Markenpiraterie, Streaming-Piraterie und einiges mehr: Warum illegale Produkte bzw. Inhalte reale Existenzen in Nordeuropa gefährden.
Ein Klick auf einen illegalen Stream oder der Kauf eines gefälschten Markenprodukts – harmlos? Mitnichten! Eine aktuelle Studie des ECEPR zeigt: In den nordischen Ländern gehen dadurch jährlich 193.500 Arbeitsplätze verloren. Das entspricht der Einwohnerzahl einer mittelgroßen Stadt. Ob Raubkopien, gefälschte Produkte oder illegales Streaming – Piraterie hat längst reale Folgen. Ganze Branchen leiden unter der digitalen Schattenwirtschaft.
Piraterie und der stille Rückzug legaler Wertschöpfung
Die wirtschaftlichen Verluste durch digitale Piraterie und Markenfälschungen in Nordeuropa belaufen sich auf 21,4 Milliarden Euro pro Jahr. Gleichzeitig verlieren die Staaten 5,7 Milliarden Euro an Steuereinnahmen. Dieses Geld fehlt dann für Bildung, Infrastruktur oder soziale Sicherheit. Besonders betroffen ist der Studie zufolge Schweden: Dort gehen jährlich über 77.000 Arbeitsplätze und mehr als 7,8 Milliarden Euro an Wirtschaftsleistung verloren.
Diese Entwicklung ist kein theoretisches Konstrukt. In Schweden nutzen rund 700.000 Haushalte illegale IPTV-Dienste – das ist fast jeder dritte Haushalt mit Internetzugang. Sie zahlen im Durchschnitt etwa 200 Kronen pro Monat für illegales Streaming und andere digitale Piraterie. Hochgerechnet sind das mehr als 1,7 Milliarden Kronen (ca. 150 Millionen Euro) pro Jahr, die direkt in kriminelle Netzwerke fließen. Diese illegalen Abonnements verdrängen legale Anbieter, schwächen die gesamte Medienbranche und führen zu erheblichen Arbeitsplatzverlusten.
Auch wenn die Studie keine genaue Zahl für die Arbeitsplatzverluste allein durch IPTV nennt, so wird doch deutlich, dass ein erheblicher Teil der 77.400 Arbeitsplätze, die allein in Schweden jährlich durch Piraterie verloren gehen, auf illegale Streaming-Angebote zurückzuführen ist. Besonders betroffen sind die TV- und Sportübertragungsbranche sowie kleinere Produktionsfirmen, deren Inhalte systematisch über illegale Plattformen verbreitet werden.
Piraterie kostet aber nicht nur Arbeitsplätze. Digitale Piraterie fördert laut der Studie weitere illegale Aktivitäten wie unreguliertes Glücksspiel und Steuerhinterziehung. IPTV-Piraterie ist daher nicht nur ein wirtschaftliches Problem, sondern Teil eines größeren kriminellen Netzwerks, das die Integrität des digitalen Marktes untergräbt.
Es trifft – wie immer – die Falschen
Nicht nur große Studios oder Konzerne sind betroffen. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen (KMU) leiden stark unter Piraterie. Diese Unternehmen bilden das Rückgrat der europäischen Wirtschaft, sind aber oft besonders verwundbar: Sie verfügen selten über spezialisierte Rechtsabteilungen oder finanzielle Rücklagen, um sich effektiv gegen Urheberrechtsverletzungen, Plagiate oder Produktfälschungen zu wehren. Wer ein Beispiel braucht, muss dafür nur an Nintendo denken…
Für viele junge Unternehmen, deren gesamtes Geschäftsmodell auf einem innovativen Produkt oder einer originellen Idee beruht, kann bereits eine einzige Urheberrechtsverletzung existenzbedrohend sein. Der Verlust geistigen Eigentums durch Nachahmung oder illegale Verbreitung macht es diesen Unternehmen oft unmöglich, sich am Markt zu behaupten.
