Nach dem Bust von LuL.to erstatten 36 Selfpublisher Strafanzeige gegen die Nutzer. Sie fordern so ihre entgangenen Gewinne zurück.
Nachdem am 21. Juni 2017 die Domain www.LuL.to durch das CyberCrimeCompetenceCenter (SN4C) des LKA Sachsen gesperrt und die Seite somit für immer von Netz genommen wurde, kamen erstmals bemerkenswerte Details ans Licht der Öffentlichkeit. Besonders erwähnenswert dabei war die unglaubliche Zahl deren Nutzer, denn die Plattform soll nicht weniger als 30.000 Kunden gehabt haben. Nun haben einige Selfpublisher Strafanzeige gestellt. Und zwar gegen die Kunden von LUL.to.
Auch der dort angebotene Content war beachtlich. Die Ermittler des SN4C konnten im Rahmen von Durchsuchungen insgesamt über 11 Terabyte an Daten sichern. Es wurden auf der illegalen Plattform u.a. 160.000 deutschsprachige E-Books und 28.000 Hörbücher gegen Centbeträge zum Download angeboten, darunter zahlreiche Neuerscheinungen und aktuelle Titel der Spiegel Bestseller-Liste.
Selfpublisher erstatten Anzeige gegen Käufer ihrer Werke
So sahen sich aber auch die Selfpublisher mit der für sie schockierenden Tatsache konfrontiert, dass ihre Leser wohl Geld übrig haben für die Bücher ihrer Wahl, nur auf ihre Konten, obwohl es ja von ihnen geschrieben wurde, es ihrem Geist entsprungen ist und es ihnen auch zustehen würde, ist es offenbar nicht geflossen. Nein, es füllte die Taschen der drei gefassten, illegalen Betreiber, die dafür nun mit angemessenen Haftstrafen rechnen müssen.
Nun ist – besonders hier bei uns in den Kommentaren auf der Tarnkappe – viel diskutiert worden über die Unrechmäßigkeit des Erwerbs der Bücher durch die Nutzer von LuL.to. Die Autoren gaben bekannt, dass die Verkaufszahlen ihrer Neuerscheinungen erheblich eingebrochen sind, sobald ein Titel auf illegalen Seiten erschien. Auch gibt es eine Studie von Andreas Kaspar von Counterfights, die diese Aussage mit Zahlen belegt. Bei den Selbstpublishern würde demnach der Anteil der Verluste durch Piraterie bei 30% liegen. Zudem geht dieser Rückgang der Verkaufszahlen einher mit einem Einbruch im Salesrank bei Amazon, der sich ebenfalls ungünstig auf weitere erhoffte Verkäufe und erwartete Gewinne auswirkt.
LUL.to: Neue Ware zu Schleuderpreisen
Die Reaktionen der Nutzer darauf gingen über pures Unverständnis für die Situation der Selfpublisher über Forderungen nach Senkung der E-Bookpreise, die für sie kaum nachvollziehbar hoch wären, fielen doch für die E-Books nicht die gleichen Kosten an, wie für die Druckexemplare. Dennoch sind kaum Preisnachlässe in E-Books für den Endverbraucher spürbar. Auch gab es wohl dort Kunden, denen die offensichtliche Illegalität der Seite nicht wirklich bewusst war. Schon die extrem niedrigen Preise hätte jeden skeptisch machen müssen. Offenbar haben die Kunden auch nicht die FAQ der Seite gelesen.
So trifft entsprechend ebenso in diesem Fall zu. Unwissenheit schützt bekanntlich vor Strafe nicht. Andere Nutzer waren dankbar, dass sie so günstigen Lesestoff dort erhielten, den sie sich sonst nie hätten leisten können, weil sie über nur geringes Einkommen verfügten. Auch, dass der DRM-Schutz auf manchen Geräten ein Lesen der Bücher verhindert – alles das waren keine Argumente, die die Autoren gelten lassen wollten, als einen Grund, der illegales Downloaden rechtfertigen würde. Zudem ist eine Entschuldigung der Nutzer von LuL.to an die Selfpublisher ausgeblieben.
