Der Piraterie-Fall der US-Marine läuft auf eine Entscheidung heraus. Die Höhe der zu zahlenden Entschädigung ist aber noch strittig.
Seit sechs Jahren wirft ein deutsches Softwareunternehmen der US-Marine Piraterie vor – wir berichteten. Jetzt steuert der Fall allmählich auf eine Entscheidung zu, berichtet Torrentfreak.com. Die zentrale Frage: Bezahlt die US-Regierung pro Kopie oder pro aktiver Nutzung unlizenzierter Software?
Die bayerische Bitmanagement Software GmbH hat ein Programm namens BS Contact Geo entwickelt. Es ermöglicht die Visualisierung geografischer Daten und zog das Kaufinteresse der US-Marine auf sich. Nach Beginn der Verkaufsverhandlungen überließ die Firma der Behörde 38 Kopien. Die Marine brauchte diese, um die Software und ihre Integration in die hauseigene IT-Landschaft zu testen. Anschließend verhandelten beide über den Kauf weiterer Lizenzen, weil die US-Marine breit angelegte Tests mit der Software durchführen wollte.
Liebling, ich habe die Kopien kopiert
Dann kam raus: Aus den ursprünglich 38 Kopien sind plötzlich 558.466 Installationen auf Rechnern des potenziellen Kunden geworden. Kann ja mal passieren, wenn die Firma auf Kundenwunsch den Kopierschutz entfernt.
Doch damit nicht genug: 2014 deaktivierte die Marine eine Software, die die Verbreitung von BS Contact Geo auf Marinecomputern verfolgen sollte. Es waren also möglicherweise noch mehr Kopien im Umlauf, ohne dass der Hersteller davon erfuhr. Unklar ist, ob auch andere US-Teilstreitkräfte an der Piraterie beteiligt waren.
Piraterie from Outer Space
Der Fall wird noch komplizierter. Die US-Marine lizenzierte die Software – allerdings nicht über Bitmanagement. Sondern über einen kalifornischen Einkäufer von 3D- und Virtualisierungssoftware, Planet 9 Studios. Nicht zu verwechseln mit dem Trashfilm-Klassiker ähnlichen Namens, in dem Außerirdische durch ein Missverständnis Krieg vom Zaun brechen. Die Marine ging nach eigenen Angaben davon aus, alle Kopien rechtmäßig verwenden zu dürfen. Dem widersprach Bitmanagement: Es habe in die Verhandlungen einbezogen werden müssen. Planet 9 Studios erhält Provisionen für den Verkauf von Software. Das Geld für die Lizenzen müsste also eigentlich an Bitmanagement geflossen sein. Piraterie mit Nutznießer? Ob das der Fall war, hat man bislang nicht herausfinden können.
Jedenfalls forderte Bitmanagement anfangs 596 Millionen Dollar Schadensersatz von der US-Regierung. Das entspricht knapp dem Preis von neun F/A-18-Kampfflugzeugen, die die US-Marine auf ihren Flugzeugträgern einsetzt. Ab und zu kommt es auf allen sieben Weltmeeren vor, dass der Wind sie von Bord schubst.
US-Regierung: Piraterie war doch legal, illegal, scheißegal
2016 bekannte sich die US-Regierung als Rechtsvertreterin der Marine Flagge. Sie gab die dreiste Raubkopiererei vor Gericht zu, hielt aber gleichzeitig dem Hersteller vor, den Kopierschutz selbst entfernt zu haben. Softwarelizenzierung führt durch juristisch schwierige Gewässer: Das Militär sei davon ausgegangen, dass die 38 erhaltenen Lizenzen nicht an Geräte gebunden seien. Deshalb, so argumentiert die Regierung, sei die Anfertigung von Kopien erlaubt gewesen. Es hätten aber nur 38 Kopien gleichzeitig in Benutzung sein dürfen. Gleichzeitig waren die Lizenzen ja angeblich über den Einkäufer legitimiert. Man verstrickt sich in Widersprüche, um eine Zahlung hoher Summen wegen Piraterie zu umschiffen.
Anfang 2021 entschied das Berufungsgericht, dass die US-Regierung als Rechtsvertreterin haftbar ist und die Kopien unlizenziert verwendet hat. Bitmanagement fordert daher Schadensersatz in Höhe von 155 Millionen Dollar. Demzugrunde liegt eine Neuberechnung vor: Von etwa 600.000 Kopien geht das Unternehmen aus. 2015 sei ein Preis von 370 US-Dollar verhandelt worden. Darauf gab Bitmanagement nochmal 30% Rabatt. Bleiben 259 US-Dollar pro Kopie, also 155.400.000 US-Dollar.
Endet die Piraterie-Irrfahrt mit einem Vergleich?
Die US-Regierung versucht, den Preis zu drücken. Sie geht von 579 Installationen aus, die aktiv verwendet worden seien, und setzt einen Preis von jeweils 200 US-Dollar an. Das macht lediglich 115.000 US-Dollar. Ein Schlag ins Gesicht für eine kleine Firma, der wegen Piraterie ein äußerst lukrativer Millionenauftrag entging. In Kürze wird eine Entscheidung des obersten US-Bundesverwaltungsgerichts erwartet – wenn man den Fall nicht vorher außergerichtlich beigelegt. Bleibt die Frage, ob Bitmanagement so einfach die Segel streichen will.
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