Neue Oxford-Studie mit Nintendo-Daten entlarvt den Mythos vom gefährlichen Zocken. Entscheidend ist, wie gut Gaming ins Leben passt.
Eine Nintendo-Studie der Universität Oxford vom März dieses Jahres räumt mit einem alten Gaming-Mythos auf. Entsprechend entscheidet nicht die Spielzeit über die mentale Gesundheit, sondern vielmehr, wie gut das Zocken ins eigene Leben passt. Ein Befund, der die anhaltende Debatte über „zu viel Gaming“ wissenschaftlich entzaubert und damit endgültig auf den Kopf stellt.
Nintendo-Studie zeigt: „Gaming Life Fit“ entscheidet über Wohlbefinden
Ein Team der Universität Oxford hat gemeinsam mit Nintendo of America eine der größten Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen Videospielen und psychischer Gesundheit durchgeführt. Im Ergebnis hat die reine Spielzeit keinen messbaren Einfluss auf die mentale Verfassung. Stattdessen zählt, wie gut das Spielen ins eigene Leben passt, als einem Faktor, den die Forscher als „Gaming Life Fit“ bezeichnen.
In die Studie flossen anonymisierte Spielzeitdaten auf der Nintendo Switch von 703 Nintendo-Spielern aus den USA ein. Diese umfassten insgesamt mehr als 140.000 Stunden Spielzeit auf über 150 von Nintendo veröffentlichten Titeln. Die Wissenschaftler um Nick Ballou und Andrew Przybylski verbanden diese objektiven Daten mit psychologischen Fragebögen zu Stimmung, Depression, Lebenszufriedenheit und allgemeinem Wohlbefinden. Die Forscher analysierten Spielzeiten über Zeiträume von einer Stunde bis zu einem Jahr.
Als Resultat erwies sich, es wäre egal ob die Spielzeit 30 Minuten oder 3 Stunden pro Tag betrage. Die Spieldauer selbst war kein signifikanter Faktor. Entscheidend war, wie Spieler ihr Gaming subjektiv bewerten, als Bereicherung oder als Störfaktor für Arbeit, Schlaf und Beziehungen. Das heißt, wie man das Spielen in sein eigenes Leben integriert, also ob Gaming einen sozial, emotional oder mental unterstützt, bestimmt das Wohlbefinden.
Frühere Studien, die auf objektive Daten, sogenannte digitale Spurendaten, zurückgriffen, beschränkten sich meist auf ein einzelnes Spiel und konnten daher die gesamten Spielgewohnheiten einer Person über verschiedene Titel hinweg nicht vollständig erfassen. Andere Untersuchungen stützten sich wiederum auf Selbstauskünfte der Spieler, die sich allerdings als unzuverlässig erwiesen haben. Probanden unterschätzen oder überschätzen ihre Spielzeit dabei häufig um mehrere Stunden.
Die Nintendo-Studie ist deshalb auch so bahnbrechend, weil sie objektive Spieldaten direkt von Nintendo of America nutzte. Statt ungenauer Angaben bekamen die Forscher echte, digitale Nutzungsprotokolle über jede Sitzung, jede Minute und jede Pause. Das gewährte einen ganzheitlichen Blick auf das tatsächliche Engagement der Spieler.
Forschung mit Nintendo-Daten: Präziser als je zuvor
Die Studienergebnisse wurden im renommierten Fachjournal Royal Society Open Science veröffentlicht und gelten als methodisch wegweisend. Die Wissenschaftler stellten fest, dass es keine signifikante Korrelation zwischen Spielzeit und Lebenszufriedenheit, Stimmung oder depressiven Symptomen gibt. Nur ein kleiner Effekt zeigte sich bei Personen, die unmittelbar vor der Befragung gespielt hatten. Sie berichteten kurzfristig über eine etwas bessere Stimmung, die aber kaum länger als zwei Stunden anhielt.
Damit widersprechen die Ergebnisse der Nintendo-Studie lang etablierten Vorstellungen von „gesunder Spielzeit“. Frühere Richtlinien wie die „2×2-Regel“ der American Academy of Pediatrics (AAP) empfahlen jahrelang, dass Kinder unter zwei Jahren überhaupt keine Bildschirmzeit haben sollten und ältere Kinder nicht mehr als zwei Stunden täglich vor dem Bildschirm verbringen. Diese starre Begrenzung prägte weltweit die öffentliche Diskussion über „gesunde Mediennutzung“.
