Die Abmahnung rollt an: Nimrod liefert mit Volldampf direkt in den Briefkasten.
Die Abmahnung rollt an: Nimrod liefert mit Volldampf direkt in den Briefkasten.
Bildquelle: ChatGPT

Railway Empire im Visier von Abmahnkanzlei Nimrod

Railway Empire im Visier: Kanzlei Nimrod verschickt Abmahnungen im Auftrag von Kalypso Media wegen Filesharing. Gefordert werden u.a. 850 €.

Die Abmahnindustrie hat mit Railway Empire im Visier ein neues Ziel gefunden. Die Berliner Kanzlei Nimrod verschickt im Auftrag der Kalypso Media Group Abmahnungen mit Forderungen in Höhe von 850 Euro wegen angeblichem Filesharing des Spiels. Doch viele Betroffene kennen besagtes Game gar nicht und dennoch flattert ihnen eine Abmahnung ins Haus. Tarnkappe.info wirft einen kritischen Blick auf den Fall – und zeigt, wie Betroffene reagieren sollten.

Railway Empire: Vom Spielehit zur Abmahnfalle

Das Game Railway Empire ist ein Eisenbahnbau- und -management-Simulationsspiel, entwickelt von Gaming Minds Studio und veröffentlicht von Kalypso Media. Erstmals angekündigt 2017, erschien es 2018 für PC, PlayStation 4 und Xbox One, 2020 folgte die Nintendo-Switch-Version.

Das Basisspiel versetzt den Spieler in die USA zwischen 1830 und 1930. Dort gilt es, ein Eisenbahnnetz aufzubauen, Städte und Industrien zu verbinden, verschiedene Lokomotiven zu kaufen und Personal einzustellen – samt individueller Boni und Persönlichkeitstypen. Zusätzlich lassen sich technische Innovationen freischalten. Mit fünf Hauptspielmodi – Kampagne, Szenario, Freier Modus, Sandbox und Herausforderungsmodus – richtet sich Railway Empire an Fans klassischer Wirtschaftssimulationen.

Ausgerechnet dieses Spiel, das von Planung, Weitsicht und strategischem Aufbau lebt, ist nun ins Zentrum einer Abmahnwelle geraten. Die Rechtsanwälte Frederik Bockslaff und Christian Kupferberg von der Berliner Kanzlei Nimrod haben sich seit Jahren auf Abmahnungen wegen Filesharing spezialisiert. Simulatoren und Tycoon-Spiele wie Railway Empire sind somit auch für sie ein lukratives Geschäft. Obwohl das Game bereits 2018 veröffentlicht wurde, ist es bis heute auf Torrent-Plattformen aktiv. Wer angeblich über seinen Anschluss Daten geteilt hat, soll nun nicht nur 850 Euro zahlen, sondern auch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgeben.

Nimrod: Vom biblischen König zum modernen Abmahner

Besonders bezeichnend wirkt der Name der Kanzlei selbst. Nimrod war ursprünglich eine Figur aus der Bibel und dem Koran – ein sagenumwobener König und Jäger, oft als Sinnbild für Macht und Herrschaft interpretiert. Heute dient der Name in Deutschland als Banner für eine Kanzlei, die gnadenlos Jagd auf angebliche Filesharer macht. Ein mythischer König, der einst als „gewaltiger Jäger“ beschrieben wurde, wird damit zur juristischen Speerspitze einer modernen Abmahnindustrie.

Railway Empire im Visier von Abmahnkanzlei Nimrod
Railway Empire im Visier von Abmahnkanzlei Nimrod: Filesharing-Abmahnungen mit Dampfkraft.

Die Masche: Filesharing und IP-Überwachung

Filesharing ist juristisch gesehen ein Minenfeld. Wer ein File aus einem P2P-Netzwerk herunterlädt, teilt gleichzeitig Teile der Datei mit anderen. Damit wird der Nutzer zum „Anbieter“. Genau das kann nach Urheberrecht eine öffentliche Zugänglichmachung darstellen. Die Kanzlei Nimrod nutzt diese Lücke seit Jahren. Sie lässt über technische Dienstleister IP-Adressen aufzeichnen und erwirkt anschließend beim Gericht die Herausgabe der Anschlussinhaberdaten. Im Ergebnis landet die Abmahnung u.a. bezüglich Railway Empire im Briefkasten sowie im Fadenkreuz der Abmahnkanzlei und mit ihm auch unbescholtene Anschlussinhaber.

