Piraterie mit Systemfehler: Wenn der ‚Error‘ 44,5 Millionen Dollar kostet.
Piraterie mit Systemfehler: Wenn der ‚Error‘ 44,5 Millionen Dollar kostet.
Bildquelle: ChatGPT

IPTV-Piraterie: 44,5-Mio.-Vergleich besiegelt das Aus für ‚City Lights‘

44,5 Mio.-Vergleich im IPTV-Piraterie-Fall: DISH & Sling läuten das Ende von „City Lights Entertainment“ ein.

Stand im November letzten Jahres noch eine Milliardenklage im Raum, endet der Rechtsfall aktuell in einem Millionenvergleich. DISH Network und Sling TV haben ihre Klage gegen Richard Alexander Moy und dessen Firma CLVPN LLC, besser bekannt als „City Lights Entertainment“, mit einem Vergleich über 44,57 Millionen US-Dollar beigelegt. Der Fall um den angeblichen IPTV-Betreiber Richard Moy zeigt einmal mehr, wie konsequent Rechteinhaber inzwischen gegen IPTV-Piraterie vorgehen.

Die Kläger hatten dem Mann aus Chicago Ridge, Illinois, vorgeworfen, über sein Netzwerk illegale IPTV-Streams verbreitet und digitale Rechteverwaltungssysteme (DRM) umgangen zu haben. Insgesamt sollen mehr als 450.000 Nutzer und über 500 Reseller beteiligt gewesen sein. Das System wirkte nach außen wie ein seriöses Abo-Netzwerk. Tatsächlich aber, so die Klageschrift, basierte es auf der rechtswidrigen Manipulation des Widevine-DRM, das eigentlich den Zugriff auf geschützte Inhalte verhindern soll.

DRM-Umgehung, Live-Abgriff und falsche Polizeimarke

In der am 1. November 2024 eingereichten Klage (Az. 1:24-cv-11284, U.S. District Court, Northern District of Illinois) werfen DISH Network und Sling TV dem Betreiber vor, über ein ausgefeiltes technisches System den DRM-Schutz von Sling TV umgangen und deren Streams „abgefangen, entschlüsselt und weiterverbreitet“ zu haben.

Richard Moy soll sich zudem in Telegram-Kanälen und gegenüber Resellern als Polizeibeamter aus Chicago ausgegeben haben, um Zweifel an der Legalität seines Angebots zu zerstreuen. Screenshots, Zahlungsdaten aus Venmo, Cash App und PayPal sowie Chatprotokolle wurden als Beweismittel eingereicht. Seine Telegram-Gruppen trugen Namen wie „Pale Moon Light“ oder „The Pride“ Die Szene wähnte sich offenbar auf sicherem Boden.

Die mutmaßlichen Verstöße gegen den Digital Millennium Copyright Act (DMCA) (§ 1201 a/b) sowie gegen den Electronic Communications Privacy Act (ECPA) (§§ 2511, 2520) summierten sich rechnerisch auf über 1,125 Milliarden US-Dollar, da bis zu 2.500 Dollar pro einzelner Handlung angesetzt werden konnten.

IPTV-Piraterie: 44,5-Mio.-Vergleich besiegelt das Aus für ‚City Lights‘
IPTV-Piraterie: 44,5-Mio.-Vergleich besiegelt das Aus für ‚City Lights‘

Der 44,5-Millionen-Deal: teuer, aber alternativlos

Am 24. Oktober 2025 legten die Parteien beim U.S. District Court for the Northern District of Illinois eine gemeinsame Eingabe mit dem Titel „Joint Motion for Agreed Final Judgment and Permanent Injunction“ vor. Darin heißt es, dass Richard Moy und seine Firma CLVPN LLC ein permanentes Verbot erhalten, künftig jegliche Streaming-Dienste bereitzustellen oder zu betreiben. Darüber hinaus sieht die Vereinbarung einen statutarischen Schadensersatz in Höhe von 44.570.000 US-Dollar vor, der nach Maßgabe des Digital Millennium Copyright Act (DMCA) festgesetzt wurde.
Abschließend wurde festgehalten, dass beide Parteien ihre jeweiligen Anwalts- und Gerichtskosten selbst tragen

Der Betrag basiert auf einem „konservativen“ Rechenmodell, das sich an früheren DISH/Sling-Urteilen orientiert (z. B. DISH v. Magembe 2024, 30 Mio. US-$, DISH v. Barcan 2023, 493 Mio. US-$). TorrentFreak berichtet, dass Moy im Sommer 2025 seinen Anwalt nicht mehr bezahlen konnte. Der Vergleich war damit die letzte Ausfahrt, bevor ihn ein noch deutlich härteres Urteil hätte treffen können.

