Noch stärkt das IFG die Rechte der Bürger gegenüber den deutschen Behörden. Noch dürfen sie fragen, wie man mit ihren Steuergeldern umgeht.
Die Medien haben für Interviews zahlreiche Beobachter und Politiker befragt, wie sie die Tatsache bewerten, dass sich das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) vor dem Aus befinden soll. Doch die drei Schöpfer dieses Gesetzes ließ niemand zu Wort kommen.
Weder die frühere Grünen-Abgeordnete Grietje Staffelt, die sich damals noch Grietje Bettin nannte. Und auch nicht den Juristen Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD) oder den gemeinhin als streitlustig bekannten Ex-Politiker Jörg Tauss. Der frühere SPD-Abgeordnete Tauss ging als der erste und wohl auch als der letzte Abgeordnete der Piratenpartei im Bundestag in die Geschichte ein. Seit seiner zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten im Jahr 2010 meiden ihn diverse Journalisten regelrecht wie der Teufel das Weihwasser.
Informationsfreiheitsgesetz vor dem Aus: Presse veröffentlicht keine Interviews mit den Urhebern
Dabei war Tauss es, der unter anderem dafür sorgte, dass es das Informationsfreiheitsgesetz überhaupt gibt. Und jetzt will die Union ausgerechnet mit Philipp Amthor bei den Koalitionsverhandlungen den Bock zum Gärtner machen. Amthor war es nämlich, der 2018 nach Recherchen der Online-Plattform FragDenStaat negativ in die Schlagzeilen geriet. Nach einer Anfrage beim Wirtschaftsministerium wurde bekannt, das Amthor als Lobbyist für ein US-Unternehmen tätig war. Der ambitionierte CDU-Politiker war gleichzeitig einer der Direktoren von Augustus Intelligence. Er soll vom KI-Unternehmen zum fraglichen Zeitpunkt fast 3.000 Aktien besessen haben. Wenn das mal kein Interessenkonflikt ist!?
Ausgerechnet Amthor soll nun nach Recherchen von FragDenStaat die entsprechende Arbeitsgruppe bei den Koalitionsverhandlungen leiten und sich wenig überraschend für eine Abschaffung des IFG einsetzen. Nach Medienberichten soll sich die SPD zumindest bisher dagegen sträuben.
Grund genug, einen Blick auf die Entstehung des Informationsfreiheitsgesetzes zu werfen. Wir lassen Tauss zudem erklären, warum die Umsetzung des IFG bis zum heutigen Tag nur teilweise gelungen ist. Hier sein Kommentar:

Jörg Tauss: Schluss mit Akteneinsicht?
Die Union will das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes beseitigen. Danach hat „jeder Anspruch gegenüber Behörden des Bundes auf Zugang zu amtlichen Informationen“ (§ 1 IFG, Grundsatz). Dieses simple Bürgerrecht soll im künftigen Koalitionsvertrag von CDU (CSU und SPD) abgeschafft werden. Für zivilgesellschaftliche Organisationen ist dies ein „Angriff“ auf Pressefreiheit und Bürgerrechte.
Dagegen entfaltet sich allerdings breiter Widerstand: „Die Forderung von CDU und CSU reiht sich ein in zunehmende Angriffe auf die kritische Zivilgesellschaft. Die Richtung ist klar: Die Union will unbehelligt durchregieren, „lästige“ öffentliche Kontrolle soll ausgeschaltet werden“, sagt etwa das Projekt „Frag‘ den Staat“ der Open Knowledge Foundation (OKFDE) zur Förderung der Informationsfreiheit.
Interessant: Vorgeschichte der Informationsfreiheit in Deutschland
Anfang 2005 standen anlässlich einer Veranstaltung in Kiel zwei Bundestagsabgeordnete vor dem verregneten dortigen Landtag beim Warten auf ein Taxi. Thema des Gesprächs unter Regenschirmen waren der damalige Innenminister Otto Schiliy (SPD) und Verärgerung über dessen Blockade eines innerhalb der damaligen rot-grünen Koalition gewünschten Informationsfreiheitsgesetzes. Monatelang wehrte sich zuvor das Innenministerium gegen die Erarbeitung eines Gesetzentwurfs. Nach Vorbildern anderer Staaten wie den USA (1843!) oder Schweden (1766!) sollte ein gesetzlich verbrieftes Recht geschaffen werden, dass Bundesbehörden grundsätzlich „anlasslos“ auf Anfrage aus der Bürgerschaft Einblick in Akten und Unterlagen ermöglichen.
Schließlich seien, so die US-amerikanische Ursprungsidee, Bürgerinnen und Bürger eines Staates letztlich Eigentümer von dessen Akten. Die erwähnten Abgeordneten Dr. Dieter Wiefelspütz und Jörg Tauss*) von der SPD hielten sich in den folgenden Wochen an die getroffene Absprache unter ihren Regenschirmen. Sie nahmen vom grünen Koalitionspartner noch dessen damalige Abgeordnete Grietje Bettin mit an Bord. Fortan trafen sich die Drei mit einem kleinen Stab von Mitarbeitern, um selbständig einen Gesetzentwurf zu schreiben.
