Streaming wie im Untergrund – und trotzdem voll im Visier. Lies, warum dein Firestick ein Risiko ist.
Streaming wie im Untergrund – und trotzdem voll im Visier. Lies, warum dein Firestick ein Risiko ist.
Bildquelle: ChatGPT

Piraterie per Fire-Stick: User im Fadenkreuz von Betrügern und Ermittlern

Piraterie per Fire-Stick rückt Nutzer ins Visier: Strafverfolgung, Datenklau und Malware bedrohen Streaming-Fans in Großbritannien.

Piraterie per Fire-Stick entwickelt sich in Großbritannien zur digitalen Epidemie. Für viele User klingt es zwar wie ein cleverer Hack im Streaming-Dschungel. Doch hinter der bunten Oberfläche aus kostenlosem Sky, Serien-Flatrates und Weltfußball steckt ein riskanter Deal mit der digitalen Unterwelt. In Großbritannien hat sich die Polizei längst eingeschaltet – und der Fire-TV-Stick wird zum Symbol eines wachsenden Problems: Datenklau, Betrug, Malware und Gefängnisstrafen inklusive. Selbst Amazon warnt inzwischen öffentlich. Während Anbieter mit Tausenden illegalen Streaming-Angeboten über soziale Netzwerke locken, geraten nun auch die User zunehmend ins Fadenkreuz der Ermittler.

Facebook als Piraterie-Marktplatz: Der Untergrund ist Mainstream

Laut einer Recherche des britischen Mirror sind es nicht dubiose Darknet-Foren, sondern der Facebook-Marktplatz, auf dem sich eine neue Generation digitaler Schwarzhändler organisiert. Über 10.000 Anzeigen fanden sich dort – mit einer einzigen britischen Telefonnummer verknüpft, die in 800 Postings auftauchte. Die Masche: Vertrieb von modifizierten Firesticks mit IPTV-Paketen, gepusht über Fake-Accounts aus ganz Großbritannien. Diese Geräte ermöglichen das illegale Streamen von Fernsehinhalten – ein wachsendes Problem, das der Unterhaltungsbranche Verluste in Milliardenhöhe verursacht.

Nutzer werden per WhatsApp an zwielichtige Verkäufer weitergeleitet, die ihnen den Pay-TV-Himmel auf Erden versprechen. Hinter den Anzeigen stehen über 100 Facebook-Profile, die Anbieter größtenteils erst kürzlich erstellten. Diese sind geografisch in ganz Großbritannien verteilt – von Cumbria bis Surrey –, was auf eine koordinierte Betrugsstruktur hinweist.

Angebote klingen verlockend – mit gefährlichem Haken

Ein getesteter Anbieter versprach Zugang zu Sky, Sportkanälen, Netflix, Disney+, Amazon Prime und weiteren Diensten – für nur 2,50 £ (ca. 3,00 Euro) monatlich. Die Pakete reichen von 35 £ (ca. 42 Euro) für sechs Monate bis zu 150 £ (ca. 178 Euro) für fünf Jahre. Zum Vergleich: Ein legales Sky-Sportpaket kann bis zu 50 £ (ca. 59,00 Euro) im Monat kosten. Die Bezugsquelle behauptete, sein Service sei legal und verwies auf das Unternehmen „IPTV“ – ein Begriff, der allerdings lediglich die Technik beschreibt, nicht aber ein legales Unternehmen. Der Anbieter präzisierte: „Es handelt sich um einen Online-Dienst, der Sender auf Fire Sticks, Smart-TVs, Android-TVs und Mobiltelefonen bereitstellt. Wir bieten auch Abonnements für andere Länder wie Australien, die USA und Kanada an.

Laut Experten riskieren Millionen Menschen in Großbritannien, die solche Geräte verwenden, strafrechtliche Konsequenzen. Sie tragen zur Finanzierung internationaler Piraterienetzwerke bei und setzen sich zugleich der Gefahr von Identitätsdiebstahl, Kreditkartenbetrug und Schadsoftware aus.

