Hasskommentare und kriminelle Drohungen sind im Internet an der Tagesordnung. Mit dem NetzDG sollen sich Nutzer besser dagegen wehren können.
Bereits zum 1.4.2020, und somit zum zweiten Mal in sechs Wochen, brachte die Bundesregierung Neuerungen im Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) auf den Weg. Die neuen Regeln dürfte den sozialen Netzwerken sehr viel mehr Arbeit einbrocken. Außerdem wird es damit möglich sein, dass die Online-Kontrahenten ihre Beiträge gegenseitig löschen lassen. Ob damit alles einfacher wird?
NetzDG wird dafür sorgen, dass ständig gemeldet und gelöscht wird
Die geplanten Änderungen sollen nicht nur das Melden von Hasspostings erleichtern, sondern auch die Gegenwehr für Nutzer, die sich durch Sanktionen ungerecht behandelt fühlen, umfassen, berichtete Netzpolitik.org. Auch mit dem Entwurf der nunmehr zweiten NetzDG-Novelle will man Mängel am bisher geltenden Gesetz beseitigen. Gleichzeitig soll das Zurückdrängen von Hetze in sozialen Medien durch rechtliche Maßnahmen sanktioniert werden. Eine Überarbeitung des seit Oktober 2017 geltenden Gesetzes ist notwendig, weil die bestehende EU-Richtlinie noch in nationales Recht überführt werden muss. Demgemäß finden sich in der Richtlinie einige Neuregelungen, wie die hier ergänzte Wiederherstellungspflicht für zu Unrecht gelöschte User-Inhalte. Aktuell liegen dem Parlament damit zwei Gesetzentwürfe zur Novellierung des NetzDG vor, über die man demnächst im Bundestag noch beraten und entscheiden wird.
Eine, im ersten Regierungsentwurf im Februar vorgestellte Regelung, sorgte für weitreichende Diskussionen. Hier will man die Plattformbetreiber selbst zur Meldung von Hasspostings an eine noch einzurichtende Zentralstelle beim Bundeskriminalamt (BKA) verpflichten. Es tauchte der Vorwurf auf, Plattformbetreiber würden damit zu ‘Hilfssheriffs’ der Polizei gemacht. Allerdings verteidigt sich Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD). Demnach solle die Meldepflicht nur für schwerste Straftaten, wie Morddrohungen oder Volksverhetzung, gelten. Der Vorwurf der Beleidigung bliebe ein Antragsdelikt. Der Nutzer müsse hier selbst Anzeige erstatten.
Überprüfungs-Recht, leichtere Datenherausgabe, transparente Meldewege
Die im April diesen Jahres von der Regierung beschlossene NetzDG Novelle hat hingegen für deutlich weniger Kontroversen gesorgt als der erste Regierungsentwurf vom Februar. Unter anderem versucht man hierin, Nutzern mehr Rechte einzuräumen. Ein noch einzuführendes Gegenvorstellungsverfahren soll es ermöglichen, ungerechtfertigt gelöschte Nutzer-Inhalte wieder herzustellen. Ferner werden nicht alle von Nutzern gemeldeten Beiträge auch wirklich zur Löschung freigegeben. In beiden Fällen haben Betroffenen künftig vom entsprechenden Netzwerk Anspruch auf eine Entscheidungs-Überprüfung. Facebook, Twitter & Co müssen begründen, warum man einen Post gelöscht hat oder nicht. Dafür ist ein Zeitfenster von zwei Wochen vorgesehen.
Wer sich vor Gericht gegen Bedrohungen oder Beleidigungen zur Wehr setzen will, soll die Herausgabe der erforderlichen Daten deutlich einfacher durchsetzen können als bisher. Die Netzwerke will man dazu verpflichten, die Identität eines Haters offenzulegen, sobald ein Gericht die Erlaubnis dafür erteilt hat.
Mussten bisher noch Links oder Screenshots teilweise kopiert und an anderer Stelle wieder eingefügt werden, um eine Beschwerde einzureichen, so fordert das Justizministerium hier eine unkomplizierte, benutzerfreundliche Vorgehensweise. Die Meldewege sind leicht auffindbar zu gestalten und sollen für jeden einfach zu bedienen sein. Lange Klickwege will man vermeiden. Demnach soll man künftig rechtswidrige Inhalte direkt von den entsprechenden Postings aus melden können.
NetzDG: Folgende Änderungen sieht der Gesetzgeber zudem vor
- Auf Beschwerden und Meldungen von Nutzern ist innerhalb von 48 Stunden zu reagieren.
- Strafbare Inhalte sollen innerhalb von 24 Stunden gelöscht sein.
- Ein halbjährlicher Transparenzbericht über ihren Umgang mit Beschwerden ist durch die Unternehmen zu veröffentlichen.
- Es erfolgte eine Gesetzeserweiterung zwecks Meldepflicht für die sozialen Netzwerke.
- Neben einer Löschung sind Morddrohungen, Volksverhetzung und andere schwere Vergehen auch dem Bundeskriminalamt (BKA) zu melden.
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht erklärt zusammenfassend:
„Mit der Reform stärken wir die Rechte der Nutzerinnen und Nutzer sozialer Netzwerke. Wir stellen klar: Meldewege müssen für jeden mühelos auffindbar und leicht zu bedienen sein. Wer im Netz bedroht und beleidigt wird, muss die Möglichkeit haben, dies dem sozialen Netzwerk einfach und unkompliziert anzuzeigen. Darüber hinaus vereinfachen wir die Durchsetzung von Auskunftsansprüchen: Wer sich vor Gericht gegen Bedrohungen oder Beleidigungen zur Wehr setzen will, soll die hierfür erforderlichen Daten deutlich leichter herausverlangen können als bisher. Außerdem verbessern wir den Schutz vor unberechtigten Löschungen: Betroffene können (laut NetzDG) künftig verlangen, dass die Entscheidung über die Löschung ihres Beitrags überprüft und begründet wird. Dies erhöht die Transparenz und schützt vor unberechtigten Löschungen.“
Stimmen der Kritik
Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer des Digitalverbands Bitkom, äußert sich auch zum NetzDG.
„Die neue Reform führt zu noch mehr Unsicherheiten und eben nicht zu mehr Transparenz. Problematisch ist auch die künftige Ungleichbehandlung von Videosharing-Plattformen und sozialen Netzwerken: Die Bundesregierung sieht für Videosharing-Anbieter das Herkunftsland in der Pflicht – für die sozialen Netzwerke jedoch nach wie vor das Zielland.“
Eco Vorstandsvorsitzender Oliver J. Süme rät beim Netzwerkdurchsetzungsgesetz zu bedachtem Handeln.
„Die Verpflichtungen des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes müssen verhältnismäßig bleiben. Wir brauchen deshalb eine gesellschaftliche und politische Diskussion darüber, ob mit einer Meldepflicht, die in der politischen Debatte adressierten Probleme wie die Eindämmung von Hass, Hetze und Rechtsextremismus überhaupt effektiv gelöst werden können. Zudem sollte Deutschland zunächst die Möglichkeit eines EU-weit geltenden Rechtsetzungsvorhaben abwarten und nicht wie aktuell, in unkoordinierter Eigenregie handeln.“
Der Verband der Internetwirtschaft eco hat aktuell Leitlinien zur Überarbeitung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) formuliert. Das sei notwendig, um die mit den Gesetzentwürfen beabsichtigten Ziele mit den jeweiligen Möglichkeiten der Betreiber sozialer Netzwerke in Einklang zu bringen.
Tarnkappe.info