Schwarz-Rot hat einen weiteren Anlauf für die Vorratsdatenspeicherung geplant, diesmal für drei Monate und mit einigen Einschränkungen.
Vorratsdatenspeicherung geplant, sie haben es offenbar immer noch nicht gelernt, die lieben Politiker. Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) kündigte an, man plane die Internetanbieter dazu zu zwingen, die IP-Adressen ihrer Kunden für drei Monate zu speichern. Letzten Freitag schickte man den Gesetzentwurf zur Abstimmung an die übrigen Ministerien, wie von diversen Medien berichtet wird. Am Vorhaben sind auch das Innenministerium und Digitalministerium beteiligt. Im Frühjahr will man das neue Gesetz im Bundestag beschließen.
Wie digitalcourage es so schön ausdrückt: Die Überwachungszombies sind in Berlin mal wieder auferstanden. Grafik des Beitragsbildes von Jens Reimerdes – CC-BY-SA 4.0.
Kurzer Abriss eines ständigen Scheiterns
Die Historie begann schon vor einigen Jahren. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erklärte im Jahr 2010 die erste nationale Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung für verfassungswidrig. Eine neuere nationale Regelung, die 2015 verabschiedet wurde und ab 1. Juli 2017 gelten sollte, hat die Bundesnetzagentur aufgrund zweier anhängiger Rechtsverfahren nicht umgesetzt und faktisch ausgesetzt. Der Europäische Gerichtshof entschied am 20. September 2022, dass die generelle und anlasslose VDS gegen EU-Recht (insbesondere die Grundrechte) verstößt. Diese Entscheidung betrifft auch die deutsche Rechtslage und hat zur Folge, dass entsprechende nationale Vorschriften nicht angewendet werden dürfen. Das Bundesverwaltungsgericht setzte am 14. August 2023 in zwei Urteilen die nationale Vorratsdatenspeicherungsverpflichtung (im Telekommunikationsgesetz) in vollem Umfang für nicht anwendbar aus und bestätigte damit die europarechtlichen Vorgaben des EuGH. Im März 2023 bestätigte das Bundesverfassungsgericht nochmals, dass die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland keine Rechtswirkung mehr entfaltet, weil sie mit dem EU-Recht unvereinbar ist.
Vorratsdatenspeicherung geplant: Worin besteht der Unterschied?
Bei den bisherigen Gesetzen wurden auch die Standort- und Kommunikationsdaten bis zu sechs Monate vorgehalten. Das heißt, dass man wusste, wo sich die Person zu einer bestimmten Uhrzeit aufgehalten hat. Aufgezeichnet sowieso rund um die Uhr. Auch wer mit wem und für wie lange kommuniziert, müssen die ISPs nicht mehr protokollieren. Die Erstellung von Bewegungsprofilen wäre somit nicht mehr möglich. Auch wäre es deutlich schwieriger festzustellen, welche Beziehungen ein Tatverdächtiger pflegt, was man bisher an seinen Kommunikationspartnern und der Häufigkeit des Kontakts gut ablesen konnte.
Bundesjustizministerin Hubig sieht sich als Vorkämpferin, sie hat die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung schon vor längerer Zeit geplant. Es sei als frühere Staatsanwältin ihr Ziel, die Online-Kriminalität endlich wirksamer zu bekämpfen. Bei Delikten, die online geschehen, kämen die Täter viel zu oft davon, was sie ändern will. Hubig behauptet sogar, das neue Gesetz befände sich im Einklang mit den Rechtsnormen in Deutschland als auch in der EU.
Mit einer VDS kann es online keine Vertraulichkeit geben
Die Aussage der Justizministerin, dass die Vertraulichkeit der Kommunikation trotz Vorratsdatenspeicherung gewahrt sei, klingt nicht nachvollziehbar. Wenn der Internet-Anbieter doch alles protokollieren und für drei Monate festhalten muss, wo existiert dann unter diesen Voraussetzungen eine Art „Vertraulichkeit“ im Internet? Anhand der IP-Adresse ist man in kürzester Zeit identifizierbar. Sowohl für die Meute der geldgierigen Abmahnanwälte, als auch für alle nationalen und internationalen Strafverfolgungsbehörden. Ganz ehrlich, das klingt eher nach Werbung für die Nutzung eines VPN*.
Es fehlt an geschulten Ermittlern und digitaler Forensik
Für Andreas Roßkopf, den Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei, ist die Speicherung der Daten für drei Monate bei weitem nicht ausreichend, er fordert eine längere Speicherfrist. Clara Bünger (Die Linke) übt hingegen Kritik. „Ich habe dabei ein massives Störgefühl: Ausgerechnet dort, wo es auf den Schutz von Grundrechten und die Vertraulichkeit der Kommunikation ankommt, wird anlasslos in der Breite gespeichert„. Das sagte Bünger der Nachrichtenagentur dpa. „Das ist schleichende Grundrechtsaushöhlung und ein Generalverdacht gegen alle.„
Das Problem seien gar nicht fehlende Daten, sondern das Fehlen gut ausgebildeter Ermittlerinnen und Ermittler und digitaler Forensik. Damit hat die Frau nicht Unrecht.
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