Soziale Netzwerke sollen künftig Hasskriminalität im Netz sofort dem BKA melden und auch IP-Adressen weitergeben.
Der Bundestag hat am Donnerstag das „Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität“ beschlossen. Neben einer Ausweitung der Strafbarkeit von Bedrohung und Beleidigung sieht das Gesetz insbesondere eine Meldepflicht für die Betreiber von sozialen Netzwerken vor.
Das seit dem 01. Oktober 2017 gültige Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) verlangte bereits nach einem härteren Vorgehen gegen Hass und Hetze im Internet. Dennoch sind Volksverhetzung und Beleidigungen in den sozialen Netzwerken noch bis heute vorhanden. Mit dem neuen Maßnahmepaket will man nun gezielter dagegen vorgehen.
Künftig sollen nun die betreffenden Postings in sozialen Netzwerken, bei denen es konkrete Anhaltspunkte für die Erfüllung eines Straftatbestandes gibt, von den Betreibern nicht nur gelöscht, sondern auch an eine zentrale Meldestelle beim Bundeskriminalamt (BKA) weitergereicht werden. Zur besseren Strafverfolgung werden zudem die entsprechenden IP-Adressen der Behörde mitgeteilt. „Wer hetzt und droht, muss mit Anklagen und Verurteilungen rechnen“, verdeutlicht Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD).
Meldepflicht für Hasskriminalität im Netz
So werden künftig
- Neonazi-Propaganda,
- Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat,
- Unterstützung krimineller und terroristischer Vereinigungen,
- Volksverhetzungen und Gewaltdarstellungen,
- Belohnung und Billigung von Straftaten,
- Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten,
- Mord- und Vergewaltigungsdrohungen,
- sowie die Verbreitung von Missbrauchsfotos und -videos
meldepflichtig. Bei besonders schweren Straftaten, wie Terrorismus und Tötungsdelikten, dürfen nach einem Richterbeschluss auch Passwörter verlangt werden. Sind die Passwörter bei den Anbietern verschlüsselt gespeichert, sind diese auch genauso zu übermitteln.
Bedrohungen und Billigung von Straftaten werden zum Straftatbestand und ziehen härtere Strafen nach sich
Wer künftig anderen mit Körperverletzung oder sexuellen Übergriffen droht, begeht schon damit eine Straftat. Bisher galt das nur bei Morddrohungen. Für derartige Äußerungen im Internet drohen Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren, bei öffentlichen Morddrohungen bis zu drei Jahre. Beleidigungen im Internet sollen ebenfalls mit bis zu zwei Jahren Haft geahndet werden. War es bisher nur strafbar, bereits begangene Taten öffentlich zu befürworten, so gilt dasselbe künftig auch für angekündigte Straftaten.
Kommunalpolitiker, ärztlicher Notdienst, Ehrenamtler und Journalisten künftig besser geschützt
Beleidigungen, üble Nachrede und Verleumdung gegen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker bestraft man mit dem Gesetz nun härter. Personen, die im ärztlichen Notdienst oder in einer Notaufnahme Hilfe leisten, erhalten einen besseren Schutz vor Drohungen und Gewalthandlungen. Für sie gelten künftig besondere Regeln, wie sie bisher schon für Hilfeleistende der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes oder der Rettungsdienste zutreffen.
Zudem erhalten Personen, die aufgrund ihrer beruflichen oder ehrenamtlichen Tätigkeit Hasskriminalität, wie Anfeindungen und Bedrohungen ausgesetzt sind, einen besseren Schutz. Im Melderecht werden dafür entsprechende Auskunftssperren im Melderegister eingerichtet. Betroffene sollen so davor geschützt sein, dass ihre Adressen weitergegeben werden.
Strafverschärfung bei antisemitischen Taten
Bei antisemitischen Tatmotive gilt künftig eine strafverschärfende Wirkung. Die Änderung sei eine Reaktion auf den eklatanten Anstieg registrierter antisemitischer Straftaten. Seit 2013 verzeichnen diese eine Zunahme um 40 Prozent.
Kritische Stimmen kommen von Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke und FDP sowie AfD
Renate Künast, Grünen-Bundestagsabgeordnete, äußert in der Bundestags-Debatte: „dass massenhaft Benutzerdaten, ohne vorherige rechtliche Prüfung […] ans BKA gehen und da erstmal bleiben […], das ist nicht in Ordnung“. Aus diesem Grund habe ihre Fraktion einen Änderungsantrag gestellt. Auch der Linken-Abgeordnete Niema Movassat wendet ein: „Das ist eine Vorratsdatenspeicherung durch die Hintertür.“
Die vorgesehene Herausgabe der IP-Adressen würde zu einem massenhaften Daten-Weiterleiten an das BKA führen – „und zwar immer schon dann, wenn eventuell eine Straftat vorliegt“. Die sozialen Netzwerke würden kaum genau juristisch überprüfen, was konkret eine Straftat ist und was nicht. Der FDP-Abgeordnete Benjamin Strasser lehnt die „rechtsstaatlich höchst bedenkliche“ Herausgabepflicht von Passwörtern ab.
Die AfD hingegen sieht in dem Gesetz eine massive Bedrohung der Meinungsfreiheit. Der Abgeordnete Stephan Brandner betont: „Durch Begriffe wie Hasskriminalität oder Hassrede wird die Grenze der Meinungsfreiheit bewusst verwischt.“
Jan-Marco Luczak, rechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion hält dagegen: „Die Verrohung im Netz bedroht unsere freiheitliche demokratische Grundordnung, weil Menschen sich nicht mehr trauen, ihre Meinung frei und offen zu äußern. Deswegen steuern wir heute energisch entgegen. Wer im Netz hetzt und droht, wird künftig härter bestraft und effektiver verfolgt.“
DJV kritisiert Gesetz gegen Hasskriminalität
Der Deutsche Journalisten-Verband kritisiert die Verabschiedung des Gesetzes gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität durch den Deutschen Bundestag als „Schlag gegen den Informantenschutz und das Redaktionsgeheimnis“. DJV-Bundesvorsitzender Frank Überall äußert: „Wir befürchten, dass investigativ recherchierende Journalisten elektronisch ausgespäht werden können, wenn ein ehrgeiziger Staatsanwalt das will“. Schon der Anschein, dass Ermittlungsbehörden auf die Passwörter von Journalisten zugreifen können, würde potentielle Informanten bereits abschrecken.
Der Deutsche Richterbund begrüßte die Meldepflichten der sozialen Netzwerke. Allerdings macht er darauf aufmerksam, dass man zur Umsetzung bundesweit hunderte zusätzliche Strafverfolger dafür brauche.
Tarnkappe.info