Geringere Kinopreise senken Piraterie nicht
Geringere Kinopreise senken Piraterie nicht
Bildquelle: Sora ChatGPT

Geringe Kinopreise senken Piraterie nicht

Eine aktuelle Studie fand heraus, geringere Kinopreise senken die Piraterie nicht, sondern reduzieren im Gegensatz sogar den Gewinn.

Egal wie aktiv die ACE ist, es ist klar, die Online-Piraterie wird nicht verschwinden. Von daher ist es für die Branche wichtig zu verstehen, was jemanden dazu bewegt, das Kino einer „kostenlosen“ Piraterie-Option vorzuziehen und umgekehrt. Eine neue Studie versucht sich dieser Aufgabe anzunehmen. Anhand eines strukturellen ökonometrischen Modells, das auf realen Daten aus den Jahren 2014 bis 2019 basiert, versucht sie, die Wahl zwischen Kino und Piraterie in Zahlen auszudrücken. Dabei berücksichtigt man auch die Qualität der Raubkopien, den Preis der Kinokarten und die verfügbare Qualität des Kinoerlebnisses. Die Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, geringere Kinopreise senken die Piraterie nicht. So kann man das Problem nicht in den Griff kriegen.

Die Studie haben Forscher der Carnegie Mellon University, der University of California, Davis, und der Boston University durchgeführt. Sie wird in der Fachzeitschrift „Manufacturing & Service Operations Management” veröffentlicht. Doch eine Vorabversion hat man bereits im Internet veröffentlicht.

Die Forscher nutzten dabei keine Umfragen sondern offizielle Kinokassen-Zahlen, demografische Daten und Piraterie-Daten, die sowohl Quantität als auch Qualität abdecken und zwischen Veröffentlichungen mit geringer Qualität (z. B. Cam-Rip) und hoher Qualität (z. B. HD-Rip) unterscheiden. Durch eine Reihe von Simulationen untersuchten die Forscher, wie man die Piraterie bekämpfen kann und welche Maßnahmen sich als wirkungslos erwiesen haben.

Filmpiraterie daheim
Illegaler Filmkonsum daheim. Geringere Kinopreise senken die Piraterie nicht.

HD-Rips sind eine größere Bedrohung als Cam-Rips

Die Studie bestätigt weitgehend die allgemein vorherrschende Meinung, dass die Qualität der illegalen Angebote eine große Rolle spielt. Sind innerhalb einer Woche nach dem Kinostart eines Films hochwertige Schwarzkopien verfügbar, so führt dies zu einem durchschnittlichen Rückgang der Kinokassenumsätze um 7,9 % in den ersten acht Wochen. Wenn nur Mitschnitte aus dem Kinosaal verfügbar sind, fällt der Rückgang merklich geringer aus. Im Jahr 2023 waren 90% aller Schwarzkopien nach dem Filmstart Cam-Rips.

In der Folge kann man sagen, umso höher das verfügbare illegale Material nach dem Kinostart ist, umso größer werden die dadurch verursachten Verluste sein. Aber gut, das ist eigentlich wenig überraschend, wie es auch die Kollegen von TorrentFreak festgehalten haben. Wer hat schon Lust, auch die Geräusche der Nachbarn zu hören oder die Schatten von Personen mitten im Film zu sehen, die auf dem Weg zur Toilette durchs Bild laufen.

Verluste betreffen weniger die Blockbuster

Interessant ist hingegen die Erkenntnis, dass der Umsatzrückgang durch hochwertiges Material bei Filmen mit geringeren Einspielergebnissen am problematischsten ist. Filme, die zwischen 100 und 200 Millionen Dollar einspielen, müssen einen Umsatzverlust von 9,4 % hinnehmen. Das ist mehr als doppelt so viel wie der Verlust von 4,3 % bei Blockbustern. „Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass hochwertige nicht autorisierte Inhalte die Kreativität in der Filmproduktion der Filmindustrie beeinträchtigen können, da sie kleineren Filmen und Independent-Filmen größeren Schaden zufügen”, heißt es in der Studie.

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Bild: Daniel Lobo, thx! (CC BY 2.0).

Geringere Kinopreise senken die Piraterie nicht

Filesharer führen oft die hohen Kosten als Grund für ihre Piraterie an. Das ist auch bei uns im Forum nicht anders. Daher scheint es logisch, dass niedrigere Preise die Piraterierate senken können. Das haben die Forscher zwar auch festgestellt. Allerdings führen niedrigere Preise letztendlich zu einem Rückgang der Gesamteinnahmen, sodass dies keine Lösung darstellt.

Die Wissenschaftler fanden heraus, dass eine Senkung der Kinokartenpreise um 10 % die Gesamteinnahmen um 4,6 % reduziert, da der Anstieg der Verkaufszahlen den Verlust pro Ticket nicht ausgleicht. Ebenso hatten Bemühungen, die Reisekosten der Kinogänger durch eine Erhöhung der Anzahl der Leinwände zu senken, keine nennenswerten Auswirkungen auf den Ertrag. Wohl aber auf die Kosten, die dabei entstanden sind.

Kinos müssen in ihre Ausstattung investieren

Aufgrund unserer Ergebnisse kommen wir zu dem Schluss, dass Kinos und/oder Studios nicht effektiv gegen „kostenlose“ Angebote konkurrieren können, indem sie die Kosten für den Konsum legaler Inhalte im Kinokanal senken“, schreiben die Forscher. Anstatt über den Preis zu konkurrieren, scheint es für Kinos effektiver zu sein, über die Qualität ihrer Ausstattung zu punkten. So etwa durch Investitionen in bessere Sitze, eine höherwertige audiovisuelle Technologie oder andere Kinoausstattungen.

Wenn die Betreiber bereit sind, zu investieren, soll sich dies laut der Simulationen der Studie für sie rechnen. Auch dann, wenn frühzeitig illegale Mitschnitte in hoher Qualität verfügbar sind. Wer ein besseres Kinoerlebnis anbieten kann, der kann sich sogar gegen illegale Angebote durchsetzen. Geringere Kinopreise senken die Piraterie hingegen nicht. Wer sich die englischsprachige Studie durchlesen möchte, sie ist hier verfügbar.

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Lars Sobiraj

Über

Lars Sobiraj fing im Jahr 2000 an, als Quereinsteiger für verschiedene Computerzeitschriften tätig zu sein. 2006 kamen neben gulli.com noch zahlreiche andere Online-Magazine dazu. Er ist der Gründer von Tarnkappe.info. Früher brachte Ghandy, wie er sich in der Szene nennt, an verschiedenen Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern bei, wie das Internet funktioniert. In seiner Freizeit geht er am liebsten mit seinem Hund spazieren.