Besonders kritisch ist dies in Ländern wie Deutschland, wo laut EUIPO-Studie fast ein Drittel aller Arbeitsplätze in IP(intellectual property)-intensiven Branchen angesiedelt sind und kleine Unternehmen einen Großteil dieser Innovationslandschaft ausmachen.
Auch das Bildungssystem hat mit den Folgen zu kämpfen. Viele Studierende in Schweden umgehen legale Angebote und greifen auf illegal bereitgestellte PDFs zurück. Die Universitäten melden zunehmende Leseschwächen – ein Alarmsignal für ein Land, das sich als Wissensnation versteht.
Piraterie kostet Arbeitsplätze: Der Dominoeffekt digitaler Kriminalität
Was mit einem illegalen Stream beginnt, endet oft mit einem großen wirtschaftlichen Schaden. Digitale Piraterie ist Teil eines globalen Systems, das wirtschaftliche Strukturen und gesellschaftliche Entwicklungen gleichermaßen untergräbt. Besonders betroffen sind Branchen, in denen immaterielles Wissen das eigentliche Kapital ist – wie Forschung, Softwareentwicklung, Musik und Design.
Auch wenn sich die Studie auf die nordischen Länder konzentriert, lassen sich die Ergebnisse sehr gut auf Deutschland übertragen. Ähnliche technologische Rahmenbedingungen, vergleichbare Nutzungszahlen illegaler Streamingdienste und eine ebenso stark vom Urheberrecht abhängige Kreativ- und IT-Wirtschaft führen zu dem Schluss: Auch hierzulande kostet Piraterie unzählige Arbeitsplätze, entzieht dem Staat Steuereinnahmen und schwächt langfristig Innovationskraft und kulturelle Vielfalt.
Innovative Branchen wie IT oder Medien erwirtschaften eine überdurchschnittlich hohe Wertschöpfung. In Dänemark liegt sie pro Beschäftigtem sogar 54 Prozent über dem Durchschnitt. Vergleichbare Ergebnisse liegen auch für Deutschland vor: Laut der gemeinsamen Studie des EUIPO und des Europäischen Patentamts aus dem Jahr 2021 erwirtschaften Unternehmen mit eingetragenen Schutzrechten wie Patenten, Marken oder Designs rund 47 Prozent des deutschen BIP und stellen 29 Prozent aller Arbeitsplätze im Land. Zudem zahlen diese Unternehmen im Durchschnitt 19 Prozent höhere Löhne.
Jeder Arbeitsplatz, der durch Produktpiraterie verloren geht, bremst also nicht nur das einzelne Unternehmen, sondern die Innovationskraft der gesamten Volkswirtschaft.
Ein dringend reformbedürftiges System
Wer Innovation will, muss sie schützen. Geistiges Eigentum ist kein rechtlicher Luxus, sondern die Grundlage einer kreativen, fairen und nachhaltigen Wirtschaft. Aber auch die Content-Industrie muss sich kritischen Fragen stellen. Viele legale Streaming-Angebote sind heute teuer, fragmentiert und schwer zugänglich. Wer wirklich alles sehen will, muss oft mehrere Abonnements gleichzeitig abschließen – eine Situation, die viele Nutzer überfordert oder schlicht finanziell abschreckt.
Diese Entwicklung hat dazu beigetragen, dass sich digitale Piraterie derart ausbreiten konnte. Die Verantwortung für die ausufernde digitale Piraterie liegt also nicht allein bei den Konsumenten. Auch Rechteinhaber und Plattformbetreiber stehen in der Pflicht, faire, transparente und nutzerfreundliche Angebote zu schaffen. Nur so können wir die Grundlagen unserer digitalen Kultur schützen.
Jeder Klick auf illegale Inhalte schwächt dieses Fundament – ist aber oft auch Ausdruck eines dringend reformbedürftigen Systems. Natürlich muss man bei den oben zitierten Zahlen mitbedenken, dass es die Verbände der Rechteinhaber waren, die die Studie in Auftrag gegeben und finanziert haben.
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