Gestern lud die BayernSPD zu einer Diskussionsrunde mit Heiko Maas nach München ein. Es ging um die Bekämpfung von Hass und Fake News im Internet.
Am 18. Juli 2017 lud die BayernSPD zu einer Diskussionsrunde mit Justizminister Heiko Maas nach München ein. Er sprach im Bürgersaal Fürstenried über das Thema „Gegen Hass und Fake News im Internet“. Vor allem aber sprach er über das Netzdurchsetzungsgesetz (NetzDG), und warum man seine Partei erneut wählen sollte.
Heiko Maas kam, sah und verschwand wieder
Man muss Heiko Maas zumindest das Zugeständnis machen, dass er sich derzeit in einer schwierigen Lage befindet. Auf der einen Seite soll er Martin Schulz den Rücken stärken, damit der ausgebremste Schulz-Zug wieder mehr Fahrt aufnimmt. Auf der anderen Seite bekommt Maas für sein erfolgreiches Engagement und die damit verbundene Umsetzung des Netzdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) derzeit viel Hass ab. Dabei sollte die systematische und durch die Regierung bewilligte Zensur der Meinungsfreiheit doch genau diesen Hass, den hate speech, verhindern.
Diskussionsrunde ohne Diskussion
Um die Wogen zu glätten und den Wahlkampf voranzutreiben, lud Heiko Maas am 18. Juli Kritiker und Anhänger zu einer Diskussionsrunde zum Thema „hate speech und fake news“ ein. Eine ähnliche Veranstaltung rund um den umstrittenen Politiker wurde am Tag zuvor in Dresden abgehalten. Doch während in Ostdeutschland Heiko Maas von mehreren hundert Demonstranten „begrüßt“ und als Volksverräter beschimpft wurde, blieb es in der beschaulichen Hauptstadt Bayerns vergleichsweise ruhig. Einzig die AfD tat mit Transparenten ihre Meinung in einer lächerlich sicheren Entfernung vom Veranstaltungsort kund. Bloß keine Konfrontation. Und bitte auch kein hate speech.
Der Austragungsort, der Bürgersaal Fürstenried, füllte sich binnen weniger Minuten. Die anwesende Presse wurde durch den Veranstalter darauf hingewiesen, bitte nur das Podium und nicht die anwesenden Gäste zu fotografieren. Welch Ironie – Anonymität im Real Life aber bitte Klarnamen in den Sozialen Netzwerken. Für eine leichtere und bequemere Verfolgung von Straftaten.
Nach einer Vorstellungsrunde der anwesenden Redner und einer kurzen Ausführung von Heiko Maas, wieso das Netzdurchsetzungsgesetz (NetzDG) so wichtig ist, durfte das Publikum im Vorfeld eigene Fragen einreichen. Die Diskussionsrunde bestand dann aus den jeweiligen Antworten zu ausgewählten Fragen durch das Podium. Dabei darf man nicht vergessen, dass es sich um eine Wahlkampfveranstaltung handelte und bei solchen, sind besonders kritische Fragen nicht zu erwarten. So auch in München.
Dennoch war die Diskussionsrunde durchaus informativ und konnte einen kleinen Eindruck zu internen Prozessen und Haltungen der SPD vermitteln.
Ein kleines Aufbäumen
Gerade einmal 60 Parlamentarier haben sich Ende Juni bei der Abstimmung zum NetzDG beteiligt. Das war nur ein Bruchteil der Anwesenden, die sich bei der Entscheidung zum Hype-Thema „Ehe für alle“ im Bundestag befanden. Laut Aussage von Maas passt sein Gesetzesentwurf nur einige Feinheiten im Detail der aktuellen Rechtsprechung an. Man hätte sich bereits seit mehreren Jahren über das Gesetz aufregen können, denn die Kernaussage wird durch das NetzDG nicht verändert oder verschärft. Eine Zensur findet nach Aussage des Justizministers ebenso wenig statt.
Das Interesse und die Beteiligung bei der „Ehe für Alle“-Diskussion und -Abstimmung begründete das Podium damit, dass es die Kanzlerin selbst ist, die bisher gegen die Ehe für alle war. Es war also ein Schulterschluss der Parteien für eine gemeinsame Sache. Übersetzt heißt das: Ein vergleichbar „einfaches“ Thema, mit einem sehr emotional reagierenden Publikum – aber somit auch einer großen potentiellen Wählerschaft. Wir erinnern uns: die nächste Bundestagswahl steht schon bald vor der Tür.
