Internet Piracy
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Bildquelle: pxfuel.com

EUIPO-Studie: Online-Piraterie nimmt wieder Fahrt auf

Laut der neuen Studie der EUIPO trägt das mangelnde legale Angebot und das geringe Einkommen zur erhöhten Online-Piraterie bei.

Das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) veröffentlicht in regelmäßigen Abständen Studien zur Entwicklung der Online-Piraterie innerhalb der EU-Staaten. Diese ist nach mehrjährigem Rückgang erstmals wieder auf dem Vormarsch. Die Studie zeigt mehrere wichtige Ursachen für die Piraterie auf, darunter der Mangel an legalen Möglichkeiten und die Einkommensungleichheit. Die COVID-19-Pandemie hat dagegen zu einem Rückgang der Piraterie geführt.

EUIPO: Piraterie hat deutlich zugenommen

Der Bericht der EUIPO stützt sich weitgehend auf Daten des britischen Piraterieverfolgungsunternehmens MUSO, das für diese Art von Längsschnittstudien häufig verwendet wird. Innerhalb des Datenmaterials sind die EU-Staaten plus Großbritannien. Die jüngsten Daten deuten darauf hin, dass die Piraterie in den letzten zwei Jahren deutlich zugenommen hat.

„Die wichtigste Erkenntnis ist, dass sich der in früheren Studien beobachtete rückläufige Trend umzukehren scheint und die Piraterie wieder zunimmt, was vor allem auf die Zunahme der Piraterie von Fernsehinhalten und Veröffentlichungen zurückzuführen ist“, heißt es in dem Bericht. Das derzeitige Niveau der Piraterie ist aber noch lange nicht so hoch wie vor fünf Jahren. Die Trendwende könnte allerdings darauf hindeuten, dass wir uns an einem entscheidenden Wendepunkt der Entwicklungen befinden.

euipo

COVID für vermehrte Piraterie nicht ursächlich

Der EUIPO-Bericht ist die erste detaillierte länderübergreifende Pirateriestudie, die die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie untersucht.

Dies ist wichtig, da viele Interessengruppen behaupten, dass dieses globale Ereignis die Piraterie insgesamt erhöht hat. Anfang dieses Monats kam beispielsweise die Motion Picture Association (MPA) in ihren Empfehlungen für künftige Anti-Piraterie-Strategien zu dem Schluss, dass die Piraterie während des Lockdowns zugenommen haben soll. Diese Tendenzen sollen sich auch nach Ende der Pandemie fortgesetzt haben, da die Verbraucher jetzt eher bereit sind, auf urheberrechtlich geschützte Inhalte über illegale Pirateriedienste zuzugreifen. Das zumindest glaubt die MPA.

MPA vom Gegenteil überzeugt

MUSO, Logo

Die Lobbyvereinigung der Hollywood-Filmstudios stützte ihre Schlussfolgerung auf einen frühen Vergleich des Piraterieaufkommens von Woche zu Woche durch MUSO, der in der Tat einen vorübergehenden Anstieg anzeigte. Ein Folgebericht von MUSO stellte jedoch später klar, dass dieser Effekt nur von kurzer Dauer war, da die Online-Piraterie in den folgenden Monaten zurückging.

Die neue EUIPO-Studie bestätigt nun, dass die Piraterie während der Pandemie tatsächlich zurückgegangen ist, zumindest in der EU. Zwar sind die amerikanischen Trends nicht berücksichtigt, doch sind diese tendenziell ähnlich wie in Europa, zumindest was die Richtung angeht. Die neuen Modelle zeigen nun, dass die COVID-19-Pandemie dazu beitrug, dass der illegale Konsum von Film- und Fernsehinhalten rückläufig war. Auf den Bereich Musik-Piraterie hatte die Pandemie offenbar gar keinen Einfluss.

Streaminganbieter verdrängen illegale Angebote

Man nimmt an, während der Ausgangssperren hätten sich die Menschen schlichtweg daran gewöhnt, legale Streaming-Angebote in Anspruch zu nehmen. Torrentfreak glaubt, auch die durch die Epidemie anhaltende Flaute an neuen TV-Serien und Kinofilmen war ebenfalls maßgeblich am Rückgang der Online-Piraterie beteiligt. Das klingt zumindest logisch. Davon nimmt der EUIPO-Bericht aber keine Notiz.

Die Film-Piraterie steht weiterhin an erster Stelle, das deckt sich auch mit dem anhaltend hohen Interesse unserer Leser an illegalen Quellen für derartige Mitschnitte. Auch die illegale Nutzung von E-Books soll zugenommen haben. Sie wurde erstmals untersucht. Insgesamt bleibt der illegale Konsum aber unterhalb der Marke von 2017. Musikpiraterie spielt übrigens kaum noch eine Rolle.

EUIPO: illegale Sport-Streams & E-Books auf dem Vormarsch

Im aktuellen EUIPO-Bericht hat man erstmals auch die Live-Sportpiraterie untersucht. Die verfügbaren Daten sind zwar begrenzt. Aber zwischen Anfang 2021 und Ende 2022 ist ein deutlicher Anstieg von etwa 75 % zu verzeichnen. Frühere Studien haben gezeigt, dass Streaming heute die bei weitem dominierende Form der Piraterie ist und Alternativen wie Torrent- oder direkte Downloads übertrifft. Dieser Trend ist nach wie vor ungebrochen.

Einkommen hat erheblichen Anteil an der Piraterierate

Interessant ist ohne Frage die Auswertung der ökonomischen Analyse. Das Einkommensniveau eines Landes hat nämlich einen erheblichen Einfluss auf die Piraterierate. Ein niedriges Pro-Kopf-Einkommen, ein hohes Maß an Einkommensungleichheit und eine hohe Jugendarbeitslosigkeit werden mit einem erhöhten Konsum von Raubkopien in Verbindung gebracht.

Die Studie sei aber mit Vorsicht zu genießen, weil dabei nur die reinen Website-Besuche gezählt werden. Downloads per Usenet, FTP-Server oder der Konsum per IPTV-Provider, Streaming-Box oder über Apps können nämlich überhaupt nicht erfasst werden. Gerade bei der IPTV-Piraterie wäre es wichtig zu wissen, welche Rolle sie im Graubereich spielt. Allerdings ist es dabei für die EUIPO sehr schwer Piraterie zu messen, bei der man grundsätzlich keine Websites besucht.

Wer sich für weitere Details interessiert, die Studie kann man von hier herunterladen.

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Lars Sobiraj

Über

Lars Sobiraj fing im Jahr 2000 an, als Quereinsteiger für verschiedene Computerzeitschriften tätig zu sein. 2006 kamen neben gulli.com noch zahlreiche andere Online-Magazine dazu. Er ist der Gründer von Tarnkappe.info. Außerdem brachte Ghandy, wie er sich in der Szene nennt, seit 2014 an verschiedenen Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen den Teilnehmern bei, wie das Internet funktioniert.