Piraterie per Fire-Stick: Streaming wird zum Sicherheitsrisiko

Was als Spartrick verkauft wird, ist ein zugleich ein digitales Minenfeld. Neben rechtlichen Konsequenzen drohen technische Gefahren. Die Geräte sind laut britischer Polizei nicht nur illegal, sondern auch gefährlich. Kriminelle nutzen die Systeme zur Datenernte. Schadsoftware auf manipulierten Geräten kann Kreditkarteninformationen stehlen, Smartphones, Fernseher und Laptops infizieren oder sogar Mikrofone und Kameras kapern. Nutzer machen sich angreifbar für Datenklau und Bankbetrug.

Zudem verbirgt sich hinter diesen verlockenden Angeboten ein weiteres Risiko. Es gibt keinerlei Garantie, dass die Anbieter lange genug aktiv bleiben, um ihre Abo-Versprechen tatsächlich einzulösen. In einem aktuellen Fall wurde beispielsweise im Januar dieses Jahres Sunny Kumar Kanda aus Halifax, West Yorkshire, vom York Crown Court zu zwei Jahren Haft verurteilt, weil er über eine Facebook-Gruppe mit fast 4.000 Mitgliedern modifizierte Fire Sticks verkauft hatte.

Zwischen den Zeilen: Die stille Duldung – aber wie lange noch?

Noch zögern britische Behörden, Endnutzer systematisch vor Gericht zu bringen. In vielen Fällen werden Warnbriefe verschickt, um eine „zweite Chance“ zu geben. Doch die Strategie ist brüchig – der nächste Präzedenzfall könnte bereits alles ändern.

Piraterie per Fire-Stick: User im Fadenkreuz von Betrügern und Ermittlern
Piraterie per Fire-Stick: User im Fadenkreuz von Betrügern und Ermittlern

Kieron Sharp, Leiter der Federation Against Copyright Theft (FACT), weist gegenüber dem Mirror darauf hin, dass nicht nur Anbieter illegaler Streams, sondern auch deren Nutzer mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen müssen. Laut FACT stellt das Ansehen illegaler Streams nach dem Fraud Act 2006 eine Straftat dar, die mit bis zu fünf Jahren Gefängnis geahndet werden kann.

FACT arbeitet aktiv an der Verfolgung von kriminellen Netzwerken, wie sie etwa auf Facebook agieren. In den letzten fünf Jahren war die Organisation an 23 Strafverfahren beteiligt – 36 Personen wurden zu Haftstrafen von im Schnitt zu ca. drei Jahren verurteilt. Im Dezember 2024 führte FACT zusammen mit 15 Polizeieinheiten eine koordinierte Razzia gegen 30 Anbieter durch.

Sharp, ehemaliger leitender Ermittler der City of London Police und früherer Leiter des Wirtschaftskriminalitätsteams bei Interpol, erklärte gegenüber dem Mirror:

„Dieses Problem besteht schon seit den Tagen der VHS- und DVD-Raubkopien. Doch das Zeitalter des Streamings hat es Kriminellen ebenso einfach gemacht wie den Nutzern. Ob es heute ein größeres Problem ist als früher, lässt sich schwer sagen – es fehlt ein vollständiger Überblick.“

Laut Schätzungen des Intellectual Property Office nutzen derzeit rund 6,2 Millionen Briten illegale Streaming-Angebote, darunter 3,9 Millionen für Live-Sportübertragungen.