IPTV-Piraterie unter Druck: Rechteinhaber erhöhen das Risiko

Der Fall ist Teil einer fortgesetzten juristischen Offensive gegen IPTV-Piraterie. DISH Network und Sling TV setzen dabei zunehmend auf das DMCA-Instrumentarium, das pro Verkauf oder Bereitstellung eines illegalen Streams den vollen Schadenssatz erlaubt. Ein Hebel, der aus kleinen Einnahmen rasch Millionenforderungen entstehen lassen kann.

Für Anbieter und Reseller können schon ein paar Hundert verkaufte Abos existenzgefährdende Summen nach sich ziehen. Wer mit Panels, Reseller-Zugängen und Telegram-Support arbeitet, hinterlässt digitale Spuren, die Kläger gezielt und systematisch auswerten.

Hinzu kommt der Einsatz forensischer Signaturen in legitimen Streams, sogenannte „Sling Slates“ oder unsichtbare Wasserzeichen, mit denen sich selbst re-encoded Inhalte eindeutig zurückverfolgen lassen. In der Klageschrift wird ausdrücklich erwähnt, dass genau solche Kennungen als technischer Beweis auf den IPTV-Servern von Moy gefunden wurden, der die Klägerseite stützt.

Vom „direct feed“ zum juristischen Blackout

In seinen Telegram-Gruppen prahlte Richard Moy laut Gerichtsdokumenten damit, „direkte US-Feeds“ zu liefern, also keine „Restreams aus dem Ausland“, sondern „eigene Quellen“. Dieses „USA-based-Vertrauen“ war fester Bestandteil seiner Marketingstrategie. Doch genau dieser Umstand machte ihn für DISH und Sling TV leicht identifizierbar. Zustellung, Beweise, Zuständigkeit, alles lag im US-Hoheitsgebiet.

Die Entscheidung, in den USA gegen einen Betreiber mit Sitz im Inland vorzugehen, verdeutlicht, wie effektiv die Strafverfolgung digitaler Piraterie inzwischen funktioniert. Selbst dort, wo Täter bislang glaubten, sich hinter Technik oder geografischer Distanz verstecken zu können.

Der Fall zeigt zudem, dass Rechteinhaber wie DISH und Sling TV ihre Ansprüche längst nicht mehr auf klassische Urheberrechtsklagen beschränken. Stattdessen setzen sie auf DMCA- und ECPA-Klagen, die durch Schadensersatz, permanente Unterlassungen und gerichtliche Datenzugriffe die Infrastruktur und Finanzströme von IPTV-Netzen angreifbar machen.

IPTV-Piraterie: Schlussstrich mit Signalwirkung

Der Vergleich im Fall Moy blieb zwar weit unter der zuvor angestrebten Milliardenmarke, er sendet jedoch ein deutliches Signal. 44,5 Millionen US-Dollar plus ein permanentes Streaming-Verbot zeigen, wie konsequent die Rechteinhaber inzwischen vorgehen. Sie greifen längst nicht mehr nur auf das klassische Urheberrecht zurück. Vielmehr attackieren sie gezielt über den Digital Millennium Copyright Act (DMCA) und den Electronic Communications Privacy Act (ECPA).

Reseller-Netze, die mit angeblichem US-Branding und ‚direct feeds‘ werben, werden nicht mehr nur mit Takedowns, sondern mit existenzgefährdenden Schadenssummen konfrontiert. Zu Beginn stand noch ein Nischen-Geschäft mit günstigen $20-Abos. Das Ende von ‚City Lights‘ zeigt, wie dünn der Grat zwischen Streaming-Anbieter und rechtlichem Ruin ist.

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Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.