Die EU-Kommission hat massive Bedenken gegen die deutschen Pläne zur Vorratsdatenspeicherung; deren Einführung wird sich daher verzögern.
Die EU-Kommission hat massive Vorbehalte gegen die Vorratsdatenspeicherung. Deren Wiedereinführung in Deutschland wird sich deshalb verzögern; frühestens im Oktober soll sie nun erfolgen. An ihrer grundsätzlichen Absicht, die umstrittene Sicherheitsmaßnahme wieder einzuführen, hält die Bundesregierung aber derzeit fest.
EU-Kommission hat massive Vorbehalte
Die EU-Kommission hat massive Vorbehalte gegen den deutschen Gesetzesentwurf zur „Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten“. Das geht unter anderem aus einer vom Blog „netzpolitik.org“ veröffentlichten Stellungnahme der EU-Kommissarin für den Binnenmarkt, Industrie und Unternehmertum, Elżbieta Bieńkowska, hervor.
Zentraler Kritikpunkt: Die Vorratsdatenspeicherung beeinträchtigt die Dienstleistungsfreiheit
Der zentrale Kritikpunkt der EU-Kommission ist, dass der Gesetzesentwurf der Bundesregierung die Dienstleistungsfreiheit einschränkt. Der Entwurf sieht nämlich vor, die Provider zu verpflichten, die Vorratsdaten auf deutschen Servern zu speichern. Das ist gedacht, um den Datenschutz zu gewährleisten – benachteiligt aber, so die Einschätzung Biénkowskas, Dienstleister aus anderen EU-Ländern. Diese müssten entweder zusätzliche Server-Kapazitäten in Deutschland vorsehen – was mit zusätzlichen Kosten verbunden wäre – oder auf entsprechende Aufträge verzichten.
Zweifel an Konformität mit Grundrechten
Neben der Kritik aufgrund der Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit hat die EU-Kommission auch Grundrechtsbedenken. Diese sind zwar nicht primäres Thema der Stellungnahme, werden aber in Bemerkungen trotzdem angesprochen. So fehlt Biènkowska eine ausreichende Begründung für die von der Bundesregierung vorgeschlagene Speicherdauer von zehn Wochen (beziehungsweise vier Wochen für Standortdaten).
Zudem sei der Gesetzesentwurf in Bezug auf die relevanten Straftaten zu vage. Es sei lediglich von nicht näher definierten „Straftaten von erheblicher Bedeutung“ die Rede.
Auch den vorgesehenen Schutz von Berufsgeheimnisträgern (etwa Ärzten, Anwälten und Journalisten) hält die EU-Kommissarin für nicht ausreichend. Diesen Schutz will man dadurch umsetzen, dass man die Daten dieser Personen zwar speichert. Im Ernstfall dürfe man sie aber nicht verwenden. Die Kommission würde „weitere Informationen dahingehend begrüßen“, warum diese nicht wie Behörden oder Institutionen behandelt werden, die sich „in einer vergleichbaren Situation befinden“ und deren Daten gar nicht erst gespeichert werden. Unklar sei auch, wie die Daten der Berufsgeheimnisträger „wirksam vor dem Risiko des Missbrauchs und vor rechtswidrigem Zugriff auf die Daten und deren Nutzung geschützt werden“ sollen. Diese Fragen werden auch von deutschen Kritikern der Vorratsdatenspeicherung schon lange gestellt. Eine komplette Herausnahme aller Berufsgeheimnisträger aus der Vorratsdatenspeicherung allerdings wäre technisch so gut wie nicht umzusetzen.
Massive Probleme – das Aus für die Vorratsdatenspeicherung?
Angesichts dieser massiven, mannigfaltigen und schwer lösbaren Probleme ist es fraglich, ob die Bundesregierung in der Lage sein wird, so nachzubessern, dass die EU-Kommission einen neuen Gesetzesentwurf abnickt. Zumindest wird sich eine eventuelle Einführung der Vorratsdatenspeicherung massiv verzögern: die Friedenspflicht wurde durch die nun erfolgte, kritische Stellungnahme der EU-Kommission bis zum 06. Oktober verlängert.
Bundesjustizministerium hält an Gesetzesentwurf fest
Das Bundesjustizministerium um Heiko Maas (SPD) ist nach wie vor von seinem Gesetzesentwurf überzeugt. Gegenüber dem IT-Newsportal heise online erklärte Maas, seiner Ansicht nach sei der Entwurf grundrechtskonform und verstoße nicht gegen die Dienstleistungsfreiheit. Die Auflage, die Daten in Deutschland zu schreiben, könne mit „zwingenden Erfordernissen des Allgemeinwohls begründet werden“. Zu den angesprochenen Grundrechtsbedenken nahm Maas bislang nicht im Einzelnen Stellung.
Die Linke: Vorratsdatenspeicherung gehört auf den Müllhaufen
Kritiker der Vorratsdatenspeicherung sehen sich durch die Stellungnahme der EU-Kommission bestätigt. Jan Korte, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion „Die Linke“, erklärte, die Stellungnahme zeige, dass die Notwendigkeit einer Vorratsdatenspeicherung zur unzureichend begründet sei. Dementsprechend gebe es keine Rechtfertigung für eine massive Überwachung. Die Vorratsdatenspeicherung sei ein „sinnloses und schädliches Projekt“, an dem die Bundesregierung aber auf Gedeih und Verderb festhalte, was letztendlich zum Schaden aller sei. „Statt jetzt mit der Flickschusterei anzufangen und sich in ein paar Monaten vor dem Europäischen Gerichtshof lächerlich zu machen sollte Maas es einfach sein lassen. Die Vorratsdatenspeicherung gehört auf den Müllhaufen der Überwachungsgeschichte,“ forderte Korte.
Tarnkappe.info