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Bildquelle: Edward Virvel, Lizenz

Eifersüchtige Partner können Apps von Pkws missbrauchen

Die New York Times berichtet einen Fall, bei dem eine 59-Jährige von ihrem Mann mittels einer Pkw-App im Mercedes Benz überwacht wurde.

Die 59-Jährige Christine Dowdall trennte sich von ihrem Mann, einem Mitarbeiter der US-Drogenbehörde und floh mit ihrem Mercedes-Benz C300 zu ihrer Tochter. Irgendwann fiel ihr im Auto eine immer wieder erscheinende Nachricht des ortsbezogenen Dienstes namens „mbrace“ auf. Da war ihr klar, dass man sie mithilfe der modernen Technik im eigenen Pkw verfolgt hat.

Opfer konnte Überwachungsfunktion nicht abschalten

„Mbrace“ ist regulär Teil von „Mercedes me“. Dies ist eine Reihe von vernetzten Diensten für das Auto, die über eine Smartphone-App zugänglich sind. Das Opfer hatte die Mercedes Me App bisher nur für die Zahlung von Autokrediten genutzt. Ihr war nicht klar, dass der Dienst auch zur Ortung des Fahrzeugs genutzt werden kann.

Die getrennt lebende Frau rief wiederholt beim Mercedes-Kundendienst an. Sie wollte den digitalen Zugriff ihres Mannes auf das Auto um jeden Preis unterbinden. Allerdings läuft der Kredit und der Fahrzeugbrief auf seinen Namen. Dies war eine Entscheidung, die das Paar traf, weil er eine bessere Kreditwürdigkeit vorweisen konnte.

Und obwohl sie die Raten bezahlte, erfolgreich eine einstweilige Verfügung gegen ihren Mann erwirkt hatte und ihr während des Scheidungsverfahrens die alleinige Nutzung des Fahrzeugs zugestanden worden war, sagten ihr die Mercedes-Vertreter, dass ihr Mann der Kunde sei. Er dürfe daher seinen Zugang behalten. Es gab darüber zumindest keine Möglichkeit, um die Verbindung der App mit dem Fahrzeug bzw. dem Internet aufzuheben. Bei der Mercedes Benz Zentrale sagte man ihr, derartige Vorfälle habe man schon häufiger erlebt.

Ein moderner Pkw eignet sich zur Überwachung. Bildquelle, thx!

Moderne Pkws als Smartphones auf Rädern

Man könnte moderne Autos auch als Smartphones auf Rädern bezeichnen. Sie sind stets online und besitzen mehrere Möglichkeiten, Daten über die Nutzung des Fahrzeugs zu erfassen. Das reicht vom genauen Aufenthaltsort bis auf wenige Meter, Kameras und Sitzgewichtssensoren bis hin zu Aufzeichnungen darüber, wie stark man bremst, in die Kurve geht und vieles mehr.

Gegenüber der New York Times sagte Jen Caltrider, eine Datenschutzforscherin bei Mozilla, viele seien sich überhaupt nicht darüber im Klaren, wie viele Daten ihre modernen Pkws sammeln und wer alles darauf zugreifen kann. Caltrider untersuchte die Datenschutzrichtlinien von mehr als 25 verschiedenen Automarken. Von Nissan kam beispielsweise die überraschende Aussage, sie könnten sogar Informationen über die „sexuellen Aktivitäten“ ihrer Fahrerinnen und Fahrer sammeln.

Pkw-Apps bieten Komfort aber auch enorme Risiken

Stellt sich für viele Betroffene die Frage, wie sie die Datensammelleidenschaft ihrer Pkws wieder abstellen können. Manche Smartphone-Apps verraten den Standort des Autos. Andere können die Türen aus der Ferne öffnen oder schließen. Einige Apps können sogar aus der Ferne die Klimaregelung des Autos einstellen, die Hupe betätigen oder das Licht ein- bzw. ausschalten. Nach der Einrichtung der App kann der Autobesitzer einer begrenzten Anzahl von anderen Fahrern Zugang gewähren.

Autohersteller lassen Opfer mit der Problematik alleine

Experten für häusliche Gewalt vertreten die Meinung, dass diese Komfortfunktionen in missbräuchlichen Beziehungen als Waffe eingesetzt werden. Zudem seien die Autohersteller nicht bereit, die Opfer zu unterstützen. Dies ist besonders kompliziert, wenn das Opfer ein Miteigentümer des Autos ist oder nicht im Fahrzeugbrief genannt wird.

Der betroffenen Frau blieb nur die Wahl, alles ausbauen zu lassen, was sie überwachen könnte. Die Werkstatt kassierte dafür 400 US-Dollar und musste auch das Navigationssystem nebst der SOS-Funktion entfernen, mit der man in Notfall Hilfe holen kann. Doch diesen Preis war die Frau bereit zu zahlen.

Neue Mittel zur Belästigung und Überwachung

Kontrollsüchtige Partner verfolgten die Fahrzeuge ihrer Opfer bisher mithilfe von GPS-Geräten und Apple AirTags etc. Doch Apps für vernetzte Autos bieten ihnen ganz neue Möglichkeiten der Belästigung und Überwachung.

In einer Klage aus dem Jahr 2020 konnte man einem Tatverdächtigen beweisen, dass er den Geländewagen Tesla Model X nutzte, um seine Frau nach der Trennung systematisch zu belästigen. Der Ex betätigte nach Lust und Laune die Lichter, die Heizung, Klimaanlage oder die Hupe. Tesla reagierte nicht auf eine Bitte um Stellungnahme. Man sei dafür nicht verantwortlich, kam als einzige Reaktion der richterlichen Anfrage. Tesla bezweifelte sogar, dass die Aussagen der Frau wahr sein sollen. Für den Hersteller hatte das Verfahren keinerlei Folgen.

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Quelle, thx!

Pkw-Apps ein blinder Fleck für Nutzer und Hersteller

Adam Dodge, ein ehemaliger Anwalt für Familienrecht, der heute als Trainer für digitale Sicherheit tätig ist, nannte Stalking per Auto-App „einen blinden Fleck für Opfer und Autohersteller„. Niemand könne gegen eine Bedrohung vorgehen, wenn man davon gar nichts weiß.

Zwar könne man mithilfe des kürzlich verabschiedeten Safe Connections Act das Smartphone von Konten trennen, die man sich mit den Tätern teilt. Doch ein vergleichbares Bundesgesetz gibt es nicht, wenn es um Software für Autos geht. Da bleibt als Ausweg nur die Nutzung älterer Fahrzeuge ohne derartige Software oder der kostenpflichtige Ausbau der Überwachungs-Hard- und Software durch eine Werkstatt.

Lars Sobiraj

Über

Lars Sobiraj fing im Jahr 2000 an, als Quereinsteiger für verschiedene Computerzeitschriften tätig zu sein. 2006 kamen neben gulli.com noch zahlreiche andere Online-Magazine dazu. Er ist der Gründer von Tarnkappe.info. Außerdem brachte Ghandy, wie er sich in der Szene nennt, seit 2014 an verschiedenen Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen den Teilnehmern bei, wie das Internet funktioniert.