Sperren statt Streamen – Amazons Fire TV-Stick bekommt digitale Handschellen.
Sperren statt Streamen – Amazons Fire TV-Stick bekommt digitale Handschellen.
Bildquelle: ChatGPT

Amazon sperrt Sideloading: Fire TV-Sticks blockieren illegale Streaming-Apps weltweit

Amazon sperrt Sideloading auf Fire TV-Sticks: Illegale Streaming-Apps sollen selbst mit VPNs nicht mehr funktionieren.

Amazon sperrt Sideloading auf Fire TV-Sticks und macht damit Schluss mit Piraterie-Apps. Im Zuge einer globalen Anti-Piraterie-Kampagne blockiert der Konzern nun alle Anwendungen, die nicht aus dem offiziellen Appstore stammen. Damit wird es Millionen Nutzern unmöglich, illegale Streaming-Apps oder alternative Software zu installieren. Das vormals offene System für Bastler verwandelt sich damit in eine geschlossene Blackbox, gesteuert von Amazons Sicherheitsarchitektur. Und die Maßnahme greift weltweit, vom Wohnzimmer in Hamburg bis nach Los Angeles.

Amazon blockiert illegale Streaming-Apps auf Fire TV-Sticks

Wie The Sun berichtet, hat Amazon am 31. Oktober 2025 eine globale Sperre aktiviert, die Fire TV-Sticks dazu bringt, bestimmte Apps auf Geräteebene zu blockieren. Betroffen sind vor allem jene Anwendungen, die Zugang zu urheberrechtlich geschütztem Material ermöglichen, also klassische Piraterie-Apps.

Damit geht Amazon über die bisherige Politik hinaus. Statt nur verdächtige Programme aus dem Appstore zu entfernen, greift der Konzern nun direkt auf dem Gerät ein. Zwar hat der Konzern auch in der Vergangenheit immer wieder Apps wegen Urheberrechts- oder Sicherheitsbedenken verbannt, etwa Streaming-Tools wie Flix Vision, Live NetTV, Ocean Streamz oder Blink Streamz, die nach Medienberichten von TorrentFreak sogar remote deaktiviert wurden. Doch bislang handelte es sich dabei vor allem um punktuelle Eingriffe, also einzelne App-Entfernungen oder Blacklist-Maßnahmen innerhalb des Fire-TV-Ökosystems.

Mit der neuen Sperre ändert sich das grundlegend. Selbst wer eine App manuell installiert (sideloaded), wird sie künftig nicht mehr starten können. Amazon verlagert die Kontrolle damit endgültig von der Plattform- auf die Geräteebene. Ein Schritt, der technisch weitreichender ist als jede Appstore-Löschung zuvor.

Unterstützt wird der Konzern dabei von der Alliance for Creativity and Entertainment (ACE), einem globalen Anti-Piraterie-Bündnis, dem unter anderem Netflix, Disney, Warner Bros. Discovery und Sky angehören. Gemeinsam wollen die Partner verhindern, dass Nutzer über modifizierte Fire TV-Sticks Zugang zu Premium-Inhalten wie Live-Sport, Kinofilmen und Serien erhalten. Ein Amazon-Sprecher erklärte gegenüber The Sun:

„Piraterie ist illegal, und wir haben stets daran gearbeitet, sie aus unserem App Store zu verbannen. Im Rahmen eines erweiterten Programms unter der Leitung der Alliance for Creativity and Entertainment (ACE) werden wir nun Apps blockieren, die nachweislich Zugang zu raubkopierten Inhalten bieten, einschließlich solcher, die außerhalb unseres App Stores heruntergeladen wurden.“

Dabei sind auch VPN-Nutzer sind nicht mehr sicher vor der Maßnahme. Selbst wenn die IP-Adresse verschleiert wird, erkennt der Fire TV-Stick die App als „nicht erlaubt“ und blockiert sie konsequent.

Amazon sperrt Sideloading: Fire TV-Sticks blockieren illegale Streaming-Apps weltweit
Amazon sperrt Sideloading: Fire TV-Sticks blockieren illegale Streaming-Apps weltweit

Vega OS: Das Ende des offenen Fire TV-Sticks

Parallel dazu führt Amazon mit dem neuen Fire TV Stick 4K Select ein völlig neues Betriebssystem namens Vega OS ein, das Sideloading vollständig unterbindet. Wie Tarnkappe.info bereits berichtete, basiert Vega OS auf Linux, im Gegensatz zum bisherigen Android-basierten Fire OS. Damit kann das System technisch verhindern, dass Nutzer eigene oder modifizierte Apps installieren. Ein Amazon-Sprecher erklärte gegenüber CordBusters:

„Vega OS wurde so konzipiert, dass es keine sideloaded Apps ausführen kann.“

VPN-Apps wie NordVPN oder Surfshark fehlen zum Marktstart des neuen Fire TV Stick 4K Select komplett. Laut Amazon liege das an „Sicherheitsgründen“. Das neue Betriebssystem Vega OS erlaubt zum Start im Oktober 2025 keine Installation externer Netzwerk-Tools. Erst Ende Oktober soll ein Firmware-Update eingeschränkte VPN-Protokolle unterstützen. Welche Anbieter und Funktionen dann tatsächlich zugelassen werden, bleibt unklar. Sicher ist nur, das offene Android-Fundament ist Geschichte. Amazons Fire-TV-Ökosystem wird zusehends abgeschottet.