Sharp betont, dass FACT sich bislang darum bemüht hat, nicht gegen Endnutzer vorzugehen:

„Wenn wir eine Bande zerschlagen und Zugriff auf deren Kundendatenbank erhalten, kontaktieren wir diese Nutzer in der Regel schriftlich und machen deutlich: ‚Ihr Verhalten verstößt gegen das Gesetz – hören Sie damit auf.‘ Wir hoffen, dass sie künftig bereit sind, für legale Inhalte zu bezahlen.“

Dennoch schließt Sharp rechtliche Schritte gegen Verbraucher ausdrücklich nicht aus:

„Ob wir in einem konkreten Fall gegen Nutzer vorgehen, ist eine unternehmensweite Entscheidung. Es könnte durchaus passieren. Deshalb sage ich auch in keiner Nachricht an Konsumenten, dass sie garantiert nicht strafrechtlich verfolgt werden – denn das wäre schlicht falsch. […] Wir möchten Verbraucher eigentlich nicht kriminalisieren, aber wir schließen nicht aus, sie künftig stärker in unsere Ermittlungen einzubeziehen.“

Ein aktueller Fall unterstreicht die rechtlichen Risiken: Der 29-jährige Jonathan Edge aus Liverpool wurde im November zu über drei Jahren Haft verurteilt – nicht nur wegen des Verkaufs modifizierter Fire Sticks, sondern auch, weil er die darüber verbreiteten Inhalte selbst konsumiert hatte. Für letzteres erhielt er zusätzlich zwei Jahre und drei Monate Haft, die er parallel zur Hauptstrafe verbüßen muss.

Amazon erschwert Piraterie über Fire-Stick

Amazon hat technische Maßnahmen ergriffen, um das illegale Streaming über den Fire Stick zu erschweren, und warnt aktiv vor „sideloaded Apps“. Ein Unternehmenssprecher betonte gegenüber dem Mirror:

„Piraterie verstößt gegen unsere Richtlinien zum geistigen Eigentum und gefährden die Sicherheit und Privatsphäre unserer Kunden. Wir bleiben in unseren Bemühungen, Piraterie zu bekämpfen und Kunden vor den mit Raubkopien verbundenen Risiken zu schützen, wachsam. Dazu gehört das Verbot von Apps in unserem Appstore, die die Rechte Dritter verletzen, und die Warnung der Kunden vor den Risiken, die mit der Installation oder Verwendung von Apps aus unbekannten Quellen verbunden sind.“

Ein aktueller Bericht von Enders Analysis kritisierte dennoch, dass der rund 25 Pfund teure Amazon Fire Stick die einfache Nutzung von Piraterie-Inhalten im Plug-and-Play-Stil begünstigt. Drei von fünf Usern, die ein physisches Gerät für Piraterie verwenden, greifen laut Sky auf einen Fire Stick zurück. Real reagiert Amazon zwar mit technischen Hürden und Appstore-Sperren, doch die Verlockung bleibt groß – gerade im preissensiblen Umfeld der Fußball- und Serienjunkies.

Relevanz für Deutschland: Wie lange bleibt es hier ruhig?

Was sich in Großbritannien abzeichnet, ist ein Modell für kommende Entwicklungen in Deutschland. Auch hierzulande boomt der Graumarkt für IPTV, modifizierte Geräte und Piraterie-Abos via Telegram, eBay Kleinanzeigen oder Discord. Erste Verfahren gegen Nutzer laufen – und Anbieter geraten zunehmend ins Fadenkreuz.

Die deutsche Szene feiert die Firesticks noch immer als cleveren Move gegen die Content-Industrie – doch mit zunehmender Internationalisierung der Strafverfolgung könnte die Party bald vorbei sein.

Fazit: Wer billig streamt, zahlt am Ende teuer

Illegales Streaming über modifizierte Fire-TV-Sticks ist kein Kavaliersdelikt, sondern ein Volltreffer in Richtung Identitätsklau, Malware und Strafverfolgung. Die Verlockung ist groß – aber das Risiko ist real. Die britischen Behörden machen ernst, die Datenlage ist explosiv, und die Technik wird zur Falle. Der Stick wird zum Trojaner – und wer ihn nutzt, spielt russisches Roulette mit seinen Daten, seinem Geld und letztlich möglicherweise noch mit seiner Freiheit.

Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.