Urteil im digitalen Raum: Gaming auf der Anklagebank.
Urteil im digitalen Raum: Gaming auf der Anklagebank.
Bildquelle: ChatGPT

Nintendo vs. EveryGameGuru: Gericht stoppt den selbsternannten Straßenkönig

Im Rechtsfall Nintendo vs. EveryGameGuru gewinnt Big N die Klage gegen EveryGameGuru mit 17.500 Dollar Strafe.

Streamer Jesse „EveryGameGuru“ Keighin prahlte, er „beherrsche die Straßen“. Letztlich jedoch ebnete das Gericht die Straße für Nintendo bis hin zum Sieg. Im Rechtsfall Nintendo vs. EveryGameGuru hat Big N den selbsternannten Straßenkönig mit einer Strafe von 17.500 Dollar Schadensersatz wegen Urheberrechtsverletzung sowie Verstöße gegen den DMCA und einem Streaming-Verbot gestoppt.

Du magst vielleicht einen Konzern führen. Aber ich beherrsche die Straßen.“ Mit diesen Worten versuchte der selbsternannte Gaming-Rebell EveryGameGuru alias Jesse Keighin, den mächtigen Spiele-Giganten Nintendo herauszufordern. Monate später steht fest: Die „Straßen“ sind keine freien Wege mehr, sie führen direkt zu Nintendo.

Wie TorrentFreak berichtete, hat ein US-Bundesgericht in Colorado Nintendo in der Klage gegen den Streamer endgültig Recht gegeben. Keighin muss im Rechtsfall Nintendo vs. EveryGameGuru 17.500 Dollar zahlen und darf künftig weder Nintendo-Spiele streamen noch Emulatoren oder Entschlüsselungstools verbreiten. Doch die Hintergründe des Prozesses zeigen, das dies kein gewöhnlicher Urheberrechtsfall war, sondern ein kalkuliertes Signal an die gesamte Szene.

Der Fall EveryGameGuru: Vom Streamer zum Angeklagten

Als Streaming-Hobby begann alles, mit einem Gerichtsurteil endete es. Nintendo verklagte den US-Streamer Jesse Keighin, bekannt als EveryGameGuru, weil er mehr als 50 Mal unveröffentlichte Nintendo-Spiele gestreamt hatte, darunter The Legend of Zelda: Echoes of Wisdom, Super Mario Party Jamboree und Mario & Luigi: Brothership.

Möglich wurde das durch Emulatoren wie Yuzu und Ryujinx, die den Kopierschutz der Switch umgehen. Keighin soll nicht nur ROMs gespielt, sondern auch Entschlüsselungscodes (prod.keys) und Links zu Emulatoren öffentlich geteilt haben und so direkt zur Umgehung des Nintendo-Kopierschutzes beigetragen haben.

Nintendo vs. EveryGameGuru: Gericht stoppt den selbsternannten Straßenkönig
Nintendo vs. EveryGameGuru: Gericht stoppt den selbsternannten Straßenkönig

„Ich habe tausend Burner-Kanäle“ – Provokation statt Einsicht

Während andere Streamer nach einer Abmahnung leiser treten, drehte EveryGameGuru erst richtig auf. Nachdem Nintendo seine ersten Streams per DMCA-Takedown von Plattformen wie YouTube und Twitch entfernen ließ, reagierte Keighin nicht mit Einsicht, sondern mit blanker Provokation. In einer Mail an Nintendos Rechtsabteilung prahlte er:

„Ich habe tausend Burner-Kanäle. Wir können das den ganzen Tag machen.“

Auch in sozialen Netzwerken zeigte er keine Spur von Reue. In einem Facebook-Post schrieb er an Nintendo direkt:

„Ihr hättet euch besser informieren sollen. Ihr führt vielleicht einen Konzern – ich beherrsche die Straßen.“

Er erklärte offen, er werde weiterhin auf alternativen Plattformen wie Loco.gg oder Dlive streamen, sollte man ihn sperren. Selbst nachdem seine YouTube- und Twitch-Kanäle gelöscht wurden, tauchte er immer wieder mit neuen Accounts auf. Keighin führte damit seinen ganz eigenen Krieg gegen Big N, bewaffnet mit Emulatoren, ROMs und einem Ego, das offenbar größer war als sein Urteilsvermögen.

Nintendo vs. EveryGameGuru: Beweise vernichtet, Familie kontaktiert

Als Nintendo juristisch nachlegte, begann das Katz-und-Maus-Spiel auch außerhalb des Netzes. Laut Gerichtsdokumenten versuchte der Konzern wochenlang vergeblich, Keighin persönlich die Klageschrift zuzustellen. Vom Gericht beauftragte Zusteller standen mehrfach vor verschlossenen Türen. Schließlich durfte Nintendo die Klage über E-Mail und an die Adressen seiner Mutter, Großmutter und Partnerin zustellen lassen.