Railway Empire-Abmahnungen: Die Forderungen im Detail

Eine typische Abmahnung von Nimrod besteht aus drei Bestandteilen:

  • Unterlassungserklärung: Einseitig zugunsten der Rechteinhaber formuliert, mit hohen Vertragsstrafen im Wiederholungsfall.
  • Vergleichszahlung: In Höhe von 850 Euro, angeblich günstiger als die „regulären“ 3.000 Euro.
  • Schadensersatz & Anwaltskosten: Auf Basis der Lizenzanalogie – also geschätzter fiktiver Lizenzgebühren.

Für viele wirkt das zwar einschüchternd. Juristisch hingegen sind die Forderungen jedoch nicht unangreifbar.

Alte Vorwürfe, neue Mahnschreiben

Der von Prof. Christian Solmecke LL.M. auf Anwalt.de aufgegriffene Abmahnfall betrifft konkret einen 46-jährigen alleinlebenden Mann als klassischen „Zufallstreffer“. Er ist lediglich der Inhaber des Internetanschlusses, über den die angebliche Urheberrechtsverletzung begangen worden sein soll. Er kennt das Spiel Railway Empire nicht einmal und hat nach eigenen Angaben auch nie Filesharing betrieben. Trotzdem sieht er sich nun mit einer kostspieligen Abmahnung konfrontiert.

Genau hier zeigt sich das Grundproblem solcher Massenabmahnungen. Nicht der tatsächliche Täter wird belangt, sondern der Anschlussinhaber – egal ob er selbst aktiv war oder nicht. Wer sein WLAN nicht rund um die Uhr überwacht oder Familienmitgliedern, Mitbewohnern oder gar Besuchern Zugang gewährt, gerät schnell selbst ins Visier der Abmahnanwälte.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Vorwürfe oft Jahre zurückliegen. Im vorliegenden Fall soll der angebliche Verstoß im Mai 2021 stattgefunden haben. Das Schreiben erreichte den Betroffenen jedoch erst im April 2025 mit einer enormen zeitlichen Verzögerung, die für die Abgemahnten kaum nachvollziehbar ist. Doch rechtlich ist dieses Vorgehen möglich, und genau darin liegt die Falle der Abmahnindustrie:

  • Schadensersatzansprüche können bis zu zehn Jahre nach Kenntnis der Rechtsverletzung geltend gemacht werden.
  • Kostenerstattungsansprüche verjähren immerhin nach drei Jahren ab Zugang der Abmahnung.

Für Betroffene bedeutet das, selbst wenn man glaubte, ein „sauberes Netz“ zu haben, kann plötzlich Jahre später noch Post vom Anwalt ins Haus flattern mit horrenden Forderungen. Der Fall macht verdeutlicht zudem, wie gnadenlos dieses System ist. Selbst Menschen, die gewissenhaft handeln und keinerlei Bezug zur „Tauschbörsenszene“ haben, können plötzlich im Abmahnstrudel landen. Ein falscher Zeitpunkt, eine geteilte Leitung oder schlicht eine fehlerhafte Zuordnung der IP-Adresse – und schon sehen sich Bürger mit Forderungen in Höhe von hunderten oder gar tausenden Euro konfrontiert.

So reagieren Betroffene richtig

  • Ruhe bewahren, keine Panik.
  • Unterlassungserklärung nicht ungeprüft unterschreiben.
  • Vergleichszahlung nicht sofort leisten.
  • Kein direkter Kontakt zu Nimrod aufnehmen.
  • Fachanwalt einschalten und modifizierte Unterlassungserklärung nutzen.

Nur so lässt sich verhindern, dass man in die Falle der Abmahnindustrie tappt.

Fazit: Railway Empire im Visier – ein Systemproblem

Der Fall zeigt auf, dass Abmahnungen wie die von Railway Empire kein Einzelfall sind. Vielmehr sind sie Teil einer Abmahnstrategie, die bereits seit Jahren läuft. Wer Post von Nimrod bekommt, darf sich nicht einschüchtern lassen. Die Devise sollte dabei lauten, nichts unterschreiben, nichts zahlen sondern prüfen, gegenhalten und die eigenen Rechte kennen. Die Abmahnindustrie lebt von Angst und Unwissen. Wer informiert ist, bleibt wehrhaft.

Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.