Dänemark plant ein neues Anti-Piraterie-Gesetz. VPN-Nutzung rückt in den Fokus – Datenschützer äußern Bedenken.
Die dänische Regierung plant mit VPNs im Visier tiefgreifende Änderungen im Urheberrecht und der Rundfunkgesetzgebung. Ein Gesetzesentwurf aus dem Kulturministerium will Online-Piraterie künftig „technologieneutral“ bekämpfen. In der Begründung heißt es, die bestehenden Regeln seien nicht mehr geeignet, um gegen illegale IPTV-Angebote sowie gegen urheberrechtswidrige Handlungen vorzugehen, die unter Nutzung von VPN-Diensten erfolgen. Ist diese Maßnahme ein notwendiger Schritt im Kampf gegen Piraterie oder ein gefährlicher Eingriff in die digitale Freiheit? Ein Blick auf die geplanten Änderungen zeigt, warum die Debatte so emotional geführt wird.
Ausgerechnet Dänemark, das sich selbst als Land digitaler Innovationen versteht, bringt damit ein Gesetz auf den Weg, das VPNs* und vergleichbare Technologien als Mittel zur Umgehung von Geoblocking und illegalen Streaming-Angeboten deutlich stärker regulieren soll. Während die Regierung betont, dass es sich nicht um ein Verbot von VPNs handelt, sondern um eine zeitgemäße Anpassung bestehender Regeln, sehen Kritiker darin den Beginn eines Trends hin zu mehr Kontrolle und weniger Freiheit im Netz.
Hintergrund der Gesetzesänderungen
Als zentraler Bestandteil des Entwurfs will man § 91 komplett neu fassen. Dänemarks Kulturminister Jakob Engel-Schmidt hat die geplanten Änderungen als eine Anpassung an die aktuellen Herausforderungen der digitalen Piraterie bezeichnet. Man will damit illegale Streamingdienste und VPNs, die gezielt zur Umgehung von Zugangsbeschränkungen eingesetzt werden, stärker bekämpfen. Ursprünglich als technische Maßnahme gegen die Umgehung von Geoblocking und illegalen IPTV-Diensten gedacht, könnte sich als weitreichender Eingriff in den Datenschutz herausstellen.
Der Gesetzesentwurf steht derzeit vom 10. Dezember 2025 bis 9. Januar 2026 zur öffentlichen Anhörung. Er sieht vor, dass entsprechende technische Lösungen auch im privaten Bereich erfasst werden, sofern User sie gezielt zum unautorisierten Zugriff auf geschützte Inhalte einsetzen. Das betrifft nicht nur illegale IPTV-Dienste, sondern auch das Umgehen von geoblockten Streaming-Angeboten wie Netflix, Disney+ oder Sport-Streamingdiensten.
Hintergrund ist die Einschätzung des Ministeriums, dass klassische gesetzliche Regelungen aus der Ära von Piratendekodern und illegalen Smartcards den heutigen Formen der Online-Piraterie nicht mehr gerecht werden. Statt physischer Hardware dominieren inzwischen Softwarelösungen, Apps, IPTV-Plattformen und technische Umgehungstricks.
VPNs im Visier: Ausweitung des Anwendungsbereichs auch auf Endnutzer
Konkret soll der Entwurf nicht nur Entwickler und Anbieter entsprechender technischer Lösungen erfassen, sondern ausdrücklich auch Handlungen von Endnutzern. Gemeint ist dabei nicht die bloße Nutzung von VPN-Diensten* an sich, sondern deren gezielter Einsatz zum Zweck des unautorisierten Zugriffs auf urheberrechtlich geschützte Inhalte. Das Verbot soll nach dem Willen des Gesetzgebers sowohl im gewerblichen als auch im privaten Bereich gelten.
Eine Klarstellung, die vor allem darauf abzielt, Online-Piraterie nicht länger nur als Anbieterproblem zu behandeln, sondern auch die Nachfrage-Seite in die Verantwortung zu nehmen. Gemeint sind Nutzer, die bewusst technische Hilfsmittel einsetzen, um Bezahlschranken, Geoblocking oder gerichtliche Sperren zu umgehen. Zusätzlich soll ein eigener Absatz eingeführt werden, der Werbung/Marketing für solche Tools untersagt.
Gefahren der technologieneutralen Gesetzgebung
Ein weiterer umstrittener Punkt ist die „technologieneutrale“ Ausrichtung des Gesetzes. Diese Formulierung soll sicherstellen, dass das Gesetz nicht schon bei seinem Inkrafttreten veraltet ist und auch künftige technische Entwicklungen erfassen kann. Kritiker warnen jedoch, dass diese Offenheit zugleich das größte Risiko darstellt. Je weiter der Gesetzesrahmen gefasst ist, desto größer ist der Spielraum für Auslegung. Das wirft Fragen auf, wie flexibel und anpassungsfähig solche Regelungen wirklich sein können und ob sie nicht als Schablone für zukünftige Zensurmaßnahmen missbraucht werden könnten.
