Online-Piraterie
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Bildquelle: Sora ChatGPT

Online-Piraterie kann Umsätze an der Kinokasse steigern

Eine neue Studie vergleicht die Auswirkungen der Online-Piraterie hochwertiger Mitschnitte via P2P mit den Verkaufszahlen der Kinokarten.

Eine neue wissenschaftliche Studie kommt zu dem überraschenden Schluss, dass Online-Piraterie die Einnahmen einiger Filme steigern kann. Durch die Analyse jahrelanger Kinokassendaten in Relation mit den Upload-Details von The Pirate Bay fanden Forscher heraus, dass hochwertige Leaks von „Spektakel”-Filmen, wie beispielsweise Marvel-Blockbustern, offenbar die Besucherzahlen in den Kinos erhöhen. Bei „storyorientierten” Filmen ist jedoch das Gegenteil der Fall.

Die Studie von Klaus Ackermann, Wendy A. Bradley und Jack Francis Cameron trägt den Titel: „Avengers versammelt euch! Wenn digitale Piraterie die Nachfrage an den Kinokassen steigert„. In Hollywood herrscht allgemein die Überzeugung, dass Online-Piraterie zu Einnahmeverlusten in Milliardenhöhe führt und überwiegend schädlich ist. Andere Studien zeigten, ausgestoßene Drohungen schrecken die meisten Piraten nicht ab. Auch günstige Kinopreise haben nicht den gewünschten Effekt auf den Gewinn der Filmstudios.

Online-Piraterie kann auch positive Auswirkungen haben

Doch die Piraterie kann auch positive Auswirkungen haben. Eine neue Studie von Forschern der Monash University und der San Jose State University liefert neue Belege dafür. Sie legt nahe, dass Online-Piraterie unter den richtigen Bedingungen die Kinokartenverkäufe steigern kann. Die Studie verwendet einen Datensatz, der die US-Kinokassenumsätze mit dem Zeitpunkt der Veröffentlichung hochwertiger Raubkopien zwischen 2004 und 2020 abgleicht. Die Forscher stellen fest, dass sich in den 16 Jahren die Auswirkungen der Piraterie auf die Kinobesucherzahlen je nach Art des Films stark unterscheiden.

Marvel, Flash

Trennung zwischen „Spektakel“ und „Storyfilme“

Für diese Untersuchung unterscheiden die Forscher zwischen „Spektakel“-Filmen, zu denen atemberaubende visuelle Blockbuster oder Actionfilme gehören, und Filmen mit viel Inhalt, wie Dramen und Komödien. Spektakelfilme definiert man allgemein als Filme, bei denen das Kinoerlebnis das Gesamterlebnis erheblich bereichert. Zum Beispiel durch atemberaubende Bilder, die große Leinwand, 3D oder der beeindruckende Surround-Sound, der daheim nicht in der gleichen Form zur Verfügung steht. Sogenannte „Storyfilme“ hingegen stützen sich eher auf Dialoge, Drehbücher und die dargebotene Schauspielkunst. Dies seien Qualitäten, die auch auf einem Laptop oder Fernseher genossen werden können, hält die Untersuchung fest.

Nach der Kategorisierung der Filme analysierten die Forscher einen Datensatz mit US-Kinoeinspielergebnissen und glichen diese langfristig mit den Upload-Daten des P2P-Indexers The Pirate Bay ab, um zu verfolgen, wann hochwertige Raubkopien online erschienen sind. Da der Zeitpunkt dieser Raubkopienveröffentlichungen immer unterschiedlich und somit beinahe zufällig ist, kann die Forschung effektiv einen kausalen Effekt der Piraterie auf die Kinoeinnahmen in Abhängigkeit mit dem Filmtyp ableiten.

„Hochwertige Piraterie steigert die Kinokassenumsätze“

Diese sehr unterschiedlichen Ergebnisse sind bemerkenswert. Während Online-Piraterie offenbar den Umsatzzahlen von Dramen und Komödien schadet, scheint sie für „Spektakelfilme“ als Werbemittel zu fungieren, das das Publikum ins Kino lockt, anstatt es zu Hause zu halten.

Dieser Effekt ist auch nicht unerheblich. Die Studie schätzt, dass hochwertige Raubkopien die wöchentlichen Kinokassenumsätze für Spektakelfilme um etwa 24,4 % steigern. Bei Spielfilmen kehrt sich der Effekt um, da das Auftauchen eines hochwertigen Mitschnitts zu einem Rückgang der wöchentlichen Kinokassenumsätze um 26,6 % führen.

