Flutlicht auf dem Rasen, Totenkopf im Stream – der Fußball hat ein Piraterieproblem.
Flutlicht auf dem Rasen, Totenkopf im Stream – der Fußball hat ein Piraterieproblem.
Bildquelle: ChatGPT

Illegales Streaming boomt: Millionen Briten schauen Fußball schwarz

Illegales Streaming boomt: 4,7 Mio. Briten streamen Fußball illegal. Fans fordern Ende der 3-Uhr-Sperre und fairere Angebote.

Illegales Streaming boomt trotz Viren, Abmahnungen und Millionen gesperrter Links. Eine aktuelle YouGov-Studie zeigt auf, dass fast fünf Millionen Briten Fußball illegal streamen. Immer mehr Fußball-Fans fordern, die 3-Uhr-Sperre endlich zu kippen.

Illegales Streaming boomt: Ein Massenphänomen im Schatten des Stadions

Der PodcastDie Untergrundwelt des illegalen Streamings“ von The Athletic enthüllt, wie rasant die illegale Übertragung von Fußballspielen im Vereinigten Königreich wächst. Laut einer exklusiv im Rahmen der Audio-Dokumentation in Auftrag gegebenen Umfrage bei YouGov Sport, konsumierten in den letzten sechs Monaten bis Oktober 2025 rund 4,7 Millionen Erwachsene in Großbritannien Sport über illegale Streams. Das entspricht neun Prozent der Bevölkerung.

Die Ergebnisse stellen einen Anstieg um etwa 200.000 Personen im Vergleich zur letzten Umfrage vor zwei Jahren dar, als 8,7 Prozent der Befragten den Konsum illegaler Streams zugaben. Trotz Strafverfolgung und technischer Gegenmaßnahmen hat die digitale Piraterie im Sport also weiter zugenommen. Die Dunkelziffer dürfte erheblich höher liegen. Weitere 9,7 Prozent (rund 5 Millionen Menschen) wollten dazu keine Angaben machen. Ein Hinweis darauf, dass das tatsächliche Ausmaß weit größer sein dürfte.

Die Daten basieren auf einer repräsentativen Stichprobe von 2.000 Personen. Diese wurden befragt hinsichtlich ihres Konsums illegaler Streaming-Dienste, den verwendeten Geräten und der Besorgnis wegen Cyberkriminalität und Datendiebstahl.

Fußball dominiert den Schwarzmarkt

78 Prozent der Befragten gaben an, vor allem Fußball zu schauen, weit vor Boxen (31 Prozent) oder anderen Sportarten wie Formel 1. Die Zahlen zeigen deutlich, dass die Premier League das Hauptziel der Piraten ist. Kieron Sharp, Vorsitzender der Federation Against Copyright Theft (FACT), einer der vielen Interviewpartner im Podcast, erklärte:

„Es ist sehr schwierig, das volle Ausmaß illegalen Streamings zu erfassen. Wir haben eine Vorstellung und wissen, wo wir suchen müssen, aber das tatsächliche Ausmaß des Problems in seiner Gesamtheit können wir nie mit absoluter Sicherheit bestimmen.“

Allein die Premier League ließ in der vergangenen Saison mehr als 660.000 illegale Streams sperren oder löschen ohne den Boom aufhalten zu können.

Firesticks, VPNs und dubiose Seiten – illegales Streaming im Überblick

Laut der Studie dominieren nicht autorisierte Websites (42 %), gefolgt von Firesticks und ähnlichen Geräten (31 %). 20 Prozent nutzen Social Media, 16 Prozent verfolgen Streams in Pubs und Bars und 15 Prozent nutzen VPN-Dienste, um regionale Sperren zu umgehen.

Das Risiko dabei ist jedoch real. Angaben von Crimestoppers zufolge wurden 2024 rund fünf Millionen Briten Opfer von Viren, Betrug oder Datendiebstahl, nachdem sie illegale Streams genutzt hatten. Trotzdem geben zwei Drittel der Befragten an, keine Angst vor Cybercrime zu haben. Jonathan Licht, Sportchef von Sky, warnt gemäß The Athletic, dem Sportjournalismus-Portal der New York Times, entsprechend bei einer Saisonauftaktveranstaltung im August:

Es besteht die ernsthafte Sorge, dass es trotz der Illegalität und der Verbindungen zum organisierten Verbrechen in gewisser Weise normalisiert wurde“, sagte Jonathan Licht, Sportchef von Sky, „Das ist gefährlich für alle – und für die Branche gleichermaßen.