Mit dieser Sperre wird deutlich, dass Amazon Sideloading nicht nur aus Anti-Piraterie-Gründen sperrt, sondern auch, um volle Kontrolle über das System zu behalten und sich damit zudem langfristig von Google zu lösen.

Mehr als Anti-Piraterie: Amazons Griff nach der Systemkontrolle

Hinter dem Schritt steckt die Alliance for Creativity and Entertainment (ACE), ein mächtiges Bündnis großer Studios und Rechteinhaber. Die Allianz kämpft seit Jahren gegen IPTV-Piraterie, bei der modifizierte Fire TV-Sticks mit vorinstallierten Apps illegal Premium-Inhalte streamen.

Diese „Jailbreak-Sticks“ werden laut einem Bericht der The Sun auf Online-Marktplätzen zwischen rund 50 und 85 Euro (umgerechnet aus Pfund) gehandelt. Sie bieten vollen Zugriff auf Live-Sport, Pay-TV-Sender und aktuelle Kinofilme, alles ohne Abo.

Mit der Sperre will Amazon einerseits sein Image als Piraterie-Plattform loswerden, andererseits den Druck der Rechteinhaber mindern. Sky-Manager haben den Konzern in Großbritannien bereits öffentlich kritisiert, er tue nicht genug gegen illegale Streams über Fire Sticks, die ‚probably about half of the piracy’ ausmachen.

Doch zwischen den Zeilen geht es um mehr als nur Urheberrechte. Amazons neue Sperrpolitik läutet den Übergang von einem halb-offenen System zu einem streng kontrollierten Streaming-Ökosystem ein. Die neue Strategie deutet darauf hin, dass der Konzern zunehmend Kontrolle über Software, Datenströme und den Nutzerzugang anstrebt.

Kollateralschaden: VPN-Blockade von Amazon trifft auch legale Nutzer

Dass Amazon Sideloading sperrt, betrifft nicht nur Piraten. Auch Nutzer, die VPN-Apps aus legitimen Gründen einsetzen, etwa zum Schutz der Privatsphäre oder für Auslandssender, schauen in die Röhre.

Zum Start von Vega OS sind VPN-Apps nicht verfügbar, und es ist unklar, ob sie später mit voller Funktionalität zurückkehren. Damit schneidet Amazon vielen Anwendern unter dem Deckmantel der „Sicherheit“ die digitale Selbstbestimmung ab.

Piraterie als Symptom steigender Kosten

Dass Piraterie boomt, überrascht kaum. Laut einer YouGov-Umfrage aus dem Jahr 2023 gaben rund 25 Prozent der Briten an, aus Kostengründen schon einmal auf illegale Streaming-Angebote zurückgegriffen zu haben. Zudem gestand jeder Zehnte (10 %), in den vergangenen sechs Monaten eine illegale Sportübertragung gesehen zu haben. Tech-Analyst Paolo Pescatore von PP Foresight sieht den Grund in steigenden Abopreisen:

„Die Verbraucher sind gezwungen, immer höhere Abonnementgebühren zu zahlen, um Inhalte anzusehen. Die Sender geben immer mehr Geld aus, um sich die Rechte für Live-Sportübertragungen zu sichern, und geben diese Kosten an die Verbraucher weiter, die sich diese nicht leisten können.“

Mit anderen Worten züchtet die Industrie ihre eigenen Piraten.

Gefahren: Malware, Spionage und Datenklau

Neben rechtlichen Risiken warnen Experten wie BeStreamWise und CyberSmart vor den Gefahren modifizierter Fire Sticks. Illegale Apps können Schadsoftware enthalten, die persönliche Daten ausspäht oder Geräte fernsteuert. Jamie Akhtar von CyberSmart weist darauf hin:

„Dodgy Fire Sticks werden oft mit Software von Drittanbietern und inoffiziellen Apps modifiziert, denen die strengen Sicherheitsmaßnahmen legitimer Plattformen fehlen“.

Die vermeintliche Ersparnis kann so schnell zum Sicherheitsalbtraum werden.

Amazon sperrt Sideloading: Kontrolle statt Freiheit

Amazon verkauft die Sperrung als Maßnahme gegen Malware und Piraterie. Zugleich bedeutet sie das Ende der Bastel-Ära. Wer seinen Fire TV-Stick bisher gern individualisiert hat, muss sich nun Amazons Regeln beugen. Amazon sperrt mit Sideloading auch ein Stück digitaler Freiheit. Was bleibt, ist ein geschlossenes System, das zwar sicherer, aber auch uniformer und weniger frei ist. Und für viele in der Szene ist klar: Das ist erst der Anfang.

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Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.