Marvel’s Guardians of the Galaxy

Unsere Forschung zeigt, dass digitale Piraterie nicht allen Filmen gleichermaßen schadet“, sagt die Mitautorin Wendy Bradley. Bradley ist als Assistenzprofessorin für Management an der San José State University tätig. Sie merkt an, dass Online-Piraterie bei spektakulären Filmen als Anreiz dienen kann, ins Kino zu gehen. Aber eben auch nur bei solchen Filmen.

Das Ansehen einer Raubkopie kann die Menschen davon überzeugen, dass der wahre Wert des Films in dem gemeinsamen Kinoerlebnis liegt und nicht nur in der Geschichte, und sie dazu ermutigen, sich den Film im Kino anzusehen. Im Gegensatz dazu sind storyorientierte Filme anfälliger, da Piraterie ein besserer Ersatz für einen Kinobesuch ist“, sagt Bradley. Dies bestätigt den Hauptautor der Studie, Klaus Ackermann. Er stellt fest, dass manche Filme einfach besser für das heutige Kinoerlebnis geeignet sind.

Eine romantische Komödie oder ein ‚Frauenfilm‘ wie 27 Dresses bietet an sich nur ein begrenztes Kinoerlebnis, während Marvel-Filme eine andere Geschichte sind“, bemerkt Ackermann und fügt hinzu, dass Kinos bereits begonnen haben, darauf zu reagieren, indem sie mehr „Erlebnisse“ und Sonderveranstaltungen anbieten.

piracy, pirat

„Veröffentlichungen in schlechter Qualität beeinträchtigen die Einnahmen“

Wichtig ist, dass die positiven Auswirkungen auf die Kinokassenumsätze nur bei hochwertigen Raubkopien auftreten, darunter BluRay- oder HD-Rips. Die Forscher fanden heraus, dass Versionen in schlechter Qualität, darunter CAM-Rips, die Kinokassenumsätze in allen Genres durchweg beeinträchtigen. Dabei sind die Auswirkungen erheblich. Minderwertige Film-Mitschnitte waren in der Regel mit einem Rückgang der Kinokassenumsätze um 24 % verbunden. Doch andere Studien haben gezeigt, dass vor allem minderwertige CAM-Rips etc. illegal verbreitet werden.

27 Dresses

Auch wenn diese Ergebnisse vielleicht nicht ganz einleuchtend sind, haben die Autoren mehrere andere Erklärungen statistisch ausgeschlossen. Allerdings basiert die Studie auf einem quasi-zufälligen Forschungsdesign, das versucht hat, eine Kausalität zu simulieren. Deshalb sind weitere Untersuchungen nötig, um diese spektakulären Ergebnisse zu wiederholen und vielleicht sogar noch zu erweitern.

Ein struktureller Wandel?

Die Studie legt nahe, dass zukünftige Forschungen auch die Auswirkungen der Piraterie auf legale Streaming-Abonnementdienste wie Netflix oder andere Formen der Unterhaltung, wie beispielsweise Videospiele, berücksichtigen sollten. Für die Filmindustrie kommt die Studie erneut zu dem Schluss, dass die Konzentration auf die Schaffung von Mehrwert der Schlüssel zum Wettbewerb mit der Piraterie ist.

Bradley betont, dass ihre Forschung zeigt, dass Online-Piraterie nicht immer mit strengeren Strafverfolgungsmaßnahmen bekämpft werden muss. Stattdessen sollten sich die Studios darauf konzentrieren, ein besseres Kinoerlebnis zu bieten. Dann dienen hochwertige Piratenveröffentlichungen als Werbung. „Meine Schlussfolgerung für die Studios ist, dass die digitale Piraterie nicht verschwinden wird“, sagt Bradley.

Anstatt sie vor allem mit rechtlichen Mitteln zu bekämpfen, sei es durch Lobbyarbeit für Anti-Piraterie-Maßnahmen oder teure Rechtsstreitigkeiten zum Schutz geistigen Eigentums, können Filmstudios Filme strategisch so konzipieren, bepreisen und veröffentlichen, dass der Wert des Kinoerlebnisses zu Hause schwerer zu reproduzieren ist“, schließt sie.

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Lars Sobiraj

Über

Lars Sobiraj fing im Jahr 2000 an, als Quereinsteiger für verschiedene Computerzeitschriften tätig zu sein. 2006 kamen neben gulli.com noch zahlreiche andere Online-Magazine dazu. Er ist der Gründer von Tarnkappe.info. Früher brachte Ghandy, wie er sich in der Szene nennt, an verschiedenen Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern bei, wie das Internet funktioniert. In seiner Freizeit geht er am liebsten mit seinem Hund spazieren.