Schweden setzt auf Strafen: zwischen Streaming-Spaß, Gesetzeshammer, Handschellen und Fußball.
Schweden setzt auf Strafen: zwischen Streaming-Spaß, Gesetzeshammer, Handschellen und Fußball.
Bildquelle: ChatGPT

Illegales IPTV unter Druck: Schweden plant Strafen für Zuschauer

Illegales IPTV unter Druck: In Schweden drohen bald Geldstrafen für Zuschauer und Haft für Betreiber – 700.000 Haushalte betroffen.

In Schweden gerät illegales IPTV unter Druck. Die Regierung nimmt mit der geplanten Maßnahme die Piraterie-Welle gerade frontal ins Visier. Bewegten sich Zuschauer bisher noch in einer rechtlichen Grauzone, soll damit nun Schluss sein. Ein neues Gesetz sieht erstmals auch Strafen für private Nutzer vor. Über Nacht könnten so rund 700.000 Schweden, das entspricht fast 15 % aller Haushalte, zu Straftätern werden.

Illegales IPTV unter Druck: Rekordzahlen in Schweden

Laut der Analysefirma Mediavision nutzen inzwischen über 700.000 Haushalte in Schweden illegales IPTV. Das entspricht einem Zuwachs von 25 % innerhalb eines Jahres und stellte einen neuen Rekord dar.

Die Gründe für die hohe Schwarzseherquote ist vielschichtig. Während legale Abos bei Viaplay, C More oder Discovery+ sich auf über 40 Euro im Monat summieren können, locken illegale IPTV-Dienste mit Preisen zwischen 5 und 15 Euro, oft ohne Geoblocking und mit Tausenden Kanälen. Hinzu kommt die Zersplitterung des Marktes. Wer Filme, Serien und Sport gleichzeitig sehen will, braucht gleich mehrere legale Abos.

Diese Mischung aus hohen Kosten, zersplitterte Anbieterlandschaft und der digitalen Affinität der schwedischen Bevölkerung treibt viele Zuschauer direkt in die Arme illegaler IPTV-Anbieter. Schon Pirate Bay hatte ihren Ursprung in Stockholm. Schweden gilt seit jeher als Vorreiter digitaler Grauzonen.

Rechteinhabern gehen damit allerdings jährlich ca. 1,25 Milliarden SEK (113.512.787,50 Euro) verloren. Besonders davon betroffen sind Sportvereine, TV-Sender und Filmproduzenten. Mediavision-Analystin Natalia Borelius weist bei Nordisk Film & TV Fond in einem Interview darauf hin: „Die Risiken für Konsumenten sind bisher extrem gering. Eine Gesetzesänderung könnte hier einen Unterschied machen.

Gesetzesinitiative: Von der Grauzone zum Strafgesetz

Wie der Sweden Herald berichtete, empfiehlt die Sonderermittlerin der Regierung, Eva Bergquist, die bestehende Rechtsgrundlage, das „Gesetz über das Verbot bestimmter Entschlüsselungsgeräte“ (oft auch verkürzt als Decoder-Gesetz bezeichnet) so anzupassen, dass sie künftig auch Endverbraucher trifft. Bisher lag der Fokus auf den Hintermännern, doch deren Server sitzen oft im Ausland und sie wären damit kaum greifbar.

Das neue Strategie ist nun darauf gerichtet, illegales IPTV unter Druck zu setzen und dies nicht nur auf Seiten der Betreiber, sondern auch bei den Zuschauern. Private Nutzer sollen künftig mit Geldbußen belegt werden, wenn sie illegale Streams konsumieren. Für die Hintermänner und Anbieter sieht der Gesetzentwurf noch deutlich härtere Strafen vor. Ihnen drohen Haftstrafen von bis zu sechs Jahren. Wie hoch die Sanktionen für die User künftig ausfallen, dazu wollte sich Kulturministerin Parisa Liljestrand (Moderate Partei) derzeit noch nicht äußern.

Illegales IPTV unter Druck: Schweden plant Strafen für Zuschauer
Illegales IPTV unter Druck: Schweden plant Strafen für Zuschauer

Gleichzeitig will man die Ermittlungs- und Aufsichtsbehörden stärken. Polizei und Steuerbehörde sollen IPTV-Fälle dann ausdrücklich priorisieren, um die Durchsetzung der neuen Regeln zu gewährleisten. Dem schwedischen Patent- und Registeramt sowie der Post- und Telekommunikationsbehörde will man in diesem Bereich gesonderte Aufgaben zuweisen. Liljestrand machte in diesem Zusammenhang am Dienstagmorgen auf einer Pressekonferenz deutlich:

„Bisher fehlten vorläufige und aktuelle Zahlen zum tatsächlichen Ausmaß. Jetzt bekommen wir ein klareres Bild vom Ausmaß und den Instrumenten, mit denen wir dem entgegenwirken können. […] Wir wollen klarstellen, dass man sich nicht auf illegale Aktivitäten einlassen sollte. Wir wollen aus der Grauzone herauskommen und glauben, dass allein durch die Hervorhebung des Phänomens mehr Menschen verstehen werden, dass dies die kriminelle Wirtschaft nährt und beispielsweise Sportvereine oder Film- und Fernsehproduzenten verlieren“

Kulturministerin Liljestrand sprach sich zudem dafür aus, dass Suchmaschinen künftig verpflichtet werden sollen, Treffer zu entfernen, die auf illegale IPTV-Dienste verweisen. Darüber hinaus prüft die Regierung die Einführung eines sogenannten „Live-Blockings“. Dabei könnten IP-Adressen und Übertragungen bereits während laufender Veranstaltungen blockiert werden, sodass Rechteinhaber die Möglichkeit hätten, unautorisierte Streams in Echtzeit stoppen zu lassen. Die geplanten Gesetzesänderungen sollen am 1. Juli 2026 in Kraft treten.

Illegales IPTV: Von Zuschauern zu Kriminellen?

So tiefgreifend die Vorschläge auch klingen, werfen sie doch Fragen auf. Bedeutet das Gesetz, dass über Nacht 700.000 Schweden kriminalisiert werden? Genau diese Zahl entspricht der aktuellen Nutzerbasis. Aber auch in der Praxis dürfte sich die Umsetzung als schwierig erweisen. VPNs, Offshore-Provider und ständig neue Domains machen die technische Verfolgung nahezu aussichtslos. „Es ist fast unmöglich, die Quelle zu stoppen“, räumte selbst Bergquist ein.

Fazit: Symbolpolitik oder Gamechanger?

Schwedens Kurs signalisiert klar, Illegales IPTV steht unter Druck und soll künftig nicht mehr als Kavaliersdelikt gelten. Ob Geldstrafen und Live-Blocking wirklich abschrecken, bleibt jedoch fraglich. Solange legale Angebote teuer, fragmentiert und unattraktiv sind, bleibt die Versuchung bestehen, für ein Zehntel des Preises auf Schwarzdienste zu setzen. Für die schwedische Regierung besteht das Risiko, statt das Problem zu lösen, könnte sie 700.000 Bürger kriminalisieren und Schwedens Ruf als Heimat der digitalen Grauzonen weiter festigen.

Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.