Eine neue Studie zeigt, dass mobile Pop-up-Werbung gerade dann am besten wirkt, wenn die Konsumenten abgelenkt sind.
Pop-up-Werbung gilt allgemein als nervig, penetrant und störend. Doch viele wissen nicht, dass genau diese Aspekte sie so effektiv machen. Vor allem dann, wenn Nutzer eigentlich schon anderweitig beschäftigt sind. Eine aktuelle Studie der Fox School of Business der Temple University in Philadelphia, Pennsylvania, zeigt auf, wie Pop-up-Werbung in ablenkungsreichen Situationen sogar noch stärker wirkt, und dass abgelenkte Konsumenten leichter für eingespielte Werbebanner empfänglich sind. Eine Optimierung von Timing, Kontext und Nähe entscheidet dabei über einen maximalen Effekt.
Initiiert wurde die Forschung, veröffentlicht im MIS Quarterly am 22. Juli 2025, von einem interdisziplinären Team: Vinod Venkatraman, außerordentlicher Professor für Marketing, Sunil Wattal, Professor für Managementinformationssysteme, sowie Siddharth Bhattacharya, einem ehemaligen Doktoranden von Fox und Heather Kennedy, einer ehemaligen Doktorandin der School of Sport, Tourism and Hospitality Management. Ihre Ambition war es, die Diskrepanz zwischen klassischer Aufmerksamkeitsforschung und den realen Bedingungen des digitalen Alltags zu überbrücken.
Bisherige Studien zu Dual-Task-Interferenzen konzentrierten sich meist auf isolierte Laborsituationen. Das Team wollte dagegen verstehen, wie sich Werbung inmitten echter Reizüberflutung behauptet. Das Ziel war es, praxisnahe Erkenntnisse zu liefern, die Werbetreibenden nicht nur dabei helfen, Konsumenten gezielter anzusprechen, sondern auch ein Schlaglicht auf die Mechanismen zu werfen, mit denen unsere Aufmerksamkeit im digitalen Zeitalter gelenkt wird und ausgenutzt werden kann. Das Forscherteam hat in einer aufsehenerregenden Reihe von Experimenten gezeigt, Ablenkung ist kein Nachteil für Werbung, sie kann sogar ein Vorteil sein.
Willkommen im Labor der Ablenkungen: Wie Pop-up-Werbung zur Manipulation wird
Um verlässliche Ergebnisse zu erhalten, setzte das Team nicht auf theoretische Modelle, sondern auf praxisnahe Experimente. Mehr als 600 Probanden nahmen teil und wurden in ein Setting versetzt, das den digitalen Alltag simulieren sollte. Auf einer eigens entwickelten App lösten sie Anagramm-Puzzles, während im Hintergrund ein 14-minütiger NFL-Spielclip lief. Zwischendurch tauchte immer wieder Pop-up-Werbung auf, mal passend zum Sportkontext, mal völlig neutral. Die Teilnehmer wussten, dass sie sowohl für die gelösten Rätsel als auch für ihre Erinnerungen an Spielinhalte bewertet würden. Heimlich prüften die Forscher jedoch auch, wie viele Anzeigen tatsächlich hängenblieben.
In einem zweiten Experiment veränderten die Forscher dann die Rahmenbedingungen. Statt zwei Bildschirme zu nutzen, sahen die Probanden Spiel und App parallel auf einem geteilten Screen. So ließ sich messen, wie sehr die physische Distanz zwischen Ablenkung und Werbung den Erinnerungswert beeinflusst. Dieses geschickte Studiendesign machte sichtbar, wie stark Faktoren wie Timing, Kontext und Bildschirmnähe die Wirkung von Pop-up-Werbung bestimmen.

