Tour de France 2019
Französische Rechteinhaber setzen VPN-Anbieter unter Druck, um ihr eigenes Geschäftsmodell zu schützen.
Bildquelle: Gzen92/Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)

Wunschtraum französischer Rechteinhaber: die großen VPN-Anbieter blockieren Piraterie!

Französische Rechteinhaber fordern gerichtliche Anti-Piraterie-Maßnahmen von VPN-Anbietern, um den Zugang zu Piratenseiten zu blockieren.

In ihrem anhaltenden Kampf gegen die werbefinanzierte Online-Sportpiraterie kamen mehrere französische Rechteinhaber nun auf eine neue – aber eigentlich uralte – Idee: die VPN-Anbieter sollen die Piraterie blockieren. Und das landesweit, versteht sich.

Französische VPN-Anbieter geraten massiv unter Druck

Beauftragte Juristen beantragten für CANAL+ und den Fußballverband Liga Nacional de Fútbol Profesional (LFP) entsprechende gerichtliche Anordnungen. Damit will man CyberGhost, ExpressVPN, NordVPN, ProtonVPN, Surfshark und andere bekannte VPN-Anbieter unter Druck setzen. Man will sie dazu zwingen, ihren Kunden den Zugang zu den bösen Streaming-Seiten zu verwehren.

Websperren, gefolgt von der Beeinflussung der Proxy- und VPN-Anbieter

Der Hintergrund der Aktion ist im Prinzip schnell erklärt. Wie zu erwarten war, ging im Vorjahr in Frankreich nach der Aktivierung der Websperren diverser populärer Piratenseiten die Nutzung von Proxy- und VPN-Diensten regelrecht durch die Decke. Was liegt da näher, als sich an die größeren VPN-Provider zu wenden, nachdem man bereits vergleichbare Anordnungen gegen DNS-Resolver erwirkt hat?

Die Gerichtsbeschlüsse wurden alle auf Grundlage von Artikel L.333-10 des französischen Sportgesetzes erlassen. Sie markieren eine Ausweitung der rechtlichen Strategie des börsennotierten Bezahlfernsehsenders CANAL+. Wegen der Auseinandersetzungen mit den Proxy-Anbietern hagelte es zwar schon vonseiten mehrerer Technologieunternehmen Kritik. Doch das hat die Rechteinhaber nicht davon abgehalten, ihre Anti-Piraterie-Strategie zu verfeinern und fortzusetzen.

Im Idealfall soll es nach ihrem Willen gar keine Schlupflöcher mehr geben, um die bestehenden Websperren zu überwinden oder zu umgehen. Oder aber die Umgehung wird zu einer Randerscheinung, die sich bei den Sportverbänden etc. finanziell nicht sonderlich negativ auswirkt.

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Kein illegales Live-Sport-Streaming mehr, wenn es nach
dem Willen der französischen Rechteinhaber geht.

Ziel der Aktionen sind Portale mit dem Fokus auf Live-Sport-Streaming

Wie TorrentFreak berichtet, sollen die VPN-Provider Streaming-Seiten mit dem Fokus auf Sport-Streaming blockieren. CANAL+ will den Empfang von IPTV-Diensten wie boxtv60.com und fmytv.com unmöglich machen. Dazu kommen Streaming-Seiten wie Ishunter.net, Antenasports.ru und den Klon Rojadirectahdenvivo.com. Der französische Fußballverband LFP benannte als Gegner illegale Websites wie Popcorn IPTV, Net IPTV, Facto IPTV, Movie Live IPTV, DINO TV und beispielsweise WhishIPTV.

Als ursprüngliche Quelle berichtete über den Vorfall das häufig gut informierte Newsportal l’Informé. Nach deren Informationen fordert CANAL+ die Sperrung von nicht weniger als 203 Internet-Adressen. Dazu gesellen sich vom Fußballverband etwa 30 weitere Sperr-Ziele, mit denen man sich an die VPN-Provider wendet. Die LFP bestätigte die rechtlichen Schritte gegen die Piraterie. Man erklärte gegenüber l’Informé, dass der Verband gegen VPNs vorgeht, um sicherzustellen, dass geeignete Maßnahmen zum Schutz ihrer Rechte ergriffen werden. Die wollen es nicht mehr hinnehmen, dass man gegen Bezahlung der geringen Abo-Gebühren* der VPN-Provider so tun kann, als würde man im Ausland lebt. Somit kann man wieder problemlos auf die im eigenen Land gesperrten Websites zugreifen.

VPN Trust Initiative
Der Verband VTI wendet sich entschieden gegen die von den
französischen Rechteinhabern eingeklagte Internet-Zensur.

Der Interessenverband der VPN-Provider is not amused!

Die VPN Trust Initiative (VTI), ein Verband mehrerer großer VPN-Provider, kotzt in ihrer Erklärung regelrecht im Strahl. Dass VPN-Anbieter die Piraterie blockieren sollen, damit die Umsätze der Rechteinhaber nicht länger darunter leiden, das findet beim VTI keinen Zuspruch. Die Zensurforderungen können „die Sicherheit und Privatsphäre der französischen Bürger gefährden„, heißt es im Statement des Interessenverbands. Zwar sind die entsprechenden Anhörungen vor Gericht sowieso erst für März diesen Jahres geplant. Es wird also wahrscheinlich noch etwas dauern, bis ein erstes Urteil gefällt wird.

Die juristischen Maßnahmen stellen in Frankreich nur den Anfang dar!

Doch klar ist auch, dass in aller Welt die Betreiber von Satelliten- und Kabel-TV-Inhalten nicht aufgeben werden, bis es ihnen gelungen ist, gegen die unerwünschte Konkurrenz aus dem Untergrund vorzugehen. Sobald in Frankreich die größeren VPN-Anbieter ihren Forderungen nachkommen, geht es weiter. Dann wird man sich wahrscheinlich auch mittelgroße VPN-Betreibergesellschaften wie die Mullvad VPN AB und kleine Provider wie hide.me* zur Brust nehmen. Oder es zumindest probieren.

Frankreich ist dabei mit Sicherheit nicht das Ende, sondern nur der Anfang der Fahnenstange. Deutsche Pay-TV-Anbieter, Sportverbände und andere Rechteinhaber beobachten mit Sicherheit sehr intensiv das Szenario bei unserem westlichen Nachbarn. Sie wollen das Vorgehen bestimmt nicht nur erlernen, sondern nach Möglichkeit auch selbst anwenden! Es bleibt zudem abzuwarten, wie sich deutsche Gerichte künftig bei dieser Fragestellung äußern werden. Da ist noch lange nicht das letzte Wort gesprochen.

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Lars Sobiraj

Über

Lars Sobiraj fing im Jahr 2000 an, als Quereinsteiger für verschiedene Computerzeitschriften tätig zu sein. 2006 kamen neben gulli.com noch zahlreiche andere Online-Magazine dazu. Er ist der Gründer von Tarnkappe.info. Früher brachte Ghandy, wie er sich in der Szene nennt, an verschiedenen Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern bei, wie das Internet funktioniert. In seiner Freizeit geht er am liebsten mit seinem Hund spazieren.