Kürzlich brachte der YouTube-Kanal Simplicissimus eine Dokumentation über Kim Dotcom (Schmitz) heraus. Dotcom als Elite-Hacker & Bauernopfer?
Das Problem beginnt schon in der ersten Minute des Videos. Auch wenn es noch so viele Journalisten behaupten: Kim Dotcom war nie ein Hacker. Ja, das wäre er gerne gewesen, aber das war’s auch schon. Immer dann wenn Kim Schmitz, später Dotcom, etwas verkauft oder präsentiert hat, hat er diese Fähigkeit von einem Dritten erhalten.
Kim kann nur eines hacken: Menschen. Wie ich von einem seiner ehemals engsten Bekannten erfahren habe, ist Kim sowohl intelligent als auch manipulativ. Er hat auch bei der Gründung von Megaupload, viele Jahre später, die Menschen um sich versammelt, die er für ein solches Projekt gebraucht hat. Die von ihm beeinflussten haben zu seinem Vorteil oftmals gut und lange funktioniert.
Kim Dotcom, der Aktivist, Politiker & Visionär?
Ist Kim Dotcom doch ein Hacker? Wäre er es gewesen, hätte er sich nicht ab Winter 1996 dem CCC regelrecht andienen müssen. Die Kimbolismen haben den Dialog zwischen echten Hackern und dem ehemaligen Geschäftsführer von Data Protect gut auf den Punkt gebracht. Schon das erste Posting im Usenet lässt ahnen, welch Geistes Kind Kim Dotcom schon damals war. Da fragte Schmitz nämlich „Ist Kimble ein Gott???“. Ein Posting weiter versucht er Mitarbeiter für sein Unternehmen Data Protect (DP) anzuwerben: „We want you + you want money = join DP.“ An seinen mangelnden Fähigkeiten ändert auch das Kimble-Crackintro im Video nichts, welches auf einem Amiga 500 lief. Das wurde wahrscheinlich entweder mit dem Red Sector Demomaker etc. erstellt oder Schmitz hat es bei einem echten Programmierer gekauft.
Kim Dotcom kann nur Menschen hacken
Doch zurück zum Video. Kim war nicht nur ein erfolgreicher Menschen-Flüsterer, sondern konnte sich auch prominent in der Presse präsentieren. Schmitz führte damals vor, wie ein Haufen Insider weltweit kostenlos telefonieren konnte. Nur nutzten wir Anfang der 90er für das Blueboxing kein Programm und auch keine Frequenzen von ihm. Bei Harald Schmidts Show präsentierte er sich als „Vorzeige-Jungunternehmer“, den man international „herumreichen“ würde.
Unzählige Razzien der Betreiber illegaler Mailboxen sollen auf sein Konto gehen
Über Dotcoms Kontakt zum Abmahnanwalt Günter Freiherr von Gravenreuth geht man in der Sendung leider nicht ein. Wohl aber gibt man zu, die knapp 18 Minuten seien nicht annähernd ausreichend, um alle PR-Stunts, Geschichten und Gerüchte über Kim Dotcom zu erzählen. Mit seinen ganzen Pracht- und Prunkvideos auf Jachten, in Hubschraubern und Edelkarossen machte sich der Megaupload-Gründer zum Erzfeind der Film- und Musikindustrie. Und weil sein Online-Projekt derart viel Geld eingespielt hat, kann sich Kim nicht als armes Opfer oder gar als Sündenbock verkaufen. Das Team von Megaupload verteilte schließlich das meiste Geld an exakt die Uploader, die den illegalsten Scheiß hochgeladen haben. Also am besten noch vor Veröffentlichung der jeweiligen Werke. Andere Gründer waren auch nicht weniger erfolgreich. Mit Ausnahme von Deniz C. kennt aber niemand ihr Gesicht, niemand hat ihren Luxus je zu Gesicht bekommen.
Wahr ist auch, dass Megaupload immer zeitnah die Archive gelöscht hat, sollte der Rechteinhaber die Copyright-Verletzung bemerkt haben. Doch das Mastermind war nicht Schmitz, obwohl er die mediale Aufmerksamkeit stets auf sich zog. Das Mastermind hinter Megaupload ist und bleibt der Programmierer Mathias Ortmann.
Der erste Szene-Hoster war RapidShare, nicht Megaupload!
