Die aktuelle Studie aus Spanien untersuchte die Faktoren, die auf das Nutzungsverhalten von Online-Piraten Einfluss nehmen.
Vor ein paar Tagen erschien unter Anwendung einer CC-Lizenz eine Studie zum Thema Online-Piraten von Ignacio Redondo und Diana Serrano. Sie haben unter anderen untersucht, ob Drohungen von Streaming-Plattformen dabei helfen, aus Online-Piraten wieder zahlende Kunden zu machen.
Auch wenn Werbeagenturen immer behaupten, für Kampagnen großartige Lösungen gefunden zu haben, sind die meisten Anti-Piraterie-Botschaften negativ. Nur wenige Kampagnen erreichen die Öffentlichkeit, ohne zumindest ein Element der Angst zu beinhalten. Bestes Beispiel ist die Kampagne „Raubkopierer sind Verbrecher“, auch unter dem Slogan „Hart aber Gerecht“ bekannt. Dies war eine PR-Kampagne der Zukunft Kino Marketing GmbH, in der eine Mutter mit ihren Kindern vor den Gefängnismauern singt.
Online-Piraten muss man anders bekehren
Die letzten Donnerstag von Forschern der renommierten Autonomen Universität Madrid (la Autónoma) veröffentlichte Studie „Incentivizing SVOD Platform Subscription Intention through Tiered Discounts and Anti-Piracy Messages“ erkennt die Herausforderung an, die von den Online-Piraten ausgeht.
Anstatt sich auf die negativen Aspekte zu konzentrieren, argumentieren die Forscher, muss ein positiverer Ansatz für Anreize sorgen, keine Schwarzkopien zu nutzen. Wichtig sei das Thema Loyalität. Man könne die Beziehungen zu den Kunden beispielsweise dadurch verbessern, indem man gestaffelte Rabatte für die Kunden anbietet, die bereit sind, sich länger als nur für einen Monat zu binden. Leider ist das bei den Streaming-Anbietern hierzulande keine gängige Praxis.
Wirksamkeit und Bedingungen
Im Rahmen einer landesweiten Umfrage nahmen in Spanien 883 Personen teil. Dies waren allesamt Nutzer legaler Streaming-Plattformen, die auch illegale Seiten nutzen. Sie sollten den Wissenschaftlern ihre Absicht mitteilen, unter welchen Voraussetzungen sie bereit wären, eine erfundene neue Plattform namens Flixio gegen Bezahlung zu nutzen.
Mit der Studie verfolgte man zwei Ziele:
- Identifizierung der Bedingungen, unter denen die Absicht, eine Subscription-Video-on-Demand (SVoD-Plattform) zu abonnieren, durch vier Arten von Anreizen. Das war gestaffelte Werbung/Treuerabatte und prosoziale/bedrohliche Anti-Piraterie-Botschaften
- Untersuchung des Ausmaßes, in dem jede Art von Anreiz und die Bewertung der Plattforminhalte vergleichsweise zur Steigerung der Abonnementabsicht beitragen
Wie konnte man die Online-Piraten zu Kunden konvertieren?
Nach Angaben der Studie waren viele Befragte mit Werbung während des Streamings einverstanden, sofern sich dies positiv auf den Abo-Preis auswirkt. Dies stellte ebenfalls die Werbeverweigerer zufrieden, weil sie den vollen Preis zahlten und dafür keine Werbung sahen. Ignacio Redondo und Diana Serrano schlussfolgern daraus, dass man verschiedenen Nutzergruppen unterschiedliche Angebote machen sollte.
Grundsätzlich sollten Streaming-Plattformen nur solche Anzeigen oder Werbespots schalten, die von den Nutzern (in Tests) positiv bewertet werden. Wer es mag, zahlt weniger, muss dann aber die Werbung über sich ergehen lassen. Bei der Gruppe der Werbeverweigerer zeigte sich hingegen eine große Akzeptanz für höhere Preise.
Loyalen Kunden, die zu einer längerfristigen Bindung bereit sind, sollte man ebenfalls einen Preisnachlass anbieten. Darüber hinaus sollte dieser Anreiz nicht nur darauf abzielen, Abonnenten zu halten. Es geht vielmehr darum, durch den Loyalitäts-Rabatt für eine bessere Einstellung zum Streaming-Anbieter zu sorgen. Wenn man den Online-Piraten ins Gewissen reden will aufgrund der Vernichtung von Arbeitsplätzen in der Filmwirtschaft etc., sei es wichtig, dass die Empfänger derartige Botschaften als glaubwürdig wahrnehmen. Wenn eine sogenannte prosoziale Botschaft „nicht glaubwürdig ist, werden unrechtmäßige Nutzer ihren Inhalt leicht kritisieren und ihr unrechtmäßiges Verhalten weiterhin rechtfertigen„, so die Studie. Bei Menschen ohne einen moralisch ausgeprägten Kompass laufen solche Aussagen sowieso ins Leere.
