazieren.