Der Jurist Thomas Stadler nahm die Ankündigung vom neuen Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) auseinander, Telegram zu verbieten.
Marco Buschmann blies kürzlich PR-wirksam ins gleiche Horn wie Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius. Doch die Ankündigung, den Messenger-Dienst Telegram öffentlichkeitswirksam mithilfe des Netzdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) verbieten zu wollen, ist laut Stadler nichts weiter als eine Luftnummer.
Telegram ist kein soziales Netzwerk
Das NetzDG reguliert nämlich nur soziale Netzwerke und keine Telemedienstanbieter. Doch Messenger wie WhatsApp oder Telegram werden grundsätzlich nicht mit einer Gewinnabsicht betrieben. Im Gegensatz zu Facebook und anderen sozialen Netzwerken kommunizieren hier Personen zumeist direkt miteinander, statt primär beliebige Inhalte mit möglichst vielen Menschen zu teilen.
Gruppen ohne Gewinnabsicht
Wenn überhaupt, könne man nur offene Gruppen als soziale Netzwerke einstufen. Doch bei denen fehlt es an jeglicher Gewinnabsicht der Administratoren. Außerdem gibt es bei Telegram keine Gruppen mit mehr als 200.000 Teilnehmern. Und laut aktuell gültiger Rechtslage hat man soziale Netzwerke mit weniger als zwei Millionen Nutzern im Inland nach § 1 Abs. 2 NetzDG von den wesentlichen gesetzlichen Pflichten befreit. Auch deswegen kann man Telegram nicht einfach so verbieten, wie Buschmann und Pistorius es verlangen.
Buschmann schlägt nun stattdessen einen gemeinsamen europäischen Weg vor, um gegen Telegram vorzugehen. Wie der im Detail aussehen soll, wird aber nicht erläutert. Bei Twitter hagelte es nach Buschmanns Ankündigung Kritik. Von einem Aufruf zur Zensur war die Rede. Und davon, mehr gegen Hass und Hetze beispielsweise im Privatfernsehen zu unternehmen.
Störerhaftung als einzige Option
Was die Behörden tatsächlich unternehmen können, ist, die Betreibergesellschaft in die Störerhaftung ihrer Nutzer zu nehmen. Nach Eingang eines konkreten Hinweises auf Straftaten muss Telegram die fraglichen rechtswidrigen Inhalte entfernen. Doch das erscheint schwierig, weil die Betreibergesellschaft ihren Sitz in Dubai hat.
Die Störerhaftung in den Vereinigten Arabischen Emiraten durchzusetzen, ist deutlich komplizierter, als bei einem Unternehmen mit einem Sitz innerhalb der EU oder den USA. Früher war das Vorgängerunternehmen auf den Seychellen angemeldet. Gesellschafter der ehemaligen Betreibergesellschaft von Telegram waren wiederum zwei Unternehmen mit einem Offshore-Sitz auf den Jungferninseln und in Belize. Besser kann man sich vor jeglichem staatlichen Zugriff wohl kaum schützen.
Verbot bei den App Stores nicht durchsetzbar
Ähnlich sinnlos klingt die Vorstellung der Politiker, auf Apple und Google einzuwirken, damit diese Telegram aus ihren App Stores entfernen. Bei Telegram handelt es sich ohne Zweifel um einen legalen und legitimen Messengerdienst. Die Forderung, gleich allen den Zugang zu diesem Messenger zu verwehren, erscheint wie die, mit Kanonen auf Spatzen zu schießen. Schließlich geht es ja nur um einzelne rechtswidrige Inhalte, die in wenigen Gruppen geteilt werden.
Telegram handelt nur bei Schwerstkriminalität
Antipiraterie-Systeme hat Telegram nicht entwickelt, wie dies unlängst gefordert wurde. Doch Pawel Durows Unternehmen hat man bereits gerichtlich zur aktiven Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen verpflichtet. Sofern Behörden wegen Terrorverdacht anfragen, reagiert man sowieso sehr viel schneller als bei Delikten mit einer vergleichsweise geringen kriminellen Energie.