Verschlüsselung
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Bildquelle: pxfuel.com

EU-Rat hält am Ende der Verschlüsselung fest

Im Streit um die Pläne zur Chatkontrolle und des Bruchs der Verschlüsselung ist nun ein Vorschlag des spanischen Vorsitzes bekannt geworden.

Der Vorschlag zur verdachtslosen Durchsuchung aller privaten Nachrichten und Fotos auf Smartphones unter Umgehung jeglicher Verschlüsselung, wird am Donnerstag besprochen. Er soll Ende des Monats im EU-Rat bei der Abstimmung eine Mehrheit für die Chatkontrolle sichern.

Verschlüsselung droht endgültig abgeschafft zu werden

Der Europaabgeordnete der Piratenpartei und Jurist Dr. Patrick Breyer, der das Vorhaben im EU-Parlament mitverhandelt, hat den geleakten Vorschlag gelesen. Dr. Breyer warnt:

„Die Lippenbekenntnisse zu sicherer Verschlüsselung sind ein Placebo. Kommunikationsdienste wie Whatsapp oder Signal müssten trotzdem unsere Smartphones zu fehleranfälligen Scannern und Wanzen umfunktionieren (sog. client-side scanning), so dass man sich auf die anschließende Verschlüsselung der ‚unverdächtigen‘ Nachrichten nicht mehr verlassen könnte.

Was die EU-Regierungen noch diesen Monat beschließen wollen, bedeutet unverändert: Neben unwirksamer Netzsperren- und Suchmaschinen-Zensur droht mit der verdachtslosen Chatkontrolle das Ende des digitalen Briefgeheimnisses und sicherer Verschlüsselung. Und mit der Durchleuchtung persönlicher Cloudspeicher die Massenüberwachung privater Fotos, mit der Altersverifikation durch Kommunikationsdienste das Ende anonymer Kommunikation, mit der Appstore-Zensur für Jugendliche eine Art digitaler Hausarrest.

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Unzureichender Schutz aller Bürgerinnen und Bürger

Die Vorkehrungen zum Grundrechtsschutz sind noch schwächer als von der Kommission vorgeschlagen. Von den EU-Regierungen weiterhin nicht geplant sind die überfällige Pflicht zur Löschung bekannten Missbrauchsmaterials im Netz. Auch geht es um Vorschlag nicht um europaweite Standards für wirksame Präventionsmaßnahmen, Opferhilfe und -beratung sowie konsequente strafrechtliche Ermittlungen.

Mit diesem Big Brother-Angriff auf unsere Handys, Privatnachrichten und Fotos mithilfe fehleranfälliger Algorithmen droht ein Riesenschritt in Richtung eines Überwachungsstaates nach chinesischem Vorbild. Chatkontrolle ist, wie wenn die Post alle Briefe öffnen und scannen würde – ineffektiv und illegal. Selbst intimste Nacktfotos und Sex-Chats können plötzlich bei Unternehmenspersonal oder der Polizei landen. Wer das digitale Briefgeheimnis zerstört, zerstört Vertrauen. Auf Sicherheit und Vertraulichkeit privater Kommunikation sind wir alle angewiesen: Menschen in Not, Missbrauchsopfer, Kinder, die Wirtschaft und auch Staatsbehörden.“

Im Interview mit tarnkappe.info sagte der Politiker, das Bekenntnis zu Grundrechten vieler Politiker passe zu dem geplanten Aufbrechen der Verschlüsselung elektronischer Geräte überhaupt nicht zusammen. Niemand solle glauben, dass man den Behörden total vertrauen könnte. Auch sei es nicht so, dass man in einem Überwachungsstaat sicherer leben würde. Dies sei ein „fataler Irrtum“.

Lars Sobiraj

Über

Lars Sobiraj fing im Jahr 2000 an, als Quereinsteiger für verschiedene Computerzeitschriften tätig zu sein. 2006 kamen neben gulli.com noch zahlreiche andere Online-Magazine dazu. Er ist der Gründer von Tarnkappe.info. Außerdem brachte Ghandy, wie er sich in der Szene nennt, seit 2014 an verschiedenen Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen den Teilnehmern bei, wie das Internet funktioniert.