Schily behielt seine ablehnende Haltung und schickte im weiteren Verlauf nur Beobachter zum suspekten Tun. Allen Widerständen aus Ministerien zum Trotz wurde der Gesetzentwurf fertig im Bundestag 2005 beschlossen und kam 2006 ins Gesetzblatt. So entstand nach Absicht seiner Autoren ein „schlankes und lesbares“ Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IFG). Dass Abgeordnete selbst Gesetze schreiben, ist höchst unüblich und eine große Ausnahme. Angesichts der Komplexität, insbesondere von Gesetzesbegründungen, ist die Beteiligung ministerieller Beamter die Regel und durchaus sinnvoll.
„Tricksen und Täuschen“
Die Exekutive schloss mit dem IFG allerdings nie ihren Frieden und bekämpfte es in den letzten fast 20 Jahren bereits mit subtilen Mitteln wie Gebührendrohungen gegen Anfragende. Beispiele? Ein Informationsbegehren kann für Anfragende teuer werden. Sehr teuer und nervraubend. 500.— Euro sind schnell erreicht. Rekordverdächtig war bisher eine erst durch das Bundesverwaltungsgericht gestoppte Gebührenrechnung des Innenministeriums an zwei Journalisten in Höhe von 15.000 Euro. Es ging „nur“ um einen Zugang zu Akten in Sachen Sportförderung des Bundes.
Auch sonst wird von vielen Ministerien getrickst und getäuscht. In einer Nacht- und Nebelaktion, unbemerkt in anderen Vorlagen versteckt, wurde vom Parlament beispielsweise ein Auskunftsrecht gegenüber dem Bundesrechnungshof beseitigt. Die gesetzlich vorgesehene einmonatige Frist zur Erteilung einer Auskunft (Anmerkung der Redaktion: Hier ist der Link zu einer weiteren abgelehnten Anfrage) zur Förderung der grünen Denkfabrik „LiberaleModerne“ in Berlin gegenüber mir als früheren MdB Tauss zog sich zwei Jahre hin. Zuvor scheiterte ich als Ex-SPD-Mann 2008 sogar mit einer von mir geforderter Einsicht in die Milliarden- Mautverträge mit „Toll Collect“, die Abgeordneten allerdings vorenthalten wurden. Begründet wurde dies mit einem anhängigen Schiedsverfahren und „Geschäftsgheimnissen„. Statt Abschaffung gibt es also eindeutig Reformbedarf für das IFG.
„Geschäftsgeheimnisse“ und „Schutz des Staates“
Als größte Probleme bei praktischen Erfahrungen mit dem aktuellen Gesetz erweist sich neben Kosten und Verschleppung bei der Bearbeitung von Anfragen das Thema Geschäftsgeheimnis. Sobald beispielsweise ein Ministerium zur Auffassung gelangt, dass ein „Geschäftsgeheimnis“ durch eine Anfrage tangiert sein könnte und wäre der Bezug dazu noch so absurd, ist bereits eine monatelange Verzögerung und Verschleppung bei der Beantwortung die Erfahrung.
Behörden torpedieren Auskunftsersuchen: Aussagen ohne Beweise schon ausreichend für Ablehnung
Hinzu kommt das Behördeninteresse, sich hinter schwammigen Begriffen zu verstecken. „Eine Beantwortung Ihrer Anfrage könnte die vertrauensvolle Zusammenarbeit bei einem künftigen Förderantrag ans Auswärtige Amt gefährden.“ Allein die schlichte Behauptung ohne Beleg genügt zur Torpedierung von Anfragen, wie in der Vergangenheit viele Fälle bewiesen haben. Dabei geht es aber oft um Hunderttausende von Euro, die nicht nur das Auswärtige Amt an politisch genehme Empfänger großzügigst bewilligt. Dazu zählt beispielsweise die „Beratung“ des ukrainischen Parlaments durch einen parteipolitisch grün geführten Verein in Berlin. Was an einer solchen Beratung geheim ist, kann nicht einmal ansatzweise begründet werden. (Das muss es ja leider auch nicht – Anmerkung der Redaktion)
Informationsfreiheit: Statt einer „Reform“ jetzt Kampf um das Gesetz selbst
In den laufenden Koalitionsverhandlungen muss die Eliminierung des IFG verhindert werden. Treiber hierzu ist bei den laufenden Koalitionsverhandlungen der CDU-Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor.
War da nicht was? Richtig! Mithilfe des Gesetzes wurden dessen Lobbyverstrickungen für die US- Firma Augustus Intelligence bekannt, für die er als Türöffner in Ministerien wirkte. Ein guter Grund für den bekannten Law & Order- Mann, nicht seinen suspekten damaligen „Direktorenposten“, sondern gleich das unbequeme Gesetz selbst infrage zu stellen, mit dem er aufflog.
*) Anmerkung: Jörg Tauss, MdB von 1994 bis 2009), ist mit Ausnahme der Einleitung Autor dieses Artikels.
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