Selfpublisher empört
Die Empörung der Selfpublisher ist daraufhin direkt greifbar gewesen. Auch hat eine Antwort der Selbstpublisher nicht lange auf sich warten lassen. Die entgangenen Gewinne sollen nun in ihre eigenen Taschen zurückfließen. Ihre erste Reaktion bestand also darin, sich zu organisieren, beratend zusammenzuschließen und aufzurufen zu einem weitgehend einheitlichen Handeln. Dabei soll ihre Botschaft überdeutlich bei den Nutzern von LuL.to, die doch zugleich auch ihre Leser sind, ankommen: Sie haben die Absicht, jede nachweisbar begangene Urheberrechtsverletzung zu ahnden. Für die Nutzer, die unvorsichtigerweise weder VPN benutzt, noch ihre Gutscheine bar im Laden gezahlt haben oder auch jene, die sich leichtsinnigerweise dort mit einer realen E-Mailadresse registriert haben, dürfte der Einkauf bei LuL.to nun richtig teuer werden, sobald man sie dort identifiziert hat.
In realen Zahlen ausgedrückt heißt das nun konkret. Es haben sich bisher sechsunddreißig Selbstpublisher, die mit insgesamt 636 Titel auf LuL.to präsent waren, zusammengefunden. Sie haben Strafanzeige gegen die Nutzer erstattet, die nachweisbar ihre Werke auf LuL.to erworben und heruntergeladen haben. Nach einer entsprechenden Veröffentlichung einer Pressemitteilung auf der Seite des Rechtsanwalts Tilman Winterling haben sich die Selfpublisher zudem bei diesem fachkundige, juristische Beratung geholt.
Anzeige soll Nachahmer abschrecken
Auf dem Blog der freien Autorin und Journalistin Myra Çakan wird ausgeführt, was für die Selfpublisher in etwa zu erwarten wäre.
„Bei 15 Romance-Autoren, die ja recht fleißige Arbeiter sind, kann man vermutlich von mindestens 10 Veröffentlichungen pro Autor ausgehen. Das könnte dann z.B. so aussehen: Schadenersatz 375 € plus Abmahnkosten 2.250 €. Bedenkt man, dass die meisten Self-Publisher, die in diesem Genre schreiben, ihre Romane zum Verkaufsstart für mehrere Tage oder sogar Wochen für 99 Cent anbieten, hätte man die kompletten E-Books für 148,50 legal erwerben könnten.“
Nach aktueller Rechtslage müssen die User demnach durchaus damit rechnen, dass sie für mindestens 5 Jahre strafrechtlich für ihre Käufe bei LuL.to und dem Herunterladen der Bücher belangt werden können. Gemeint ist das Urteil des Europäischen Gerichtshofes zum Thema Streaming, das aber auch hier seine Anwendung findet. Abgesehen von einer etwaigen Strafverfolgung durch die Staatsanwaltschaft kann folglich jeder Nutzer, dem der Kauf bei LuL.to nachgewiesen werden kann, vom betroffenen Selfpublisher in die Haftung genommen werden. Diese Maßnahmen sollen eine abschreckende Wirkung haben und künftig die Lust auf Piratenangebote an preisgünstigen oder kostenlosen Büchern gründlich versalzen.
Update vom 13.07.2017
Ich habe mich wegen der folgenden Aussage von Rechtsanwalt Tilman Winterling
„Bei den einzelnen Nutzern werden wir jeden Fall ansehen und individuell entscheiden.“
an ihn persönlich gewandt. Ich wollte von ihm gerne nähere Angaben zu dieser doch sehr allgemein gehaltenen Information bekommen. Soweit das für ihn vertretbar war. Denn tatsächlich möchte er sich aufgrund des laufenden Verfahrens da nicht so gerne in die Karten schauen lassen. Winterling führt er in seiner Antwort aus, dass sie
„verschiedene Parameter berücksichtigen, wozu dann z.B. auch die Schwere und Häufigkeit der Rechtsverletzungen gehören.“ Auf meine Vermutung hin, dass nur solvente Nutzer von LuL.to abgemahnt und somit bestraft werden könnten, meine Herr Winterling: „Es käme „nicht (nur) auf die Solvenz an, diese ist ja „von außen“ auch nicht immer einzuschätzen.“ […]
„„Bestrafen“ tun wir sowieso nicht. Denn hier geht es um zivilrechtliche Ansprüche, die nur auf den Ausgleich des Schadens gerichtet sind. Die strafrechtlichen Ermittlungen und eine etwaig hieran anschließende Verfolgung haben mit unserem zivilrechtlichen Vorgehen nur am Rande zu tun. Diese liegen erstmal in den Händen der Staatsanwaltschaft.“
Bildquelle: Ramdlon, thx! (CC0 1.0 PD)
Tarnkappe.info