„Die Regeln sind in ihrer jetzigen Form nicht geeignet, um etwa die illegale Nutzung von VPN-Verbindungen für urheberrechtswidrige Zwecke zu bekämpfen“, so das Ministerium in der Entwurfsbegründung. Die Lösung bestünde in einer technologischen Neuausrichtung. Diese würde alle Arten von digitalen Zugangs- und Umgehungstechniken abdecken, die in Zukunft auftauchen könnten.
Juristen und Digitalrechtsorganisationen bemängeln zudem, dass der Entwurf nicht sauber zwischen klaren Urheberrechtsverstößen und bloßen Vertrags- oder AGB-Verletzungen unterscheidet. Wer etwa mit einem VPN auf einen ausländischen Streamingdienst zugreift, handelt in der Regel nicht strafbar, verstößt aber gegen Nutzungsbedingungen. Ob und wie solche Fälle künftig rechtlich eingeordnet würden, bleibt offen.
Kein VPN-Verbot, aber Zweifel bleiben
Die dänische Regierung weist den Vorwurf eines VPN-Verbots entschieden zurück. Doch gerade weil VPNs* im Visier eines „technologieneutralen“ Gesetzes stehen, bleibt offen, wie eng oder weit die Regelung künftig ausgelegt wird und ob am Ende nicht weniger die Piraten, sondern vor allem ganz normale Nutzer und Anbieter von Privacy-Technologien unter Druck geraten. Fehlende Antworten auf Fragen zur konkreten Durchsetzung verstärken diese Unsicherheit zusätzlich.
Verstöße gegen die geplante Regelung sollen mit einer Geldstrafe geahndet werden. Sollte das Gesetz verabschiedet werden, ist sein Inkrafttreten für den 1. Juli des kommenden Jahres vorgesehen.
The Register beschreibt den Vorstoß als Kampf gegen „VPN-enabled piracy“. Der Autor betont aber auch, dass man im Entwurf selbst nicht erklärt, wie das praktisch durchzusetzen sei. Wie will man auch beweisen, ob ein VPN gerade „privatsphärefreundlich“ genutzt wird oder als Werkzeug für „unautorisierten Zugang“? Der Entwurf setzt auf Zweckformeln. Die Realität ist jedoch komplexer. Nutzer verfügen beispielsweise über ein legales Abonnement, greifen aber aus einer nicht vorgesehenen Region zu. Andernfalls rufen sie über technische Umgehungen gerichtlich gesperrte Websites auf, ohne sich selbst als klassische „Piraten“ zu verstehen. Damit sind wir nicht mehr im klaren Anti-Piraterie-Land, sondern in Auslegungskämpfen.
Am Ende könnte ein Gesetz, das eigentlich gezielt gegen organisierte Piraterie gerichtet ist, vor allem eine schleichende Verunsicherung ganz normaler Nutzer, wie auf Reddit bereits diskutiert, bewirken. Zudem hätte es zunehmenden Druck auf Anbieter von Privacy- und Sicherheitslösungen zur Folge. Der Kampf gegen Piraterie mag legitim sein. Ob der gewählte Weg die digitale Freiheit schützt oder untergräbt, wird sich erst zeigen, wenn aus dem Entwurf geltendes Recht wird.
VPNs im Visier: Ein notwendiger Schritt oder ein Schritt zu weit?
Die dänische Regierung hat zwar betont, dass sie keinesfalls VPNs verbieten möchte. Aber die breite Formulierung des Gesetzes könnte es in Zukunft ermöglichen, noch weitreichendere Einschränkungen zu erlassen. Datenschützer befürchten, dass diese Änderungen als Präzedenzfall für weitere Eingriffe in die digitale Privatsphäre dienen könnten. Langfristig könnten sie die Freiheit der Internetnutzung in Frage stellen.
Jesper Lund, Vorsitzender der IT Political Association und Mitglied der europäischen Organisation für digitale Rechte EDRi (European Digital Rights), äußerte sich gemäß DR.dk:
„Es hat etwas Totalitäres an sich. Mir ist kein anderes Land bekannt, das die Nutzung von VPN-Diensten zum Zugriff auf gesperrte Websites direkt verbieten wollte.“
Datenschutz– und Freiheitsaktivisten wie die Electronic Frontier Foundation (EFF), eine international anerkannte Organisation, die sich für digitale Bürgerrechte, Privatsphäre und freie Meinungsäußerung im Internet einsetzt, warnen regelmäßig davor, dass übermäßig weit gefasste oder technologieneutrale Regulierungen die digitale Freiheit der Nutzer gefährden könnten. Die EFF arbeitet weltweit daran, das offene Internet und Nutzerrechte gegen staatliche Kontrolle zu verteidigen. VPNs sind nicht nur ein Werkzeug für illegale Aktivitäten. Sie sind auch ein wichtiges Mittel zur Wahrung der Privatsphäre und zur Umgehung von Zensur im Netz.
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