Ein Notebook mit einer durch Netzsperren blockierten Anwendung
Ein Notebook mit einer durch Netzsperren blockierten Anwendung
Bildquelle: Rawpixel, Lizenz

Netzsperren: Maßnahmen klammern zunehmend Gerichte aus

Was in einem Land funktioniert, übernehmen auch gern die anderen. So auch bei den Netzsperren, deren Umsetzung immer fragwürdiger erscheint.

Die Regierung von Uruguay erlaubt es erstmals, Unternehmen, die selbst keine Rechteinhaber sind, Netzsperren gegen Pirateriedienste zu beantragen. Und das ist nur einer von vielen bedenklichen Schritten auf dem Weg zu einer schnelleren Reaktion auf rechtsverletzende Inhalte. Dass andere Länder die Vorgehensweise übernehmen, ist sicher nur noch eine Frage der Zeit.

Ein Schritt folgt dem anderen – ein schleichender Prozess

Während noch vor wenigen Jahren laute Stimmen ertönten, die vor einer Zerstörung des Internets durch Netzsperren warnten, hat sich genau das inzwischen zu einer alltäglichen Praxis etabliert. Um schneller auf Rechtsverletzungen reagieren zu können, setzen sich zunehmend Systeme durch, die mitunter die Beteiligung von Gerichten reduzieren.

Nach und nach gehen die geforderten Zensurmaßnahmen immer einen Schritt weiter. Was in einem Land funktioniert, setzen daraufhin auch die anderen um. Anbieter von Internet-Diensten unterstützen infolge zunehmenden Drucks vonseiten der Rechteinhaber aktiv bei der Einrichtung neuer Systeme zur Sperrung von Webseiten.

Umgang mit Netzsperren in Uruguay

Wie weit dieses Spiel inzwischen fortgeschritten ist, zeigt eindrucksvoll ein Bericht von TorrentFreak über aktuelle Geschehnisse aus Uruguay. Im Jahr 2020 verabschiedete dessen Regierung ein Gesetz, das die Regulierungsbehörde für Kommunikationsdienste (URSEC) ermächtigt, im Kampf gegen rechtsverletzende Inhalte die Führung zu übernehmen.

Dadurch sollten sich Netzsperren schneller durchsetzen lassen, bevor das Angebot der Raubkopierer die Verbraucher Uruguays erreicht.

Am 25. Oktober 2022 erließ das uruguayische Ministerium für Industrie, Energie und Bergbau (MIEM) schließlich ein Dekret, das mitunter auf die Einführung eines neuen Systems zur Sperrung von Piratenseiten hinweist.

Es sieht vor, dass sämtliche Beschwerden über illegale TV-Streams an die URSEC übermittelt werden, die nach einer Prüfung schließlich Anweisungen für Netzsperren an Dienstanbieter erteilt. Daraufhin haben diese vier Tage Zeit, die Maßnahmen umzusetzen.

Fragwürdige Entwicklungen als Vorlage für andere Länder

Doch es gibt noch einen entscheidenden Unterschied zu den Systemen anderer Länder. Denn in Uruguay dürfen jetzt auch Unternehmen Netzsperren beantragen, die selber gar keine Rechteinhaber der betroffenen Werke sind.

Das erlaubt es Vermittlern, wie beispielsweise Betreibern von Fernsehdiensten, Piraterieangebote an die URSEC zu melden und dadurch Sperrmaßnahmen zu erwirken. Dabei erfolgt zunächst immer nur eine Sperrung für bis zu 30 Tage. Bis diese Frist abläuft, findet üblicherweise eine gerichtliche Prüfung statt, die die Anordnung gegebenenfalls verlängert.

Ebenso steht eine weitere Verkürzung der Reaktionszeit für Netzsperren zur Debatte. Demnach soll die Sperrung von Live-Streams möglicherweise bald innerhalb von nur 30 Minuten nach einer Beschwerde erfolgen. Zwar steht die Entscheidung dafür noch aus. Doch ist sie angesichts der Entwicklungen der letzten Jahre sicher nur eine Frage der Zeit.

Netzsperren gefährden die Freiheit der Meinungsäußerung (noch immer)

Oscar Robles Garay, Geschäftsführer des lateinamerikanischen und karibischen Internetadressenregisters (LACNIC), äußerte sich kritisch zu der Vorgehensweise für Netzsperren in Uruguay. Zwar begrüße er den Schutz der Inhalte vor Piraterie, doch sehe er zugleich eine Gefahr für die Freiheit der Meinungsäußerung.

„Es ist in Ordnung, das geistige Eigentum anderer zu schützen, aber manchmal, wenn man das ohne ausreichende technische Kenntnisse tut, können andere Rechte betroffen sein: Websites, Regierungsseiten, Schulen und mehr, was eindeutig nicht im Fokus dieser Maßnahmen steht.“

Oscar Robles Garay

Damit stellt er die erforderlichen Kompetenzen der involvierten Parteien infrage, die Netzsperren korrekt umzusetzen. Insbesondere im Hinblick auf die schnellen Reaktionszeiten dürfte eine gründliche Prüfung der Beschwerden schier unmöglich erscheinen, wodurch die ein oder andere Netzsperre sicherlich ihren Zweck verfehlt.

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Über

Marc Stöckel hat nach seiner Ausbildung zum IT-Systemelektroniker und einem Studium im Bereich der technischen Informatik rund 5 Jahre als Softwareentwickler gearbeitet. Um seine technische Expertise sowie seine Sprachfertigkeiten weiter auszubauen, schreibt er seit dem Sommer 2022 regelmäßig Artikel zu den Themenbereichen Software, IT-Sicherheit, Datenschutz, Cyberkriminalität und Kryptowährungen.