Vom Billig-Abo zum Milliardenkoffer: So verdienen IPTV-Piraten an unserem Streaming-Hunger.
Vom Billig-Abo zum Milliardenkoffer: So verdienen IPTV-Piraten an unserem Streaming-Hunger.
Bildquelle: ChatGPT

IPTV-Piraterie-Netzwerk enttarnt: 1.100 Domains, 10.000 IPs – und zwei Nutznießer

IPTV-Piraterie-Netzwerk enttarnt: 1.100 Domains, 10.000 IPs sowie zwei Nutznießer. Marken, Risiken & Quellen im Tarnkappe-Faktencheck.

Das IPTV-Piraterie-Netzwerk, enttarnt von Silent Push, ist offenbar bereits seit Jahren aktiv. Mehr als 1.100 Domains und 10.000 IP-Adressen wurden über Jahre genutzt, um Premium-Inhalte von mehr als 20 globalen Medienmarken wie Netflix, Disney+, Sky Sports oder der Premier League massenhaft illegal zu restreamen. Hinter den Kulissen profitierten Firmen wie XuiOne und Tiyansoft. Kunden köderte man mit „22.500 Kanälen und 100.000 Filmen & Serien für 15 Dollar“. Was für User zunächst nach einem Schnäppchen klingt, endete jedoch oftmals in Kreditkartenbetrug, Malware-Infektionen und juristischen Konsequenzen.

Die Tricks der IPTV-Piraten

Illegale IPTV-Operatoren restreamen legitime TV-Feeds, bündeln Premium-Inhalte und verkaufen Zugänge zum Spottpreis. Dazu bauten sie ein ganzes Schattennetzwerk, das darauf ausgelegt war, so lange wie möglich online zu bleiben und sich der Verfolgung zu entziehen. Betreiber zapften legitime TV-Feeds an (z. B. aus Kabel-, Satelliten- oder lizenzfreien Onlinequellen) und leiteten sie hierbei in Echtzeit an ihre eigenen Kunden weiter. Der technische Kniff dahinter besteht aus mehreren Ebenen, die zusammenspielen:

  • Domain-Cluster statt einzelner Webseite: Statt einer einzigen, festen Domain nutzten die Betreiber Hunderte bis Tausende kurzlebiger Domains. Fielt eine Domain aus oder wurde vom Netz genommen, spang der Dienst einfach auf Dutzende Ersatz-Domains.
  • Rotation der IP-Adressen: Die Domains hat man auf wechselnde IP-Adressen aufgelöst, oft auf Pools mit tausenden Adressen. Manche IPs sind shared, andere dediziert. Durch ständige Rotation wurde es sehr schwer, die eigentlichen Ursprungsserver dauerhaft zu lokalisieren oder abzuschalten.
  • Versteckte Endpunkte & wechselnde Ports: Die eigentlichen Stream-Endpunkte versteckten sich hinter unterschiedlichen Ports (z. B. 80, 8080, 2095 o.ä.) und parametrisierten URLs wie /get.php?username=…&password=…&type=m3u. Das erlaubte fast beliebig viele Zugangspunkte und machte automatisches Blocking komplizierter.
  • Login-Parameter als Zugangsschlüssel: Anstatt öffentliche Player-Pages zu betreiben, wurden die Streams oft per Nutzername/Passwort verteilt (M3U-Links, API-Keys). Diese Credentials wanderten in Szene-Foren, Telegram-Gruppen oder private Channels. Man konnte sie so bei Bedarf schnell austauschen.
  • Panel-Software & Backends: Viele Betreiber nutzten modifizierte Open-Source-Panels (z. B. Xtream UI, Stalker-Portal), teils sauber installiert, teils über kompromittierte Hostings. Über diese Panels lassen sich Nutzerkonten verwalten, Stream-Pools zusammenstellen und neue Domains/IPs automatisch registrieren.
  • Automatisierung & Skripte: Cronjobs, Registrierungs-Skripte und Deploy-Tools automatisierten das Erzeugen neuer virtueller Hosts, das Eintragen von DNS-Einträgen und das Nachschieben neuer Endpunkte.
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Bitte lächeln: Noch ein IPTV-Piraterie-Netzwerk enttarnt!

Die Fingerabdrücke: So wurde das Netz sichtbar

Der erste Hinweis zu dem IPTV-Piraterie-Netzwerk kam über die Domain premiumplustv[.]xyz. Von diesem Ausgangspunkt aus setzten die Threat-Analysten von Silent Push ihren hauseigenen Web Scanner ein, um technische Fingerabdrücke zu erstellen. Im Ergebnis erhielten sie eine Karte, die das verdächtige Ökosystem mit über 10.000 IP-Adressen und mehr als 1.100 Domains verband.

