Ein Arbeitgeber wollte seine negative Kununu Bewertung löschen, Gmail muss den Verfasser aufdecken. Das Urteil hat große Signalwirkung!
Durch dieses Paradeurteil vom Landgericht München I wird geradezu jeder Arbeitgeber dazu ermuntert, Kununu Bewertungen löschen zu lassen, wenn sie ihm nicht gefallen. Das Jobbewertungsportal wurde zwar in Wien gegründet, mittlerweile hat es seinen Hauptsitz aber in Deutschland.
Dort konnte man bislang anonym und gefahrlos seinen derzeitigen oder ehemaligen Arbeitgeber bewerten ohne Angst haben zu müssen, dass der Geschmähte im Nachgang die Nutzerdaten erhält. Dass das nicht jedem Manager gefällt, wenn seine leitende Tätigkeit öffentlich in Ungnade gefallen ist, dürfte wohl auf der Hand liegen. Die wollen über die Nutzerdaten an die Identität der Übeltäter heran.
Wahrung des Firmen-Rufes angeblich wichtiger als Datenschutz
Bei Kununu konnte man als enttäuschter Arbeitnehmer seine „Hasstiraden“ loslassen, ohne bisher mit juristischen Konsequenzen rechnen zu müssen. Natürlich regt die anonyme Nutzung viele Menschen dazu an, sich so ausführlich wie negativ über die Erfahrungen im Unternehmen auszulassen. Vor allem dazu, ihren Frust auch mit weniger zulässigen Mitteln abzulassen und die andere Seite in ein schlechtes Licht zu rücken. Allerdings sollte man damit künftig lieber vorsichtig sein, weil Gmail im Februar dazu verurteilt wurde, gegenüber dem gechassten Konzern die Daten des entsprechenden E-Mail-Kontos der „Plaudertasche“ preiszugeben. Das Urteil stärkt die Rechte der Unternehmen und schwächt das von abhängig Beschäftigten.
Kununu Bewertung löschen lassen? Das ist jetzt kein Problem mehr, leider!
Wer mit den Aussagen der Angestellten bzw. Ex-Mitarbeiter unglücklich sein sollte, hat jetzt ein Urteil (Az. 25 O 9210/24) zur Hand, um negative Kununu Bewertungen mit merklich weniger Gegenwehr entfernen zu lassen. Früher war es natürlich auch möglich, dagegen rechtlich vorzugehen. Doch solange der Betreiber in Österreich saß, dürfte dies so manche Kläger von rechtlichen Schritten abgehalten haben. Allerdings wurde die Marke Kununu verkauft und befindet sich im Eigentum der Hamburger New Work Harbour, zugehörig zum Konzern Hubert Burda Media. Die Büros hat man dabei auf Wien, Hamburg, Porto und München verteilt. Letzteres dürfte wohl erklären, warum das Landgericht München I zuständig war.
Warum hat das LG Gmail zur Preisgabe der Nutzerdaten verurteilt?
Ganz einfach. Nach Ansicht des Urteils vom 19. Februar 2025, in gekürzter Fassung einsehbar bei OpenJur, habe der anonyme Bewerter seine Aussagen nicht ausreichend mit Fakten belegt. Vieles ist aber auch nur schwerlich beweisbar. Wie will man beispielsweise eine schlechte Arbeitsatmosphäre belegen, wenn man dafür die Zeugenaussagen der Angestellten benötigt, die damit ihren Arbeitsplatz riskieren würden? Und selbst wenn nicht, wer möchte schon dafür bekannt sein, vor Gericht nachzutreten?
Außerdem sei Kununu nach Ansicht des Gerichts ihrer Prüfungspflicht nicht ausführlich genug nachgekommen. Doch auch das ist schwerlich möglich, weil jede manuelle Prüfung mit erheblichen Kosten verbunden wäre. Man hätte den Bewertenden laut dem Urteil zu einer Stellungnahme auffordern müssen. Nach Ablauf der gesetzten Frist oder wenn die Stellungnahme keine Beweise erbringt, müssen die Bewertungsplattformen folglich die böse Schmähkritik löschen. Doch auch das kann Kununu & Co. von keiner KI erledigen lassen, das Ganze müssen sich Menschen anschauen. Und zwar solche, die sich mit der Rechtslage zumindest einigermaßen auskennen. Oder man löscht bei einer Meldung durch einen Arbeitgeber einfach alles ohne jede Prüfung. Das kostet natürlich am wenigsten! Außerdem wird das bereits in vielen anderen Fällen, wo es um Plattformhaftung geht, schon so gehandhabt.
Anonyme Bewertungen nur noch schwerlich möglich!
Last, but not least legt man der Person zur Last, auf die jetzt wohl die „finale“ Klage zukommt, sie habe das Persönlichkeitsrecht des Unternehmens verletzt. Soll heißen: Die Aussagen waren nach Ansicht vom LG I dazu geeignet, den Ruf des Arbeitgebers zu schädigen. Nach den uns zur Verfügung stehenden Informationen soll eine anwaltlich erfolgte Löschung zwischen 200 und 800 Euro kosten. Das hängt natürlich vom jeweiligen Fall und Aufwand ab. Einige Kanzleien werben sogar durch die Blume damit, Kosten würden sie nur bei erfolgter Löschung berechnen, was die Juristen aber gar nicht dürfen! Abmahnungen oder Klagen auf Erfolgsbasis sind in Deutschland nicht erlaubt.
Erfolgshonorare sind nur zulässig, wenn sie die „Zugangsmöglichkeiten zum Recht“ verbessern. Doch Unternehmen haben aufgrund ihrer finanziellen Situation sicher kein Problem damit, sich das Recht zu verschaffen, von dem sie glauben, dass es ihnen zusteht. Sie wollen an die Nutzerdaten ihrer Online-Kritiker heran, was ihnen künftig auch vermehrt gelingen wird.
Erfolgshonorare: Wie mogeln sich die Kanzleien an diesem Verbot vorbei?
Sie bieten eine kostenlose Erstprüfung an, die auch als Ersteinschätzung bekannt ist. Den Begriff hört man oft bei Anwälten, die neue Mandanten für eine kostenpflichtige Bearbeitung von Filesharing-Abmahnungen suchen. Danach bietet man dem Unternehmen bei Aussicht auf Erfolg einen Fixpreis an.
Fazit: Die Meinungsfreiheit des Einzelnen unterliegt dem Schutz des Rufes der Firma
Mit dem aktuellen Urteil ist klar: Unternehmen sind negativen Bewertungen nicht mehr hilflos ausgeliefert. Sollte jemand Behauptungen aufstellen, die sie oder er nicht belegen kann, sollte man bei der Angabe der Daten beim E-Mail-Provider extrem vorsichtig sein. Außerdem würde es sich in einem solchen Fall empfehlen, ein VPN* zu nutzen.
Ansonsten sorgen die so genannten „Kettenbeziehungen“ der Störerhaftung dafür, dass der E-Mail-Anbieter auskunftspflichtig und die Entanonymisierung des Verfassers der Bewertung vollzogen wird. Übrigens: Wer sich die Einzelheiten der juristischen Einordnung anschauen möchte, kann dies beispielsweise bei Jens Ferner tun.
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