Selbst glaubwürdige Drohungen sind unwirksam
Bei der zweiten Art der Drohbotschaft, konfrontiert man die Online-Piraten mit den möglichen negativen Konsequenzen ihrer Handlungen. Man hält ihnen vor Augen was passieren könnte, wenn man sie erwischt.
Die Ergebnisse der Studie über die Wirksamkeit von Drohungen haben die Forscher überrascht. Selbst wenn die Menschen die Drohungen für glaubwürdig hielten und zudem eine Bestrafung befürchteten, stieg die Wahrscheinlichkeit nicht, dass sie sich bei legalen Plattformen anmelden. In der Ausarbeitung nennen die Forscher zwei mögliche Gründe für dieses Ergebnis. Erstens haben die Drohungen zwar von der Piraterie abgeschreckt, aber die Menschen nicht unbedingt dazu motiviert, für Inhalte zu bezahlen. Zweitens könnten besonder starke Drohungen, die in der Studie verwendet wurden, nach hinten losgegangen sein. Sie erzeugten eine Abwehrreaktion und Ressentiments gegenüber dem Absender der Nachricht. Dies steht im Einklang mit der psychologischen Theorie der Reaktanz, nach der sich Menschen vermehrt gegen Versuche wehren, ihre Freiheit einzuschränken. Insgesamt weisen die Forscher darauf hin, dass übermäßig aggressive Anti-Piraterie-Botschaften kein wirksames Mittel sind, um Menschen zu motivieren, legale Streaming-Angebote zu abonnieren.
Schlussfolgerungen
Die Studie kommt zu dem Schluss, dass Streaming-Plattformen ihre Beziehungen zu den Verbrauchern verbessern und ihr Geschäft ausbauen können, indem sie gestaffelte Rabatte als Gegenleistung für Werbeeinblendungen anbieten und Loyalität mit Rabatten anerkennen und belohnen, die durch prosoziale Anti-Piraterie-Botschaften unterstützt werden. Das könne auch so manche Online-Piraten bekehren.
In vielerlei Hinsicht lassen sich die Ergebnisse der Studie auf den gesunden Menschenverstand zurückführen. Wenn Unternehmen die Erwartungen ihrer Abonnenten erfüllen oder übertreffen, sind die Kunden in der Regel zufrieden. Dies wirkt sich wiederum positiv auf die Kundenbindung aus. Wenn die Erwartungen nicht erfüllt werden, ist das Gegenteil der Fall. Keine noch so große Anzahl von Drohungen wird daran etwas ändern oder auch nur ein Fünkchen Loyalität wiederherstellen können.
Das ist vielleicht der Grund, warum das Bedrohungsmodell nie verschwindet. Torrentfreak argumentiert, es vergifte eine Generation von Verbrauchern. Und gerade wenn die Werbekampagnen abklingen, gehen den Leuten die innovativen Ideen gegen die Piraterie aus. Dann beginnt der Zyklus von vorne, mit Drohungen, die im Laufe der Jahre immer übertriebener werden, mit denselben vorhersehbaren Ergebnissen.
Lernt die Branche aus den Resultaten der Studie?
Aktuell läuft in Dänemark eine neue Werbekampagne der Nordic Content Protection im Kampf gegen Online-Piraten. Monatlich nutzen dort 30 Prozent der Einwohner illegale Angebote im WWW. Im Nachbarland Schweden sieht es nicht viel anders aus. Die Kampagne will aufklären, doch sie soll offenbar auch Angst und Schrecken verbreiten. Illegales Streaming generiere große Summen und sei oft eng mit organisierter Kriminalität wie Drogen, Schmuggel und Prostitution verbunden, heißt es in den Werbespots, die auch auf YouTube verfügbar sind. Ob die Informationskampagne mit dem erneuten Fokus auf die Schattenseiten des Streamings erfolgreich sein wird, bleibt somit dahingestellt, wahrscheinlich nicht.
Wer sich die am 04. September veröffentlichte Studie herunterladen möchte, kann dies hier tun.
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