Der Touchdown-Effekt
Besonders deutlich zeigte sich die Wirkung von Pop-up-Werbung in Verbindung mit starken Emotionen. Anzeigen, die direkt nach Highlights wie einem Touchdown eingeblendet wurden, brannten sich deutlich besser ins Gedächtnis ein. Die Erinnerungsrate stieg in diesen Momenten um bis zu 16 Prozent. Die Forscher erklärten diesen Effekt damit, dass nach einer Schlüsselszene das Aufmerksamkeitsniveau erhöht bleibt. Dies öffnet die Sinne stärker für Reize, auch wenn diese von außen kommen. Vinod Venkatraman verdeutlicht:
„Manchmal kann eine Aktivität, wenn man mehrere Aktivitäten gleichzeitig ausübt, nicht nur ablenken, sondern auch die Aufmerksamkeit erhöhen. Wenn der Touchdown erzielt wird, ist man natürlich immer noch abgelenkt und schaut nicht auf sein Mobilgerät. Aber unmittelbar danach steigt die Aufmerksamkeit, anstatt abzunehmen. Werbetreibende könnten diese Dynamik nutzen, um Anzeigen zu schalten, die den Konsumenten im Gedächtnis bleiben.“
Pop-up-Werbung und räumliche Nähe
Neben dem richtigen Timing spielte auch die räumliche Nähe eine Rolle. Wenn Werbung und Ablenkung auf demselben Bildschirm präsentiert wurden, also etwa im Split-Screen, war die Wirkung deutlich stärker. Die Erinnerungsrate lag in dieser Konstellation 11,4 Prozent höher als bei Probanden, die zwischen zwei Geräten wechseln mussten. Die Forscher stellten hier fest, je geringer die Distanz ist, desto leichter bleibt die Pop-up-Werbung haften. Vinod Venkatraman kommentiert:
„Interessanterweise fällt es den Menschen leichter, ihre Aufmerksamkeit zu teilen, wenn Werbung und Ablenkung nah beieinander liegen. Wenn zwischen dem Bildschirm, auf dem man das Sportereignis verfolgt, und dem, auf dem die Werbung läuft, ein größerer Abstand besteht, ist die Aufmerksamkeit stärker gestreut, da man einen längeren Weg zwischen den Bildschirmen zurücklegen muss.“
Kontext schlägt alles
Die Studie machte auch klar, dass nicht jede Anzeige die gleiche Wirkung entfaltet. Entscheidend ist auch der thematische Bezug. Pop-up-Werbung, die direkt zum laufenden NFL-Spiel passt wie Spots mit Sportlern oder Football-Motiven, blieb fast 30 Prozent häufiger im Gedächtnis als neutrale Anzeigen. Kontext und Inhalt bestimmen also maßgeblich, wie manipulativ eine Werbung sein kann.
Fazit: Pop-up-Werbung ist mehr als nur nervig
Die Ergebnisse zeigen, dass Pop-up-Werbung kein bloßes Störfeuer ist, sondern zu einem hochwirksamen Instrument werden kann, gerade dann, wenn Nutzer abgelenkt sind. Mit dem richtigen Timing, einer klaren thematischen Anbindung und möglichst geringer Bildschirmdistanz lässt sich die Wirkung noch erheblich steigern. Für die Werbeindustrie eröffnet das enorme Möglichkeiten. Für Konsumenten dagegen bedeutet es, jede Push-Benachrichtigung, die mitten in einer Flut von Informationen auftaucht, ist alles andere als Zufall, sondern gezielte Manipulation. Die Forscher resümieren:
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass bei Vorhandensein zusätzlicher Stimuli aus der Umgebung ein fördernder Zusammenhang zwischen der Aufmerksamkeit, die einer Aufgabe gewidmet wird, und der Effektivität von Pop-up-Werbung, die die Aufgabe unterbricht, besteht.“
Laut Sunil Wattal setzen Marketer bereits massiv auf hyperpersonalisierte und hyperkontextualisierte Werbung. Die Forschung verdeutliche allerdings, dass in einem weiteren Schritt auch das Umfeld der Verbraucher stärker in den Blick zu nehmen sei:
„Traditionell wird bei Fernsehwerbung der Kontext des Geschehens im Fernsehen berücksichtigt. Auch bei Werbung auf Mobilgeräten wird der Kontext des Nutzers berücksichtigt. Wir sehen jedoch, dass das nicht ausreicht. Werbetreibende können auch das allgemeine Umfeld des Nutzers berücksichtigen. Dieses Wissen kann zur Gestaltung besserer Werbung genutzt werden.“