Auch staatliche Zeitlimits in Ländern wie China und Südkorea beruhten auf der Annahme, dass mehr Bildschirmzeit automatisch das Wohlbefinden mindert. Laut Oxford-Team greift diese Zeitfixierung zu kurz. Entscheidend ist, ob Gaming das reale Leben unterstützt oder verdrängt. Wer mit Freunden spielt, entspannt oder kreativ wird, profitiert. Wer sich durch Games von Problemen ablenkt oder soziale Kontakte vermeidet, riskiert das Gegenteil. Ballou kommentiert:
„Unsere Daten zeigen, dass praktisch keine relevanten Effekte zwischen Spielzeit und mentalem Wohlbefinden bestehen. Entscheidend ist die Qualität des Spielerlebnisses.“
Selbst die AAP betonte in einem zeitlich jüngeren Artikel, dass Inhalte, Kontext und individuelle Balance wichtiger sind als pauschale Zeitgrenzen.
„Gaming Life Fit“: Das neue Maß für gesundes Zocken
Der Begriff Gaming Life Fit dürfte künftig eine zentrale Rolle spielen. Dieser Index beschreibt, wie gut das Spielen mit Arbeit, Beziehungen, Schlaf und emotionaler Balance harmoniert. Spieler, die angaben, dass Gaming sie in diesen Lebensbereichen unterstütze, berichteten über signifikant höhere Lebenszufriedenheit und mentale Gesundheit, völlig unabhängig davon, wie viele Stunden sie tatsächlich spielten.

Das bestätigt, was viele Gamer ohnehin schon längst wussten. Es ist nicht falsch, drei Stunden in Hyrule abzutauchen, solange man sich danach gut fühlt. Zocken ist somit kein Feind des Wohlbefindens, solange es das Leben ergänzt, nicht ersetzt. Zudem ist auch die Beziehung zum Spiel entscheidend.
Grenzen der Studie
Diese Nintendo-Studie unterliegt allerdings auch einigen Einschränkungen. Sie bezieht sich zum einen nur auf Erwachsene in den USA, nicht auf Jugendliche. Zum anderen wurden ausschließlich Spieldaten von Nintendo-Titeln analysiert, die ausschließlich auf der Nintendo Switch gespielt wurden. Drittanbieter-Games wie etwa EA-Titel blieben außen vor.
Die Teilnehmer gaben außerdem an, auf mehreren Plattformen zu spielen, sodass ihre Nintendo-Switch-Aktivität nur einen Teil ihres gesamten Spieleengagements darstellte. Der durchschnittliche Teilnehmer der finalen Stichprobe spielte etwa 1,4 Stunden pro Woche auf der Plattform. Es handelte sich also überwiegend um casual Gamer, also Gelegenheitsspieler, nicht um Hardcore-Gamer.
Dennoch ergibt sich trotz dieser Einschränkungen ein klares Bild. Die Forscher sehen „praktisch keinen Beleg“ für den althergebrachten Zusammenhang zwischen Spielzeit und mentaler Gesundheit.
Selbst frühere Untersuchungen mit Xbox- oder PC-Spielern kamen zu ähnlichen Ergebnissen. Die aktuelle Nintendo-Studie fügt nun die bisher größte, plattformweite Datengrundlage auf Basis objektiver Spieldaten hinzu und bestätigt, die Bildschirmzeit-These ist wissenschaftlich nicht haltbar. Das Fazit der Autoren lautet:
„Es ist an der Zeit, sich von der simplen Formel ‘mehr Spielen = schlechtere Psyche’ zu verabschieden. Entscheidend ist die Qualität des Spielens, nicht die Quantität.“
Gaming ist nicht das Problem sondern der Umgang damit
Die Nintendo-Studie rückt den Fokus weg von simplen Stundenzählern hin zu den individuellen Erlebnissen und Motiven hinter dem Spielen. Statt über Bildschirmzeit zu diskutieren, sollten Eltern, Medien und Politik besser fragen, wie erleben Menschen das Spielen und was bringt es ihnen wirklich? Zocken kann gesund, sozial und erfüllend sein, wenn es in ein balanciertes Leben passt, frei nach dem Motto: „Don’t blame the game – check your life fit.“