Ein besonders deutlicher Strang führte zur Domain xuione[.]com. Diese Seite taucht als einer der zentralen IPTV-Provider auf. Über mehrere Jahre waren dort sogar WHOIS-Daten einsehbar, die auf einen Registranten in Herat, Afghanistan hindeuteten. Erst im März 2025 wurden diese Angaben geändert. Seitdem erscheint lediglich ein unspezifischer Eintrag mit einem US-Standort.

Auch die Auswertung einer dedizierten IP-Adresse (158.220.114[.]199) brachte weitere Puzzlestücke zutage. Neben xuione[.]com waren darunter auch die Seiten streamxpert[.]net, jvtvlive[.]xyz sowie tiyanhost[.]com erreichbar. Besonders JVTVlive machte mit markigen Versprechen wie „2.000 Server in 198 Ländern“ auf sich aufmerksam. Silent Push hält die Angaben für plausibel.

Darüber hinaus stellten die Forscher fest, dass das Netzwerk häufig auf bekannte Open-Source-Software setzte. Stalker_Portal, ursprünglich von Infomir entwickelt und seit über einem Jahrzehnt im Einsatz, diente als technisches Fundament. Häufig kombiniert mit Xtream UI-Panels, die eine bequeme Nutzerverwaltung und Stream-Verteilung ermöglichen. Diese Mischung aus frei verfügbarer Software und angepassten Panels bildet das Rückgrat vieler Piraterie-Infrastrukturen, so auch in diesem Fall.

IPTV-Piraterie-Netzwerk enttarnt: 1.100 Domains, 10.000 IPs – und zwei Nutznießer
IPTV-Piraterie-Netzwerk enttarnt: 1.100 Domains, 10.000 IPs – und zwei Nutznießer

Vom Abo-Frust zum Milliardengeschäft: die Ökonomie der IPTV-Piraten

Jährlich fließen Milliardenbeträge durch die Kassen illegaler IPTV-Anbieter. Für die Betreiber sind die Gewinnmargen traumhaft mit minimalen Infrastrukturkosten, keinen Lizenzgebühren, dafür monatlich tausenden Abos, die sich für 10 bis 20 Dollar pro Nutzer verkaufen lassen. Hochgerechnet kommt so ein Umsatzvolumen zusammen, das selbst kleinere Piraterie-Netzwerke mit legalen Streaming-Giganten in direkte Konkurrenz stellt.

Studien wie der „Piracy Trends & Insights 2024“-Report von MUSO bestätigen, dass der Schwarzmarkt nicht stagniert, sondern wächst. Und das nicht trotz, sondern gerade wegen der legalen Konkurrenz. Verbraucher klagen über Plattform-Fragmentierung. Jede Serie und Liga liegt hinter einer eigenen Paywall. Dazu kommen steigende Preise und das Wegfallen flexibler Monatsabos. Im Ergebnis muss, wer alles legal sehen will, fünf bis sechs Dienste parallel abonnieren. Viele winken bei solchen Voraussetzungen ab und suchen nach billigeren Alternativen.

Genau hier setzen dann die Online-Piraten an. Sie tun dies mit dem Versprechen „Alles in einem“ und einem Preisschild, das lächerlich niedrig wirkt. 15 Dollar für 22.500 Kanäle und 100.000 Filme & Serien, klingt auch verlockend. In Wahrheit jedoch ist es der Köder, der Konsumenten in ein System zieht, das von Betrug, Malware und Rechtsrisiken durchsetzt ist.

Der Markt bleibt robust, weil er eine echte Nachfrage bedient, nicht unbedingt nach „kostenlos“, sondern nach komfortabel und umfassend. Wer sich durch die Abogebühren und exklusiven Deals der großen Streaming-Player ausgeschlossen fühlt, greift eher zu Angeboten aus dem Graubereich. Solange sich daran nichts ändert, wird der Schwarzmarkt weiter blühen und seine Betreiber weiterhin Milliarden scheffeln.

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IPTV-Netzwerke bieten neben dem geringen Preis für die Nutzer auch erhebliche Risiken!

Risiko-Matrix für Nutzer

Konsumenten, die glauben, mit einem 15-Dollar-„All-You-Can-Stream“-Abo nur zu sparen, irren oftmals, denn hinter den Diensten lauern echte Gefahren:

  1. Finanzbetrug

Die Bezahlseiten dieser Portale sind selten seriös. Nutzer geben ihre Kreditkarten- oder Wallet-Daten auf dubiosen Formularen ein und erleben später mitunter böse Überraschungen. Häufig werden neben der vereinbarten Abo-Gebühr zusätzliche Beträge abgebucht oder die Daten gleich im Untergrund weiterverkauft. Das führt zu weiteren unautorisierten Kreditkartenbelastungen, die sich oft erst Wochen später bemerkbar machen.

