Sky Betrug in Bayern: Ein Seniorenpaar aus Deggendorf soll mit manipulierten ‚Russen-Receivern‘ Sky um 4,4 Mio. Euro geschädigt haben.
Illegales Pay-TV hat viele Gesichter. Dieses Mal agierten nicht die „üblichen Verdächtigen“ aus einschlägigen Card-Sharing-Foren oder dubiosen Online-Shops, sondern ein unscheinbares Rentnerpaar aus Niederbayern, Deggendorf. Wegen Sky Betrugs im XXL-Format stehen aktuell ein 68-jähriger Elektromechaniker und seine 70-jährige Frau in Landshut vor dem Landgericht. Mit manipulierten ‚Russen-Receivern‘ soll das Paar über fünf Jahre hinweg tausende Kunden versorgt und Millionen-Schäden verursacht haben. Statt Ruhestand erwartet beide nun ein Mammut-Prozess bezüglich gemeinschaftlich begangenen schweren Computerbetrugs in über viertausend Fällen.
Sky Betrug mit ‚Russen-Receivern‘
Wie die Süddeutsche Zeitung berichtete, soll das Paar mit ukrainischen Wurzeln zwischen 2014 und 2019 1.755 Receiver des Typs Octagon, auch bekannt unter der Bezeichnung ‚Russen-Receiver‘, in ihrem eigenen kleinen Elektronikladen verkauft haben. Der Stückpreis lag bei 199 Euro.
Zusätzlich kassierten die beiden Tatverdächtigen von ihren Kunden jährlich 50 Euro für den Zugang zu einem Cardsharing-Server in den Niederlanden, über den die verschlüsselten Sky-Signale entschlüsselt und an die Geräte weitergegeben wurden. Damit erhielten die Käufer das volle Sky-Programm, ohne ein offizielles Abo abschließen zu müssen.
Wollten Kunden das Pay-TV-Angebot auch nach Ablauf eines Jahres weiter nutzen, mussten sie mit dem Receiver erneut ins Geschäft kommen und dort für weitere 50 Euro ein Software-Update beauftragen. Gegen einen Aufpreis von 40 Euro ließen sich außerdem Netflix, Amazon Prime, Magenta Sport und internationale Kanäle freischalten, ein echtes All-inclusive-Paket zum Dumpingpreis. Über Mundpropaganda verbreitete sich das Angebot schnell in der Region und lockte so zahlreiche Kunden an.
Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft war der Ehemann für die technische Manipulation der Receiver zuständig. Den eigentlichen Verkauf im Laden, die Erfassung der Kundendaten und das Kassieren der Erlöse habe er gemeinsam mit seiner Frau abgewickelt.
Szene-Flair: Das „All-you-can-watch“-Modell aus dem Hinterhof
Laut Staatsanwaltschaft entstand Sky ein Schaden von 4,426 Millionen Euro. Der offizielle Preis für ein Sky-Abo liegt bei knapp 80 Euro monatlich (960 Euro im Jahr). Während jedoch die Justiz von „schwerem Computerbetrug“ spricht, sehen viele in solchen Receivern ein „Schnäppchen-Angebot“, das nur Insidern bekannt war.
Mit den illegal modifizierten Set-Top-Boxen bekamen Kunden das volle Paket ohne Vertrag, ohne laufende Kosten, dafür mit jährlichem Update beim Händler. Das Ehepaar selbst soll 539.000 Euro eingenommen haben. Genug, um den Lebensunterhalt und ihr Haus zu finanzieren. Doch nun sitzen beide auf der Anklagebank und zeigen, dass das Geschäft mit illegalem Entertainment weder Altersgrenzen noch typische Täterprofile kennt.

Der Prozess: Große Bühne für kleinen Laden
Der Prozess vor dem Landgericht Landshut läuft unter hohem Aufwand. Insgesamt sind 27 Verhandlungstage angesetzt, um die Dimension des Falls aufzuarbeiten. Die Strafkammer ist dafür besonders stark besetzt. Drei Berufsrichter, zwei Schöffen und eine Dolmetscherin begleiten das Verfahren. Geladen sind zahlreiche Zeugen, darunter Ermittler, Kunden und Mitarbeiter von Sky.
Den Angeklagten wird gemeinschaftlicher schwerer Computerbetrug in 4.611 Fällen zur Last gelegt. Die Staatsanwaltschaft fordert zudem die Einziehung von rund einer halben Million Euro, der Summe, die das Ehepaar durch den Verkauf der manipulierten ‚Russen-Receiver‘ verdient haben soll. Taten aus der Zeit vor 2014 können wegen Verjährung nicht mehr verfolgt werden.
Zum Prozessauftakt schweigen beide Angeklagten. Über ihre Anwälte lassen sie lediglich mitteilen, dass sie sich vorläufig nicht äußern werden. Hinter den Kulissen kam es jedoch zu sogenannten Erörterungsgesprächen, in denen zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung mögliche Szenarien, etwa ein Strafrabatt im Falle eines Geständnisses, ausgelotet wurden.
Sky im Kampf gegen Piraterie
Sky will ein klares Signal setzen. Ein Unternehmenssprecher erklärte gegenüber BILD:
„Sky nimmt Piraterie sehr ernst. Wir analysieren systematisch illegale Angebote und initiieren regelmäßig Strafverfahren gegen illegale Anbieter. Wir stellen auch selbst Strafanträge gegen Nutzer.“
Wie hoch der jährliche Gesamtschaden durch Piraterie ist, wollte man nicht beziffern. Fest steht jedoch, dass die Zahl der Ermittlungsverfahren in den letzten Jahren deutlich gestiegen ist.
Fazit: Sky Betrug als Rentenmodell
Der Sky Betrug von Niederbayern zeigt, wie tief Piraterie im Alltag verankert sein kann. Und auch, dass die Täter dabei nicht immer dem typischen Klischee entsprechen müssen. Statt anonyme Hacker stehen hier zwei Rentner aus Deggendorf im Fokus mit einem Geschäftsmodell, das erstaunlich simpel und gleichzeitig hoch lukrativ war. Ob sie am Ende eine milde Strafe erhalten oder ein Exempel statuiert wird, entscheidet sich in den kommenden Monaten. Klar ist auch, dass Sky weiter hart gegen Piraterie vorgehen wird. Ob mit Octagon-Boxen oder neuen Tricks, der Kampf um illegales Pay-TV bleibt für den Bezahlsender ein endloses Katz-und-Maus-Spiel, das er wohl nie endgültig gewinnen wird.