Illegales Streaming boomt: Millionen Briten schauen Fußball schwarz
Illegales Streaming boomt: Millionen Briten schauen Fußball schwarz

Die 3-Uhr-Sperre: Relikt oder Brandbeschleuniger der Piraterie?

Ein entscheidender Faktor für den Boom von illegalem Streaming ist auch die sogenannte 3-Uhr-Sperre. In Großbritannien dürfen Fußballspiele zwischen 14:45 und 17:15 Uhr nicht live im Fernsehen übertragen werden. Die Übertragungssperre, eingeführt in den 1960er-Jahren zum Schutz kleinerer Vereine und seit den 1980ern fester Bestandteil des britischen Fußballs, führt dazu, dass Spiele am Samstag um 15 Uhr nicht legal im Fernsehen zu sehen sind. Wer sie trotzdem sehen will, muss entweder vor Ort sein oder auf illegale Angebote zurückgreifen.

Die Verantwortlichen im englischen Fußball befürchteten, dass Fernsehübertragungen von Spielen der großen Clubs, etwa von Manchester United, Liverpool oder Arsenal, die Zuschauerzahlen in den unteren Ligen massiv schmälern könnten. Wenn Fans die Spiele der Top-Clubs live im Fernsehen sehen können, bleiben sie lieber zu Hause, statt zu den Spielen ihrer lokalen, kleineren Vereine zu gehen.

Aktuell sorgt die Übertragungssperre vor allem für Frust. 57 Prozent der Fans fordern laut YouGov deren Abschaffung, ein Anstieg um fünf Prozentpunkte gegenüber 2023. Nur noch ein Viertel will an dem Verbot festhalten. FSA-Vorsitzender Tom Greatrex legte dar:

„Die Football Supporters‘ Association (FSA) vertritt im Namen der Stadionbesucher seit Langem die Position, dass die Sperre um 15 Uhr gerechtfertigt ist. Es ist aber auch so, dass es vielen Fans, insbesondere Anhänger größerer Vereine, unter Umständen schwerfällt, selbst zu den Spielen zu gelangen.“

Abo-Flut treibt Fans zu Piratenplattformen

Nach Ansicht von Tom Greatrex treibt die Abo-Flut viele Fans direkt in die Arme der Piraten. Wer in Großbritannien alle Premier-League-Spiele sehen will, braucht Sky, TNT Sports sowie Amazon Prime und zahlt dafür Summen, die längst jede Schmerzgrenze überschreiten. „Die Abo-Preise sind unerschwinglich geworden“, so Greatrex. „Du schaust ja auch nicht eine Folge Breaking Bad auf Netflix und die nächste auf Prime“, kritisiert er. Für viele bleibt da nur die inoffizielle Alternative des illegalen Streams.

Unter Fans kursiert inzwischen der Begriff „Premflix“, ein hypothetischer, einheitlicher Streaming-Dienst der Premier League. Gemeint ist ein zentrales Modell, bei dem die Premier League alle Übertragungsrechte bündelt und die Spiele nach Netflix-Vorbild direkt an die Zuschauer streamt. Ein solches System könnte theoretisch den Flickenteppich aus Sky, TNT Sports und Amazon Prime ablösen und damit möglicherweise auch die Piraterie eindämmen.

Legalität hinkt der Realität hinterher

Illegales Streaming boomt, weil das legale Angebot scheitert. Es ist zu teuer, zu unübersichtlich, zu restriktiv. Die Zuschauer nehmen den einfacheren, kostenlosen Abzweig in die Illegalität. Selbst wenn sie wissen, dass sie sich damit auf dünnem Eis bewegen. Die Branche steht damit vor einem Wendepunkt. Setzt sie weiter auf Sperren und Strafen oder schafft sie zeitnah attraktive, faire und zentrale Streaming-Alternativen?

Zudem ist das jahrzehntealte 3-Uhr-Blackout zum Sinnbild dieser Schieflage geworden. Die Nachfrage nach Fußball ist größer als je zuvor, allerdings stammen die Vertriebsmodelle aus einer anderen Zeit. Damit ist es vielleicht gar nicht mehr der Pirat, der das System austrickst, sondern das System selbst, das die Piraterie am Leben hält.

Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.