  1. Malware & Phishing

Illegale IPTV-Portale und ihre Apps sind ein Tummelplatz für Schadsoftware. Statt sicherer Apps aus offiziellen Stores laden sich User .apk-Dateien oder Tools aus obskuren Quellen herunter. Das Risiko für die Nutzer ist dabei erheblich. Trojaner können unbemerkt auf den Geräten landen und gezielt Bankdaten oder Passwörter abgreifen. Hinzu kommt Malware, die Computer, Smartphones oder Smart-TVs in Botnetze einbindet und so für weitere kriminelle Aktivitäten missbraucht. Zudem werden immer wieder Phishing-Pop-ups eingeblendet, die User dazu verleiten sollen, sensible Daten wie Logins oder Kreditkarteninformationen einzugeben. Wer also bei Piraten streamt, könnte damit die Haustür für Cyberkriminelle öffnen.

  1. Identitätsdiebstahl

Die Registrierung für solche Dienste erfordert oft persönliche Angaben wie E-Mail, Wohnort, Telefonnummer, manchmal sogar Ausweisdaten. Diese Informationen landen nicht in einem sicheren Kundenkonto, sondern auf Servern von Betreibern, die weder Datenschutz noch Löschpflichten kennen. Im schlimmsten Fall tauchen die Daten später in Leaks oder Untergrund-Foren auf.

  1. Rechtliche Konsequenzen

Schon der Konsum urheberrechtswidriger Streams kann zivilrechtliche Abmahnungen nach sich ziehen. In der Praxis sind die meisten Abmahnwellen bislang gegen File-Sharing-Nutzer gelaufen, nicht gegen reine Stream-Konsumenten. Aber gerade bei kommerziellen IPTV-Paketen steigt das Risiko, weil hier Spuren über Zahlungsdaten, Logins oder Anbieter-Logs leichter nachvollziehbar sind. Und das langfristig. Wer aktiv weiterverteilt oder gewerblich handelt, riskiert sogar strafrechtliche Ermittlungen. Razzien in Europa haben gezeigt, dass Behörden nicht nur gegen Betreiber, sondern auch gezielt schon gegen Endnutzer vorgehen.

Zwischen Analyse und Verantwortung

Silent Push stellt klar, dass sie für das untersuchte IPTV-Netzwerk keine Hinweise auf legitime Lizenzvereinbarungen gefunden haben. Die Struktur, die Preisgestaltung und die werbende Selbstdarstellung der Anbieter sprechen klar gegen jede Form offizieller Kooperation mit Rechteinhabern.

In der ursprünglichen Fassung des IPTV-Piraterie-Netzwerk enttarnt-Berichts erwähnten die Analysten noch eine bestimmte Person namentlich, die in Verbindung mit Teilen der Infrastruktur stand. Diese wandte sich jedoch an Silent Push und erklärte, lediglich beim technischen Aufsetzen von Open-Source-IPTV-Panels für Kunden beteiligt gewesen zu sein, nicht aber an der Verbreitung raubkopierter Inhalte. Daraufhin entschieden die Analysten, sämtliche Hinweise auf diese Person aus dem öffentlichen Bericht zu entfernen. Die Vorwürfe richten sich somit gegen die Struktur des Netzwerks und die daran verdienenden Firmen, nicht gegen Einzelpersonen, deren Rolle nicht zweifelsfrei nachweisbar ist.

Silent Push belässt es jedoch nicht bei der Veröffentlichung des IPTV-Piraterie-Netzwerk enttarnt-Berichts. Am 23. September 2025 veranstaltet das Unternehmen ein Webinar unter dem Titel „Stopping Piracy Distribution Networks at Scale“. Dort wollen sie zeigen, wie sich Piraterie-Infrastrukturen nicht nur nachträglich bekämpfen, sondern schon im Vorfeld proaktiv aufspüren und zerschlagen lassen.

Im Mittelpunkt stehen dabei Methoden wie das Infra-Mapping, also die systematische Kartierung von Domains, IPs und Panels, sowie die firmeneigenen IOFA-Feeds (Indicators of Future Attack). Diese sollen Rechteinhabern ermöglichen, potenzielle Bedrohungen zu erkennen, bevor sie überhaupt sichtbar werden.

Fazit: IPTV-Piraterie-Netzwerk enttarnt – Kein Deal, sondern Risiko

Der Bericht verdeutlicht, dass illegales IPTV ein geölter Gelddrucker auf Kosten von Rechteinhabern und Nutzer ist. Das aufgedeckte IPTV-Piraterie-Netzwerk punktete mit Panel-Software, Domain-Rotation und einer IP-Flut. Damit lässt sich ein globales Schatten-CDN bauen, das Takedowns widersteht. Abwarten und auf Takedowns hoffen reicht für Medienmarken darum offenbar nicht mehr aus. Gefragt ist präventives Vorgehen auf Basis technischer Intelligenz. Konsumenten sollten bedenken, dass sie der vermeintliche Deal für 15 Dollar teuer zu stehen kommen kann.

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Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.