Richter Scott T. Varholak bezeichnete die Zustellung später als „außergewöhnlich schwierig“. Keighin habe Beweise gelöscht und Zustellungen aktiv verhindert. Schließlich genehmigte das Gericht eine Ersatz-Zustellung per E-Mail und Post an seine Angehörigen. Selbst in dieser Phase spottete der Streamer weiter:

„Sollten sie mich finden, geh’ ich einfach in die Insolvenz.“

Seine Online-Kommentare wurden Teil der Beweisführung. Sie dokumentierten, dass er den Prozess kannte, ihn aber bewusst ignorierte.

Nintendos Ziel: Abschreckung statt Millionen

Trotz der klaren Beweislage forderte Nintendo keine astronomische Summe. Statt der möglichen Millionenstrafe beantragte der Konzern „nur“ 17.500 Dollar als einem symbolischen Betrag im Vergleich zu den theoretisch möglichen Schadenssummen. Juristisch ging es Nintendo weniger ums Geld als um ein Signal. Wer Emulatoren nutzt, ROMs teilt oder vorab geleakte Switch-Spiele streamt, riskiert, direkt vor Gericht zu landen.

Das Urteil enthält deshalb nicht nur die Schadenszahlung, sondern auch ein dauerhaftes Streaming-Verbot für Keighin. Er darf künftig keine Nintendo-Spiele mehr zeigen, keine Emulatoren oder Entschlüsselungstools verbreiten und keine Inhalte teilen, die den technischen Kopierschutz der Switch umgehen.

Von der Konsole in den Gerichtssaal: Ein Symbolbild für Nintendos Feldzug gegen Streamer und Emulatoren.
Von der Konsole in den Gerichtssaal: Ein Symbolbild für Nintendos Feldzug gegen Streamer und Emulatoren.

Das Ende des „Straßenkönigs“

Für den selbsternannten Rebell ist das Urteil das Ende eines Feldzugs, den er selbst gestartet hat. Die „Straßen“, die er einst zu beherrschen glaubte, führen heute direkt zurück zu Nintendo. Ein Gerichtssieg, der weniger juristisch als symbolisch wirkt. Big N hat damit erneut bewiesen, dass man sich mit ihm als Hüter des Urheberrechts besser nicht anlegt.

Wenn das Gesetz den Controller übernimmt

Am 29. Oktober 2025 bestätigte Bezirksrichter Gordon P. Gallagher das Urteil. Damit ist das Verfahren abgeschlossen. Nach dem Yuzu-Vergleich über 2,4 Millionen Dollar Anfang 2024 und der Klageserie gegen ROM-Seiten und Reddit-Moderatoren zeigt der Konzern erneut, dass er hart gegen Verstöße vorgeht. Selbst kleine Fische, die öffentlich provozieren, sind nicht sicher. Big N ging es weniger darum, nur 17.500 Dollar einzutreiben, sondern um Kontrolle und Abschreckung zu demonstrieren.

Der Fall Nintendo vs. EveryGameGuru kann als Testballon für den juristischen Umgang mit Emulatoren, ROMs und digitaler Grauzone gelten. Nintendo weiß genau, dass in der Community viele dieselben Tools nutzen, aber das Unternehmen wählt seine Gegner mit Bedacht wie auffällige, provozierende Einzelpersonen, an denen sich ein Exempel statuieren lässt.

Dabei zeigt sich erneut, dass sich zwischen Fair Use, Homebrew-Szene und Piraterie im US-Recht kaum ein Spielraum ergibt. Nintendo sieht bereits das als Angriff auf die eigene Markenmacht, was für viele Gamer ein technisches Hobby oder Fanprojekt ist. Und so bleibt vom „Straßenkönig“ EveryGameGuru am Ende wenig mehr als ein warnendes Beispiel. Wer mit Emulatoren auf Beutezug geht, spielt nicht mehr, er zockt gegen das System selbst.

Nintendo hat die Straßen somit nicht nur zurückerobert, sondern sie gleich asphaltiert. Wer jetzt noch glaubt, man könne Big N mit einem Emulator austricksen, ignoriert das Urteil von Colorado auf eigene Gefahr.

(*) Alle mit einem Stern gekennzeichneten Links sind Affiliate-Links. Wenn Du über diese Links Produkte oder Abonnements kaufst, erhält Tarnkappe.info eine kleine Provision. Dir entstehen keine zusätzlichen Kosten. Wenn Du die Redaktion anderweitig finanziell unterstützen möchtest, schau doch mal auf unserer Spendenseite oder in unserem Online-Shop vorbei.

Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.