Es war aber wohl die Idee von Kim, dieses Online-Angebot zu starten, weil er für sich eine Möglichkeit suchte, um darüber Filmmitschnitte auszutauschen. Das scheiterte schon damals am Größen-Limit der E-Mail-Anbieter, die sich nicht zu Filesharing-Tauschbörsen umfunktionieren lassen wollten.
Coder Ortmann und PR-Manager Bram van der Kolk haben sich jetzt mithilfe eines Deals aus der Affaire ziehen können. Für Kim Dotcom könnte dies mit viel Ärger einhergehen. Wer weiß schon, was sie den Strafverfolgungsbehörden dafür im Austausch an Informationen angeboten haben? Seine Auslieferung der Wahlheimat Neuseeland an die USA, wo er bis zum Lebensende in Haft genommen werden könnte, wird noch höchstrichterlich geklärt.
Die Sache mit der Wahrheit: Hauptschulabschluss statt Begabten-Abitur
Wirklich schön ist die Aufdeckung einer seiner ersten Lügen im Video. Demnach sagte er vor Gericht aus, Kim Dotcom habe als Kind das Internatsgymnasium Schloss Plön besucht. Dieses habe er bereits mit 17 Jahren vorzeitig mit dem Begabten-Abitur verlassen. In Wahrheit besuchte Schmitz eine Hauptschule und musste wegen seiner Verhaltensauffälligkeit zwischenzeitlich in das Schülerheim Rohwedder in Ascheberg umziehen. Angeblich habe man ihn dort mit anderen „Härtefällen“ im sogenannten Haupthaus untergebracht. Davon sprach Dotcom vor Gericht natürlich nicht.
Kim Dotcom ist nicht zu beneiden
Eigentlich ist er trotz des vielen Geldes nicht zu beneiden. Über ihm schwebt seit dem Megaupload-Bust ein Damokles-Schwert namens US-Auslieferung. Als Kind eines alkoholkranken und offenbar gewalttätigen Vaters hatte er es nicht leicht. Wer sich die vielen Videos anschaut, wird bemerken, dass er selbst nie Alkohol konsumiert hat, egal wie viel Schampus seine Gäste zur Verfügung hatten. Absolute Enthaltsamkeit kommt bei Kindern von Alkoholikern nicht selten vor.
Nachvollziehbar auch, dass er etwas anderes brauchte, um diese riesige Wunde, also seine Vergangenheit, zuzudecken. Mit Gewalt musste er nach dem Auszug seiner Mutter aus der gemeinsamen Wohnung der Eltern zumindest nicht mehr rechnen. Aber viel Geld hatte die alleinerziehende Mutter wohl auch nicht.
Bei Kim gibt es deswegen kein Grau. Es muss alles cutting edge, super, top oder gar mega sein. Seine in den 90er Jahren in München beheimatete Mailbox hieß „House of Coolness BBS“. Immer war alles das Beste, Größte und Aufregendste, was Kim jemals vorgestellt hat. Kimvestor, der clevere Anlageberater. Kimble, der Superhacker, der letsbuyit.com gerettet haben will. Kim Schmitz, der sich sogar den Namen der Dotcom-Blase zu Eigen gemacht hat. Nun ja, nomen est omen, wie man so schön sagt.
Fazit
Lohnt sich das Video? Ja, auf jeden Fall, auch wenn die zeitliche Reihenfolge brutal falsch dargestellt wird. Und auch wenn viele interessante Details fehlen. Aber gut, in knapp 20 Minuten kann man viel mehr nicht hineinquetschen. Wem die Hintergründe nicht bekannt sind, sollte sich diese Zusammenfassung einmal in Ruhe zu Gemüte führen. Sehr viel ausführlicher ist hingegen die Podcast-Reihe „Wild Wild Web“, die der Bayerische Rundfunk kürzlich veröffentlicht hat.
Viele Informationen, wie beispielsweise die des Kölner Journalisten Torsten Kleinz, sind im Netz leider nicht mehr verfügbar. Wer viel Geld hat, hat auch genug Moneten für Anwälte übrig, wie es scheint. Da war es für Kleinz als freiberuflicher Journalist, der mit seinen vergleichsweise geringen Einnahmen haushalten muss, auf Dauer schwer, dagegen anzustinken. Was wohl für immer übrig bleibt, ist der Ohrwurm, den Kim besprochen aber nicht besungen hat (siehe Video oben).