Genügend Aufklärung
Außerdem wurden, laut eigener Aussage, durch das Maas-Ministerium eine Vielzahl an Sitzungen abgehalten, um interessierte Abgeordnete zu informieren. Darin gab es Runden und ebenso Details zum Gesetzesentwurf. Umso mehr stellt sich dann aber die Frage, wieso es bei ausreichender Informationsmenge doch noch zu dem bekannten Ergebnis gekommen ist.
Dr. Bernhard Goodwin hingegen konnte es nicht verstehen, dass der Deutsche Journalisten Verband sich gegen das NetzDG stellt. Dabei soll dieses doch der Qualität der Nachrichten und der allgemeinen digitalen Diskussionskultur in Deutschland zugutekommen.
Noch ein weiterer Abstecher in das Themengebiet Aufklärung. Diese fehlt oft bei jüngeren sowie älteren Generationen gleichermaßen. Beispielsweise wird Mobbing an Schulen durch die vergiftete Diskussionskultur auf sozialen Kanälen befeuert, Eltern seien dagegen machtlos und wüssten nicht, was zu tun ist. Man wolle mehr Geld und Kraft in die Aufklärung an Schulen investieren. Konkrete Pläne gab es nicht.
Heiko Maas: Anonymität ist grundsätzlich ein guter Weg, das NetzDG auszuhebeln
Konkrete Aussagen wurden an diesem Abend grundsätzlich vermisst. Ein wenig entstand der Eindruck, auf einer CDU/CSU-Veranstaltung zu sein, so oft fiel der Satz „ich glaube“. Wo all der Hass denn plötzlich hergekommen sei, wollte eine Dame aus dem Publikum wissen. Das Podium antwortete, man glaube, er war schon immer da. Der Hass habe in den Sozialen Netzwerken lediglich eine neue Bühne gefunden.
Besonders an solchen Antworten merkt man, über wie wenig Hintergrundwissen die Redner verfügen. Sie scheinen nicht zu wissen, dass es schon längst Foren und Communities gibt, die sich abseits der gesellschaftlichen Formen unterhalten. Und sind es nicht Reddit oder 4chan, so sind es die Chats im Darknet. Eine Regulierung wird hier kaum möglich sein, ebenso wenig eine strafrechtliche Verfolgung. Anonymität sei grundsätzlich „ein guter Weg, das NetzDG auszuhebeln“ – verrät Heiko Maas ganz beiläufig.
Internet kein rechtsfreier Raum
Fast gebetsmühlenartig war von der Bühne zu hören, dass das Web kein rechtsfreier Raum sei. Dass verletzende und hetzerische Aussagen im Internet, ebenso bestraft werden müssen, als würden diese einem auf der Straße ins Gesicht gesagt werden. Ignoriert wird jedoch allerdings, dass die Gesellschaft ein gewisses Maß an Kritik und harschen Ton verträgt – oder vertragen sollte.
Das NetzDG wird folglich anonyme Communities und Foren fördern und die Diskussion aus den Sichtbereich der Masse bewegen. Die ignorante Haltung von Heiko Maas, das neue Gesetz könnte den Umgang miteinander unter Zwang verbessern, ist ein Trugschluss. Die Haltung des SPD-Politikers „lieber zu viel, als zu wenig löschen“ löst nicht das Problem von hate speech. Wenn es denn je überhaupt ein Problem mit hate speech gab.
Keine Rückfragen, keine Zeit
Leider war die Zeit von Heiko Maas an diesem Abend sehr knapp bemessen. Ein echter Austausch mit den Gästen fand kaum bis gar nicht statt. Die Handvoll Fragen, die das Publikum stellen durfte, reichte für den Titel „Diskussionsrunde“, wie die Veranstaltung beworben wurde, bei weitem nicht aus. Es war vielmehr ein Monolog verschiedener Politiker, in erster Linie des Justizministers selbst, um Werbung in eigener Sache zu machen.
Ebenso ist es fraglich, ob Maas bzw. die BayernSPD mit dieser Veranstaltung Kritiker umstimmen oder potentielle Wähler überzeugen konnte. Es war eine Wahlkampfveranstaltung mit vielen Worten aber wenigen Inhalten. Viel Glaube, wenig Wissen. Viel Maas, wenig Sozialdemokratie.
Alle Fotos: Jott von Tarnkappe.info.